Die Noten waren dünn in der kalten Luft, aber rein und schmerzlich schön, ein Faden echter Trauer in einer Stadt, die von künstlicher Fröhlichkeit summte. Der Klang von einem eigenartigen Windstoß getragen wehte auf die offene Terrasse der Villa. Ein korpulenter Industrieller namens Herr Schmidt, der ein Glas Champagner hielt, hielt mitten im Satz inne.
“Was ist das für ein Geräusch”, lete er mit einem grausamen Glanz in den Augen. Er führte eine kleine Gruppe an den Rand der Terrasse und sie blickten auf die Straße hinunter. “Nun, nun”, kicherte Schmidt. “Es scheint, wir haben hier etwas lokale Unterhaltung.” Er wandte sich an die Gruppe, seine Stimme laut genug, um gehört zu werden. Wäre es nicht amüsant, ihn hereinzuholen? Ein kleines soziales Experiment.
Die Idee verbreitete sich wie ein Virus auf der Party, eine neue Ablenkung von den vorhersehbaren Annehmlichkeiten des Abends. Sie trugen den Vorschlag Isolde vor und stellten ihn als einen Moment skoriler Gönnerschaft dar. Sie wollte die Idee gerade mit einer Handbewegung abtun, doch sie sah die erwartungsvollen Blicke, die Herausforderung in ihren Augen.
Gut, sie würde ihr Spiel mitspielen. Es würde ein Spektakel sein, eine Demonstration ihrer eigenen unberechenbaren Macht. Sie nickte ihrem Sicherheitschef kurz zu. Bringt ihn herein. Wenige Minuten später fand sich Lukas durch Türen geführt, die sich wie ein Portal zu einem anderen Universum anfühlten. Die plötzliche Wärme war ein Schock, das brillante Licht blendend.
Das leise Summen der Unterhaltung verstummte, als sich jeder Blick im Raum auf ihn richtete. Er stand erstartr auf dem polierten Marmorboden, sich seiner ausgefranzten Manschetten, der dunkelen Flecken auf seiner zerfetzten braunen Kleidung und der müden Hinfälligkeit seines Gesichts schmerzlich bewusst.
Er fühlte sich wie ein streunendes Tier, das in einem Palast geschleppt wurde, ein Objektmorbider Neugier. Die Sollde nährte sich ihm. Ihre Absätze klickten mit beunruhigender Autorität. Sie umkreistte ihn langsam, ihr Blick klinisch und abweisend, nahm jedes Detail seiner Armut wahr. Die Menge beobachtete sie.
Eine spürbare Spannung lag in der Luft. Also dröhnte Herr Schmidt und trat vor. Sie sind der Musiker. Vielleicht beehren sie uns mit einem privaten Konzert. Lukas umklammerte seinen billigen Geigenkasten. Seine Knöchel waren weiß. Er wollte sich umdrehen und weglaufen, um dem erstickenden Urteil ihrer Blicke zu entkommen.
Doch dann sprach Isolde, ihre Stimme so klar und kalt wie die Winterluft. Sie deutete auf die unbezahlbare Guannerie in ihrem Kasten. “Vergessen Sie dieses Stück Brennholz”, sagte sie mit einem schwachen spöttischen Grinsen auf den Lippen. “Spielen sie ein echtes Instrument.” Ihr Sicherheitschef öffnete auf ihr Zeichen hin die Glasvitrine und nahm ehrfürchtig die legendäre Geige heraus.
Sie nahm sie ihm ab und hielt sie nicht Lukas, sondern in seine Richtung, als würde sie eine Trophäe präsentieren. Die Gäste murmelten, eine Mischung aus Schock und Erregung. Ein Instrument im Wert von Millionen wurde einem Obdachlosen angeboten. Isoldes Augen trafen Lukas Blick. Der Raum war still, wartend. Dann, die grausame Absurdität des Moments voll auskostend, sprach sie den Satz, der ihr für den Rest ihres Lebens im Gedächtnis bleiben sollte.
Nur zu schnurrte sie ihre Stimme voller Hohnen für alle hörbar. Spielen Sie die Geige und ich heirate sie. Eine Welle des Lachens durchzogal. Es war scharf und hässlich. Einige Gäste schnappten nach Luft, andere bedeckten ihren Mund. Aber die meisten waren einfach nur von der schieren Kühnheit des Witzes amüsiert.
Ihn heiraten, die Gegenüberstellung war zu lächerlich, zu perfekt. Die Milliardärin und der Bettler. Es war das ultimative Spektakel. Lukas spürte eine heiße Schamröte seinen Nacken hinaufkriechen, so intensiv, daß ihm fast schlecht wurde. Jeder Instinkt schrie ihn anzufliehen, wieder in die anonyme Kälte zu verschwinden.
Er konnte hunderte von Augen spüren, die insizzierten, auf seine Kosten lachten. Er war keine Person mehr, er war eine Pointe. Er sah Isoldes Gesicht an, die kalte, arrogante Schönheit, die völlige Empathielosigkeit in ihren Augen. Er sah die grinsenden Gesichter ihrer Gäste und in diesem Moment verbrannte die Scham, ersetzt durch eine kalte, stille Wut.