Dienstmädchen, das beim Bankett das Fleisch der Kinder ihrer Herrschaft servierte

nur das Feuer, das Fleisch, die Kräuter und der Gedanke, der sich nun vollständig geformt hatte: “Heute wird etwas enden, vielleicht auch beginnen.” Sie selbst wusste nicht, ob ihr Tun aus Hass geboren war, aus Gerechtigkeit oder aus einem Schmerz, der zu lange verschwiegen worden war. Alles, was sie wusste. Dies war der Moment, in dem ihr Schweigengewicht bekam.

Ein letzter Blick auf die dampfenden Töpfe und ein seltsamer Frieden senkte sich über ihr Gesicht. Während die Familie im großen Saal lachte und sich selbst feierte, während Gäste in Kutschen die Auffahrt hinaufpolterten, bereit, die Pracht der von hohen Brucks zu bestaunen, bereitete Sophie die Schalen vor, ordnete das Fleisch auf Platten an, übergoss es mit den tiefen, dunklen Soßen, die sie den Tag über hat ziehen lassen.

Und als die Diener kamen, um alles hinauszutragen, blieb sie still, fast reglos. Nur ihre Augen verfolgten, wie die Speisen, ihr Werk, ihre Antwort auf ein Leben voller Qual aus der Küche getragen wurden. Es gab kein Zögern mehr. Der Abend nahm seinen Lauf und mit ihm eine Unausweichlichkeit, die wie ein unsichtbarer Faden überall im Haus gespannt war.

Man hätte ihn vielleicht spüren können, hätte man darauf geachtet. Aber niemand achtete auf Sophie. Nie, nicht einen einzigen Tag. Und genau das war ihr größter Schutz. Der große Saal des Gutshauses von Hohenbruck verwandelte sich an diesem Abend in ein funkelndes Schauspiel aus Kerzenlicht, Kristallglanz und überheblicher Selbstinszenierung.

Überall waren Stimmen zu hören, Gemurmel, Lachen, das Klirren von Gläsern. Die angesehensten Familien aus der Region waren angereist, um sich an der Pracht der von hohen Brocks zu berauschen. Über langen, schweren Holztischen lagen Leinen aus feinster Weberei und das Silberbesteck glänzte so stark, als wäre es erst heute poliert worden.

Der Duft der Speisen, die Sophie zubereitet hatte, durchdrang den Saal, warm, würzig und tief. Niemand stellte Fragen. Niemand wunderte sich darüber, daß die Aromen anders waren als üblich, intensiver, schwerer, fremdartiger. Alles, was die Gäste interessiert hatte, war die Scherefülle des Festes. Herr Friedrich stand am Kopf des Tisches mit erhobenem Kinn und einem Anflug von Hochmut, der selbst jene in den Schatten stellte, die ihn bewunderten.

Neben ihm strahlte Frau Elisabeth mit jener künstlichen Wärme, die nur dazu diente, den eigenen sozialen Rang zu unterstreichen. Die Kinder, Johann, Kara und Lukas rannten zwischen den Gästen umher, durften Dinge, die anderen verboten gewesen wären und genossen sichtbar die Aufmerksamkeit, die man ihnen schenkte.

Schließlich wurde der Hauptgang aufgetragen. Mehrere Diener stellten die schweren Platten auf den Tisch, ihre Arme zitternd unter der Last. Die Gäste beugten sich erwartungsvoll vor und die ersten Worte des Lobes halten durch den Saal, kaum daß sie gekostet hatten.

So zart, murmelte ein älterer Gutsherr und schloss die Augen genießerisch. So ungewöhnlich gewürzt, sagte eine Dame mit einem Fächer aus Pfaunfedern. Wer hat das zubereitet? Friedrich lächelte stolz. “Unsere Köchin”, sagte er. Ein einfaches Mädchen vom Lande, aber sie versteht ihr Handwerk gut genug. Niemand sah den Blick, den Sophie aus dem Schatten heraus auf ihn warf.

Niemand bemerkte die Regung in ihren Augen, trocken wie zwei Steine in einem verlassenen Bachbett. Die Gäste aßen weiter. Sie lachten, sie scherzten, sie lobten. Und je mehr sie lobten, desto stiller wurde es in Sophie, als würde das Geräusch der Welt immer weiter in die Ferne rücken. Für die Familie selbst aber war das Fest ein Triumph.

Johann stopfte sich größere Fleischstücke in den Mund, als schicke es sich für einen Jungen seines Alters. Kara kleckerte mit der dunklen Soße über ihr Kleid und lachte schrill, als Lukas sie nachahmte. Friedrich und Elisabeth stießen mit ihren Gläsern an.

Das feine Kristall klirte, begleitet von Worten über Tradition, Blutlinien, Wohlstand und göttlichen Segen. Keiner von ihnen bemerkte den dunklen Unterton des Abends, ein kaum wahrnehmbares Vibrieren, das sich wie ein unsichtbarer Schwarm kalter Insekten unter die Haut schlich. Keiner spürte die Schwere, die sich über das Haus legte wie dichter Nebel, der aus dem nahen Wald kam und sich unbemerkt an die Fenster schmiegte.

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