Am Tresen piepte das Kartenlesegerät – dieses spezielle, ablehnende Geräusch. Chase räusperte sich, zog seine Karte zurück, probierte eine andere. Der Barkeeper drehte den Bildschirm diskret, zu höflich, um das Scheitern zu verkünden.
Zwei Typen füllten die Stille. „Hast du gehört? Chases App ist wieder pleite.“ – „Psst. Investoren hassen öffentliche Autopsien.“
Tyler drückte erneut aufs Mikro: „Okay, okay! Kurze Spiele – damals und heute!“ Fotos liefen durch. Anwälte, Fitnessstudios, Neueröffnungen. Als Marcus’ Folie dran war, zeigte der Rahmen nur ein graues Quadrat: „Foto nicht bereitgestellt.“
Ein Schnauben. Dann noch eins. „Tja, manche Geschichten laden wohl nie hoch“, sagte Tyler gespielt traurig. Mehr Gelächter. Marcus trank sein Wasser. Das Glas hinterließ einen feuchten Ring, den er mit einem ruhigen Kreis seines Ärmels wegwischte.
Er spürte den Bass in seiner Brust. Das Gemurmel streifte seine Haut. Hinter ihm zwei Mädchen – ahnungslos, wie laut ihr Flüstern klang.
„Wer hat ihn überhaupt eingeladen?“
„Tyler. Er meinte, es wäre witzig. Voller Kreis, Motivation und so.“
„Grausam. Entspann dich, ist doch nur Spaß.“
Brooke tauchte wieder auf – mit Chase, Haley und Roman. „Na, Marcus“, sagte Brooke, das Kinn leicht erhoben. „Was machst du so? Immer noch in Computern?“
Er nickte. „So was in der Art.“
„Schön“, sagte Chase, zu laut. „Wir bauen auch alle was auf – Start-ups, Exits stehen an, weißt du. Nur eine Frage der Zeit.“
Er zupfte an seinem Ärmel, versteckte die Angst in der Naht. „Der Markt ist seltsam“, murmelte Roman. „Mieten noch seltsamer.“ Ein Blick brachte ihn zum Schweigen.
Am anderen Ende des Raums spuckte ein Fotodrucker glänzende Quadrate aus. Über der Bühne hing ein Banner: „Class of 2018 – präsentiert von Summit Gatherings und Clean Sandif.“ Marcus’ Blick verweilte kurz, dann wanderte weiter. Niemand folgte ihm. Niemand sah je dorthin, wo er hinsah.
Die Preisverleihung begann. Papierurkunden mit Goldrändern: „Bestes Makeover“, „Am internationalsten“, „Größte Boss-Energie“. Witze wie Jenga-Türme – wackelig, kurz vorm Einsturz. Tylers Lächeln wurde jedes Mal angespannter, wenn das Lachen des Publikums zu spät kam.
Am Ende hob er einen letzten Umschlag hoch – wie ein Magier. „Ehrennennung: Am wahrscheinlichsten immer noch anders zu sein.“
Pause. „Marcus, bist du da?“
Blicke wandten sich ihm zu. Jemand hustete – dieses dünne, schneidende Husten. Marcus ließ die Stille atmen. Er spürte seinen Herzschlag – ruhig. Schob den Stuhl zurück, stand auf, nickte leicht.
„Danke.“
Ablehnung. Gnade. Dann setzte er sich wieder.
Das Mikrofon wanderte weiter. Witze stolperten hinterher. Um ihn herum spann das Getuschel neue Fäden. „Warum ist der überhaupt gekommen?“ – „Content.“ – „Wir brauchen einen Bösewicht oder ein Maskottchen.“ – „Nee“, flüsterte jemand leiser, unsicher. „Er ist ruhig. Das ist nicht nichts.“
Der Projektor summte. Lüftung rauschte. Gläser klangen, als Leute auf ihre eigenen Geschichten anstießen. Marcus faltete die Serviette zu einem perfekten rechten Winkel. Dann noch einmal. Geduldig. Hände, die etwas bauten. Und wartete – ließ den Raum sich selbst verraten.
Die Nacht zog sich, der Raum pulsierte mit leerer Fröhlichkeit. Musik dröhnte aus gemieteten Lautsprechern, konnte die Risse aber nicht überdecken. Stimmen zu hoch beim Prahlen, Lachen zu scharf beim Stocken. Marcus blieb sitzen – still, wie das Auge eines Sturms.
Ein Kellner ging vorbei mit Garnelen-Spießen. Brooke schnappte sich einen, warf den Rest achtlos ins Glas. Chase redete gerade über Seed-Funding im vierten Quartal, als sein Handy vibrierte. Er griff danach, die Augen blitzten – dann erloschen. „Nur ein Investor-Follow-up“, murmelte er, legte es umgedreht hin. Der Bildschirm hatte geschrien: „Letzte Mahnung.“
Flüstern waberte um Marcus wie Rauch. „Ist der mit dem Uber gekommen?“ – „Nee, wahrscheinlich getrampt.“ – „Yo, guck dir seine Schuhe an. Antik!“ Jedes Lachen streifte seinen Rücken wie kalte Finger. Marcus trank sein Wasser aus, stellte das leere Glas sorgfältig ab. Sein Ärmel wischte wieder über den Feuchtring – derselbe langsame Kreis.
Er hob den Blick – traf Tylers Augen am anderen Ende. Tyler, immer noch am Mikro, immer noch zu sehr im Rampenlicht. „Also gut, also gut“, rief Tyler, Stimme vibrierend vor einstudiertem Charme. „Zeit für ein Dankeschön an unseren Sponsor des Abends! Denn ohne ihn –“ er deutete auf Ballons, Buffet, halbtoten DJ – „wäre das hier nicht möglich!“
Marcus richtete sich auf. Ein Atemzug ein, einer aus. Tyler blätterte durch die Karten. „Also, lasst uns applaudieren für Summit Gatherings… wer… warte mal?“ Seine Stimme stockte. Die letzte Karte war leer. Er runzelte die Stirn, zwang ein Lächeln. „Nun, sie wollten anonym bleiben. Aber hey – Applaus trotzdem!“
Höfliches Klatschen. Ein paar Pfiffe. Marcus stand auf. Das Geräusch von Holz auf Fliesen war lauter als der DJ. Köpfe drehten sich. Er ging ruhig zur Bühne. Die Gespräche verebbten, Neugier flackerte auf. Tylers Lächeln wankte, als Marcus die Stufen hinaufstieg.
Er nahm das Mikro noch nicht. Stand nur da, richtete seinen Ärmel und ließ die Stille sich dehnen – bis selbst das Klirren der Gläser verstummte.