Es war eine Nacht ohne Sterne, die Dunkelheit so dicht, dass selbst der Schnee sie nicht erhellen konnte. Der Wind kam in Böhen über die Hügel, trug den Geruch von Rauch und Kälte und irgendwo in der Ferne läutete eine Glocke, eine Warnung, ein Om. Lukas Münzer kam zurück. Barfuß fast, der Mantel zerfetzt, das Gesicht vom Frost gezeichnet.
Drei Jahre war er fort gewesen und doch schien keine Zeit vergangen. In seinen Augen lag dasselbe Feuer, derselbe Abgrund, der ihn einst fortgetrieben hatte. Er ging den alten Weg hinauf, vorbei an den Feldern, die jetzt unter Schnee ruhten. Die Häuser des Dorfes lagen still, doch hinter manchem Fenster regte sich ein Schatten.
Eine Hand zog schnell die Gardine zu. Jeder hatte ihn erkannt und niemand würde wagen, ihn aufzuhalten. Der Name Münzer war zu einer Warnung geworden, und die Kinder, die ihn einst bewundert hatten, flüsterten jetzt. Er ist wieder da, der Sünder, der Bruder. Am Haus angekommen, blieb Lukas stehen.
Das Dach war eingefallen, die Scheune halb zerstört. In den Fenstern kein Licht, nur in der Stube glom schwach ein Schein. Er klopfte nicht, er trat ein. Sophie saß am Tisch in einem alten grauen Kleid. Vor ihr lag eine Bibel, geöffnet, aber unberührt. Als sie die Tür hörte, hob sie den Kopf. Und für einen Moment erstarrte alles.
Kein Atem, kein Laut, kein Herzschlag. Lukas flüsterte sie. Er trat näher, langsam, als bewege er sich durch Wasser. Ich konnte nicht länger fortbleiben. Sie stand auf, das Gesicht bleich wie der Schnee draußen. Du darfst nicht hier sein. Wenn Vater dich sieht, dann soll er mich sehen, sagte Lukas ruhig. Ich bin nicht mehr der, der gegangen ist.
Ich habe gearbeitet, gelitten, getötet, vielleicht mich selbst jeden Tag. Aber eins ist geblieben. Du. Sie begann zu zittern. Bitte geh. Nein, ich bin gekommen, um dich zu holen. In diesem Moment ging die Tür des Nebenzimmers auf. Johann stand dort, älter, schwächer, das Haar grau, die Hände von der Arbeit verformt. Doch in seinen Augen war dieselbe Härte. dieselbe Wut, die ihn nie verlassen hatte.
“Ich wußte, daß du wiederkommst”, sagte er. Seine Stimme war heiser, aber schneidend. Sünder kommen immer zurück an den Ort, wo sie gefallen sind. “Ich bin nicht gekommen, um zu kämpfen”, erwiderte Lukas. “Ich will sie nur sehen. Ein letztes Mal.” Johann trat vor zwischen ihn und Sophie. “Du siehst sie und dann verschwindest du für immer.
Nein. Lukas Stimme war ruhig, aber in ihr lag etwas gefährliches. Ich nehme sie mit. Es gibt nichts mehr hier, nur Asche. Johann lachte bitter. Asche? Ja. Deine Mutter liegt unter ihr. Dein Name hat sie in Schande gestürzt. Du hast dein Blut verraten, deinen Glauben, deine Familie.
“Ich habe nur geliebt”, schrie Lukas plötzlich. Ich habe geliebt, was mir der Himmel selbst gezeigt hat, und ihr habt daraus eine Sünde gemacht. Sophie schrie auf, als Johann einen Schritt nach vorne machte. Seine Hand packte Lukas am Kragen. Du wagst es unter meinem Dach so zu reden. Dein Dach, spiel Lukas, dein Dach hat sie fast begraben.
Sie rang, der Tisch stürzte, das Licht fiel, die Flamme der Lampe zischte und erlosch. Im Dunkeln hörte man nur Atem, das Knirschen von Holz, das dumpfe Aufprallen eines Körpers. Sophie schrie: “Vater Lukas, ein dumpfer Schlag, ein Stöhn, dann Stille.” Als die Flamme neu auflackerte, sah Sophie ihren Vater am Boden, das Gesicht zur Seite gedreht, das Blut sich dunkel auf den Dielen ausbreitend. Lukas stand über ihm, die Hände zitternd, der Atem keuchend.
Ich ich wollte nicht. Sophie kniete nieder, schrie, pres die Hände auf die Wunde. Vater, Vater, bitte. Johann öffnete noch einmal die Augen. Geh, flüsterte er, kaum hörbar. Geh. Beide weit weg. Dann sagte er zurück. Für einen Moment herrschte absolute Stille. Nur der Wind draußen heulte, als wüßte er, was geschehen war.
Sopie sa auf, Tränen und Blut auf ihren Händen. “Wir müssen fort”, flüsterte sie. Lukas stand wie versteinert. “Ich habe ihn getötet.” “Nein”, sagte sie. “Die Sünde war älter als wir.” Sie zogen ihn in die Kammer, deckten ihn mit einer Decke zu und Sophie schloss seine Augen. Dann verließ sie das Haus, ohne zurückzublicken. Lukas folgte ihr schweigend. Draußen fiel Schnee, dick.