Eine Frau, die während der gesamten Geburt im Krankenhaus anwesend war, stellte seltsame Fragen zu den medizinischen Eingriffen und was mit den Babys im Falle von Komplikationen geschehen würde. Pedro sah seinen Vater mit tränengefüllten grünen Augen an und berührte sanft Lucas’ Arm. „Papa, sie sind so hungrig. Sieh nur, wie dünn und schwach sie sind.“ Wir können sie nicht hier lassen. Eduardo betrachtete die beiden Jungen im schwindenden Licht genauer und sah, dass es ihnen tatsächlich sehr schlecht ging.
Ihre geflickten Kleider hingen zerfetzt an ihren schmächtigen Körpern. Ihre Gesichter waren blass und eingefallen, tiefe dunkle Ringe unter den Augen. Ihre trüben, müden Augen verrieten Tage ohne richtiges Essen und erholsamen Schlaf. Neben ihnen, auf der schmutzigen Matratze, lagen eine fast leere Wasserflasche und eine zerrissene Plastiktüte mit ein paar Resten alten Brotes. Ihre kleinen Hände waren schmutzig und wund, übersät mit Schnitten und Schrammen, zweifellos vom Suchen nach Essen im Müll.
„Habt ihr heute schon etwas gegessen?“, fragte Eduardo und beugte sich zu den Kindern hinunter, bemüht, seine aufsteigenden Gefühle zu beherrschen. „Gestern Morgen hat uns eine Frau vom Bäcker ein altes Sandwich zum Teilen gegeben“, sagte Mateo und blickte beschämt zu Boden. „Aber heute nichts. Manche Leute gehen vorbei, sehen uns mitleidig an, tun aber so, als sähen sie uns nicht und gehen schnell weiter.“ Pedro zog augenblicklich eine ganze Packung gefüllter Kekse aus seiner teuren Schultasche und bot sie den Kindern mit einer spontanen, etwas unbeholfenen Geste an, die Eduardo mit väterlichem Stolz und zugleich mit existenzieller Angst erfüllte.
„Ihr könnt essen“, sagte er. „Papa kauft mir immer extra welche, und wir haben zu Hause genug Leckereien.“ Lucas und Mateo blickten mit großen, hoffnungsvollen Augen zu Eduardo auf und suchten seine Zustimmung – ein natürlicher Reflex der Höflichkeit und des Respekts, der in scharfem Kontrast zu ihrer verzweifelten und erniedrigenden Lage stand. Jemand hatte diesen verlassenen Kindern Manieren und Werte beigebracht. Eduardo war fassungslos und versuchte immer noch zu begreifen, was sich vor seinen Augen abspielte, welche Fügung des Schicksals ihm diese Kinder in den Weg geführt hatte.
Sie teilten die Kekse mit einer Zärtlichkeit und Aufmerksamkeit, die Eduardo tief berührte. Vorsichtig brachen sie jeden Keks in zwei Hälften, hielten sich vor dem Essen an den Händen und kauten langsam, jeden Bissen genießend, als wäre es ein richtiger Kuchen. Keine Eile, keine Gier – nur reine Dankbarkeit. „Danke.“
„Keine Ursache“, sagten sie laut. Und Eduardo war sich sicher, diese Stimmen zu kennen, nicht nur ein- oder zweimal, sondern tausendfach.
Es war nicht nur der hohe, kindliche Tonfall, sondern auch die Aussprache, der besondere Rhythmus ihrer Sprache, die genaue Art, wie jedes Wort betont wurde. Alles klang absolut identisch mit Pedros Stimme. Während er die drei Kinder beobachtete, die zusammen auf dem schmutzigen Boden saßen, wurden die Ähnlichkeiten immer deutlicher und beunruhigender, unmöglich zu ignorieren oder zu rationalisieren. Es war nicht nur die frappierende äußerliche Ähnlichkeit, die automatischen Gesten und Denkmuster, die besondere Art, wie sie den Kopf leicht nach rechts neigten, wenn sie aufmerksam zuhörten, oder gar die Art, wie sie lächelten und zuerst die oberen Zähne zeigten.
Alles war bis ins kleinste Detail identisch. Pedro schien zwei exakte Versionen seiner selbst gefunden zu haben, die in bitterster Armut lebten. „Weißt du, wer deine richtigen Eltern sind?“, fragte Eduardo und versuchte, seine Stimme ruhig und distanziert klingen zu lassen, obwohl sein Herz schmerzhaft pochte. „Marcia sagte immer, unsere Mutter sei im Krankenhaus gestorben, als wir geboren wurden“, erklärte Lucas und wiederholte die Worte, als wären sie auswendig gelernt und tausendmal geübt worden. „Und unser Vater konnte sich nicht um uns kümmern, weil er schon ein jüngeres Kind zu versorgen hatte und es nicht schaffte.“