und lautlos bedeckte ihre Spuren, noch bevor sie das Tal erreichten. Hinter ihnen blieb das Haus der Münzers, kalt, leer und im Innern ein toter Mann, der einst geglaubt hatte, die Sünde mit Zorn austreiben zu können. Sie gingen durch die Nacht ohne ein Wort. Der Schnee fiel dichter, bedeckte ihre Schultern, ihre Spuren, ihre Vergangenheit.
Über ihnen hing der Himmel schwarz und stumm, und nur der ferne Ruf einer Eule erinnerte daran, daß es noch Leben in dieser Welt gab. Als der Morgen graute, hatten sie die Berge erreicht. Ein kleiner verlassener Hof stand dort, halb eingestürzt, der Schornstein zerbrochen, das Dach löchrig. Dort fanden sie Zuflucht. Sophie zündete Feuer im Kamin, ihre Finger steif vor Kälte.
Lukas saß daneben, den Blick leer, die Hände blutig, keiner sprach, nur das Knistern des Feuers füllte den Raum. Nach Stunden endlich hob Sophie den Kopf. “Er wollte nicht, dass du stirbst”, sagte sie leise. “Er wollte nur Frieden.” Lukas antwortete nicht. “Ich habe ihn getötet, Sophie. Ich habe unser Blut verflucht.” “Nein”, flüsterte sie.
Das Dorf, die Menschen, ihre Worte. Sie haben uns getötet, lange bevor du es getan hast. Sie legte Holz nach, sah in die Flammen, als wollte sie darin das Ende finden. Ihr Gesicht war blass, aber ruhig. Lukas stand auf, trat Fenster. Unten im Tal glomm das ferne Licht des Dorfes. “Sie werden uns suchen”, sagte er.
Wenn Sie das Haus finden, dann finden Sie ihn, unterbrach sie, und Sie werden sagen, es war Gottes Strafe. Vielleicht war es das. Nein, sie drehte sich zu ihm um. Wenn Gott uns strafen wollte, hätte er uns nie so fühlen lassen. Er hat uns nur vergessen. Die Tage vergingen still, gleichförmig. Sie lebten von Kartoffeln, die sie im Keller fanden, und vom Schnee, den sie schmolzen.
Lukas schnitzte Holz, Sophie nähte Risse im Mantel. Nachts schliefen sie nah am Feuer, ohne sich zu berühren. Aber das Schweigen zwischen ihnen war voller Worte, die keiner mehr wagte zu sagen. Doch das Schweigen war brüchig. Eines Abends, als der Sturm draußen tobte, fiel der Ofen in sich zusammen. Sophie weinte, ohne zu wissen, warum.
Lukas legte den Arm um sie, zaghaft zuerst, dann fester. Ich wünschte, ich könnte dich erlösen, flüsterte er. Mich erlösen? Sie lachte leise, bitter. Ich will keine Erlösung. Ich will nur vergessen. Er berührte ihr Gesicht. Ich kann dich nicht vergessen. Nicht in diesem Leben, nicht im nächsten. Sie schloß die Augen und zum ersten Mal seit jener Nacht im Dorf küsste sie ihn wieder.
Langsam, vorsichtig, als fürchte sie, die Welt könnte es hören. Der Wind heulte, der Schnee peitschte gegen die Fenster und für eine Nacht war alles fern. Der Tod, die Schuld, die Schande. Es gab nur sie, das Feuer und die Dunkelheit. Am nächsten Morgen war der Himmel klar, die Sonne stand tief, golden.
Sophie stand vor der Tür, das Haar offen, den Blick zum Tal gerichtet. “Wir können nicht bleiben”, sagte sie. “Sie werden kommen.” Lukas nickte. “Wohin?” Egal wohin, nur fort. Sie machten sich auf den Weg mit einem kleinen Bündel, das kaum mehr als Brot und einen Schal enthielt. Der Schnee reichte ihnen bis zu den Knien.
Die Luft schnitt wie Glas, doch sie ging Hand in Hand, ohne zurückzusehen. Nach zwei Tagen erreichten sie eine Stadt am Rand des Gebirges. Niemand kannte sie dort. Sie mieten ein Zimmer über einer Schmiede, gaben sich neue Namen Lukas und Anna Bergmann. Sie sprachen nicht über die Vergangenheit, aber sie lebte in jedem Schweigen, in jeder Berührung.
Sophie begann in einer Bäckerei zu arbeiten, half beim Kneten des Teigs, lächelte manchmal, wenn niemand hinsah. Lukas fand Arbeit als Tagelöhner, trug Holz, schleppte Steine. Von außen waren sie einfaches Paar. unscheinbar arm. Doch in ihren Augen lag etwas, das die Menschen verstummen ließ. Ein Schmerz, der zu still war, um Mitleid zu erregen.
Doch die Schuld blieb. Nachts hörte Sophie manchmal die Stimme ihres Vaters, die durch den Schlaf schnitt wie ein Messer. Ihr habt meinen Namen verflucht. Dann wachte sie schweißgebadet auf, suchte Lukas Hand und er flüsterte. Ich bin da. Im Frühjahr kam ein Brief ohne Absender, nur ein einziges Blatt, darauf ein Satz: “Man hat ihn gefunden.