Er war kein Riese, kein Ungeheuer; er war ein gewöhnlicher Mann, vielleicht vier Jahre alt, mit einem dichten Schnurrbart und Augen, die vor grausamer Intelligenz funkelten. Er war gut gekleidet, besser als jeder seiner Männer, und wenn er sprach, war seine Stimme leise, fast sanft. „Joaquín, Joaquín, es schmerzt mich, das zu tun, weißt du? Ich habe dich wie einen Sohn behandelt, ich habe dir alles gegeben, und das ist der Dank dafür.“
Joaquín hob mühsam den Kopf und spuckte Blut. „Fahr zur Hölle!“, lachte der Kojote. „Wahrscheinlich, aber du gehst zuerst.“ Er deutete auf den Einäugigen. „Nur zu, aber langsam. Ich will, dass es lange dauert.“ Der Einäugige hob erneut seine Peitsche. Ignacio trat an Carolinas Seite und flüsterte: „Alles ist bereit. Auf dein Zeichen.“ Carolina sah Lupita an. Lupita nickte.
Carolina hob den Revolver, richtete ihn gen Himmel und feuerte. Der Schuss in den Himmel glich Glassplittern. Einen Augenblick lang erstarrte alles. Die Männer des Kojoten blickten verwirrt auf. Der Kojote erhob sich von seinem Platz. Der Einäugige ließ die Peitsche fallen. Und dann brach die Hölle aus allen vier Richtungen über sie herein.
Pfeile zischten durch die Dunkelheit. Drei Wachen fielen, bevor sie begriffen, was geschah; Pfeile durchbohrten ihre Hälse, ihre Brust, ihre Augen. Die Raramuri bewegten sich wie unsichtbare, tödliche Schatten. Carolina rannte mit Lupita an ihrer Seite auf den Platz zu, feuerte, lud nach, feuerte.
Plötzlich stand ein Mann mit erhobener Machete vor ihm. Ohne nachzudenken, zielte er ihm auf die Stirn. Drei Kugeln blieben übrig. Im Lager brach Chaos aus: Schreie, Schüsse, Männer rannten in alle Richtungen, keiner wusste, woher der Angriff kam.
Das Feuer der Lagerfeuer warf wilde Schatten an die Hüttenwände. Der Geruch von Schießpulver, Blut und Angst lag in der Luft. Carolina ging in die Mitte, wo Joaquín gefesselt war. Ein großer Mann mit einer Narbe auf der Wange versperrte ihr den Weg. Er schoss ihm in den Bauch, sah ihn doppelt, dann fiel er zu Boden. Er spürte nichts mehr. Es war kein Platz mehr für Gefühle. Zwei Kugeln. Er erreichte den Posten, wo Joaquín und die anderen waren.
Er hob den Kopf und sah sie mit kaum fokussierenden Augen an. „Carolina, geh weg.“ Es war eine Falle, aber es war zu spät. Etwas Hartes traf ihn im Rücken. Er sank auf die Knie. Der Revolver glitt ihm aus der Hand. Er drehte sich um und sah den Einäugigen über sich stehen, der ein Stück Holz in den Händen hielt und mit jenem Lächeln lächelte, das ihm tagelang Albträume bereitet hatte.
„Ich dachte, ich hätte dir beigebracht, still zu sein, Schlampe.“ Carolina kroch zum Revolver. Der Einäugige trat ihr in die Rippen, warf sie auf den Rücken, kniete sich auf sie und legte ihr die Hände an die Kehle. „Diesmal werde ich dich langsam töten. Ich werde es genießen.“ Carolina rang nach Luft. Die Hände des Einäugigen drückten immer fester zu.
Vor seinen Augen tanzten schwarze Punkte. Er dachte an Maria. Er dachte an Rafael. Er dachte, dass er sein Versprechen wohl nie halten könnte, da brannte es in einem Auge. Joaquin riss eine Hand aus den Fesseln, schnappte sich ein Messer vom Gürtel des Toten neben ihm und stieß es dem Einäugigen bis zum Oberschenkel.
Der Einäugige sprang schreiend auf und umklammerte ihr Bein. Carolina hustete, keuchte, sah den Revolver einen Meter entfernt, kroch hinüber, packte ihn und wandte sich ab. Der Einäugige schloss die Augen zu ihr, das Messer hing noch an seinem Bein, seine Augen voller Hass und Schmerz. Carolina hob den Revolver, zielte auf seine Brust, senkte dann den Blick und schoss ihm in den Unterleib. Sie würde den Schrei des Einäugigen nie vergessen.
Er kniete nieder, die Hände an die Wunde gelegt, Blut rann zwischen seinen Fingern hindurch. Carolina stand auf, ging langsam auf ihn zu und setzte ihm den Lauf des Revolvers an die Stirn. „Das ist für meine Frau, für meine Schwester, für jede Frau, die du je berührt hast.“ Sie drückte ab. Der Kopf des Einäugigen schnellte zurück.
Sein Körper fiel wie ein Sack Steine zu Boden, unversehrt. Carolina stand zitternd über dem Leichnam und spürte etwas, das weder Freude noch Trost war, nur Leere, eine unermessliche Leere, in der manchmal Hass aufkeimte. „Carolina!“, rief Lupita von irgendwoher. Der Kojote war entkommen. Carolina drehte sich um und sah eine Gestalt auf die Pferche zurennen; der Kojote versuchte, das Pferd zu fangen.