Fahrer Emil sank auf die Knie, murmelte ein verstörtes Gebet, während einige der Männer fluchten, andere still in die Heide starrten, als hofften sie, es möge alles ein Albtraum sein. Doch es wurde noch schlimmer. Unter einem Teppich im Wohnhaus entdeckten sie eine hölzerne Klappe. Darunter lag eine schmale, versteckte Treppe. Der modrige Geruch verriet, dass auch hier nichts Gutes verborgen war.
Mit Laternen stiegen sie hinab. Der Keller war eng, kaum höher als ein Mann, die Luft stickig. An der Wand hing ein schwarzes Notizbuch aus Leder, als hätte es jemand absichtlich bereitgelegt. Pfarrer Emil griff danach, obwohl seine Hände zitterten. “Lasst mich”, sagte er, “ich werde lesen.
” In der Stille hörte man nur das Rascheln der Seiten, als er sie aufschlug. “Es sind Aufzeichnungen”, sagte er stockend von “on Friedrich selbst. Daten, Namen, Beschreibungen. Seine Stimme wurde dünner und dünner. Er hat alle seine Töchter schwanger gemacht. Mehrere Frauen begannen zu weinen. Er glaubte, unser Blut müsse rein bleiben. Keine Vermischung.
Gott habe es ihm befohlen. Emil schloss die Augen. Er hat die Neugeborenen getötet. Er nennt es Opfer zur Erhaltung der Reinheit. und hat. Der Pfarrer brach ab, stützte sich an der Wand ab, als drohe er umzufallen. Doch bevor jemand reagieren konnte, öffnete er das Buch erneut, zwang sich weiterzulesen.
Er beschreibt, wie Karmen beim vierten Kind gestorben ist, wie Margarete sich aufgehängt hat, wie Lisel Lotte an einer Infektion starb, nachdem er versucht hatte ein. Seine Worte erstickten. Niemand fragte nach Details. Man wußte genug. Dr. Querin war Aschfahl. Das ist das schlimmste Verbrechen, das ich je gesehen habe. Die Gruppe verließ den Keller. Sie brauchten frische Luft.
Doch die Heidekte nicht mehr wie ein Ort aus Natur und Ruhe, sondern wie ein Abgrund, der alles verschluckt hatte. Friedrich Steinbrecher wurde zur meist gesuchten Person des ganzen Landkreises erklärt. Sein Bild, ein grobkörniges Passfoto, wurde an jede Kirche, jeden Gasthof, jeden Bahnhof geschickt. Zeitungen begannen darüber zu schreiben. Das Monster aus der Heide titelten einige.
Andere sprachen von einer Familientragödie ungekannten Ausmaßes. In Eichenmor kehrte der Alltag nicht zurück. Die Menschen schliefen schlecht, hörten nachts den Wind in den Birken und glaubten, er trage Stimmen mit sich. Die Schwestern der kleinen Klostergemeinschaft nahe Lüneburg nahmen Anna auf, eine Frau von erst 26 Jahren, die aussah wie 60.
Schwester Magdalena, die Oberin, eine ruhige Frau mit runzligen Händen und warmen Augen, kümmerte sich um sie. Anna sprach wochenlang kein Wort. Sie saß auf einer Bank im Klostergarten, starrte auf die Sandwege oder die violetten Heidekräuter, die im Wind schwankten. Jede laute Stimme, jeder hastige Schritt ließ sie zusammenfahren. Doch Schwester Magdalena hatte Geduld.
Viele Stunden saß sie schweigend neben ihr. Eines Abends im März, während Regen gegen die kleinen Fensterscheiben prasselte und der Wind um das Gemäuer heulte, brachte Magdalena Tasse warm Kakao, eine seltene Kostbarkeit in jenen Zeiten. Plötzlich nach Wochen des Schweigens sagte Anna leise: “Es begann, als ich 13 war.” Magdalena erstarrte.
Anna sprach langsam wie jemand, der durch eisiges Wasser wartet. Er sagte, es sei Gottes Wille, daß Väter das Blut reinhalten mütsten. Die Oberin senkte den Blick, hielt Annas zitternde Hände. “Ich habe sieben Kinder geboren”, flüsterte Anna. “Keines hat länger als ein paar Tage gelebt.” Sie atmete schwer, als drücke ein Stein auf ihrer Brust.
Er hat uns eingesperrt, geschlagen, wochenlang kein Licht, kein Wasser. Sie erzählte von Ken, die einst fröhlich gewesen war, gern sang, immer die Jüngeren tröstete, bis der Vater sie erwischte, als sie zu fliehen versuchte. Kamen war nie wieder dieselbe gewesen von Margarete, die immer die stärkste gewesen war, die Bilder an die Wände gemalt hatte, verzweifelte Versuche, die Realität festzuhalten.
Von Liselotte und Grätchen, den Jüngsten, die am wenigsten verstanden hatten, aber am meisten litten. Und dann erzählte Anna mit brüchiger Stimme von Patrizia Hermann, der mutigen Wäscherin, die versucht hatte zu helfen. Friedrich hatte sie gesehen, hatte sie nachts abgefangen, hatte sie drei Tage im Stall gefangen gehalten und dann er hat sie in der Heide verschart, flüsterte Anna. Er hat ihre Stimme brach endgültig.