Und als er lächelte, dachte ich, ich sehe jemand anderen hinter seinem Gesicht. Im Jahr 1950 hielt Dr. Dalen einen letzten Vortrag an der Universität. Das Thema lautete über die Möglichkeit der geistigen Transmigration durch hypnotische Disposition.
Er schloss mit den Worten: “Der Körper vergeht, aber der Wille ist eine Welle, die sich fortsetzt, solange sie ein Gefäß findet.” Noch am selben Abend verschwand er. Sein Zimmer war leer. Auf dem Schreibtisch lag nur ein offenes Notizbuch mit einem einzigen Satz: “Ich habe das Gefäß gefunden.” In den folgenden Jahrzehnten tauchte der Name Dahen immer wieder in psychiatrischen Archiven auf.
in der Schweiz, in Frankreich, in Westdeutschland, überall dieselbe Spur. Patienten, die nach Therapien zur seelischen Reinigung völlig willenlos wurden. Ärzte, die sich auf die alte deutsche Schule der Suggestion beriefen und überall das Symbol, der Kreis mit der Linie. Im Jahr 1968 erschien in einer kleinen Zeitschrift für experimentelle Psychologie ein Artikel über transpersonale Übertragung.
Der Autor unterzeichnete mit und zitierte wörtlich aus dem Liberxtus. In der letzten Zeile des Artikels stand: “Der Wille ist keine Idee. Der Wille ist eine Form, die wandert. Kein Verlag, kein Institut übernahm Verantwortung für die Veröffentlichung. Doch die Zeitschrift wurde imselben Jahr eingestellt und der Herausgeber, ein Professor aus Basel, verschwand.
Doktor Ernst Dahen wurde nie wieder gesehen. Doch in den späten 70er Jahren berichtete Krankenschwester aus Luzern von einem alten Mann mit hellen Augen, der in einer Nervenklinik lag und nachts in einer fremden Sprache murmelte. Pater Dormiens Vigilat, Philius Lockvitur.
Der schlafende Vater wacht, der Sohn spricht. Im Frühling des Jahres 1970 nahm in der Schweiz eine junge Journalistin namens Anna Reiter ihre Arbeit an einer Serie über unorthodoxe psychiatrische Methoden auf. Sie war Anfang 30, klug, hartnäckig, skeptisch, gegenüber allem Okkulten. Ihre Recherchen führten sie nach Zürich, Basel und schließlich nach Luzern, wo sie auf merkwürdige Erwähnungen eines Mannes namens Dahen stieß.
Angeblich ein ehemaliger Arzt, der sich der seelischen Reinigung widmete. Die wenigen, die sie befragte, beschrieben ihn unterschiedlich. Für manche war er ein ruhiger alter Herr, der in der Klinik Patienten durch bloße Worte heilte. Für andere ein kalter, unheimlicher Mann, der den Blick eines Blinden und die Stimme eines Richters gehabt habe.
Eines Abends, nach einem Interview mit einer Krankenschwester erhielt Anna einen anonymen Umschlag. Darin befand sich ein vergilbtes Foto. Ein Mann mittleren Alters in Anzug. Neben ihm eine Frau mit strengem Gesicht und unbeweglichem Ausdruck. Auf der Rückseite stand in lateinischer Schrift Liber Septimus Continuoverbi, das siebte Buch, die Fortsetzung des Wortes, darunter mit blauer Tinte: “Der Wille schläft nie.
” Anna glaubte zunächst an einen makaberen Scherz, doch als sie das Foto einem Historiker zeigte, erstarrte dieser. Diese Frau, sagte er, ist Margareta Dahmann. Aber das Foto kann nicht vor 80 Jahren entstanden sein. Das Papier ist modern. Er riet ihr vorsichtig zu sein. Sie begann in Archiven zu suchen in Wien, München, Leipzig. Überall fand sie Spuren eines Namens, der immer wieder auftauchte und sich veränderte.
Dalmann, Dal von Dalen, Dalen, immer begleitet von denselben Begriffen Reinigung, Wille, Transmigration, Gehorsam. In München stieß sie auf eine alte Kiste im Universitätsarchiv. Darin lagen verbrannte Blätter, ein Medaillon in Form eines Kreises mit einer Linie und ein Notizbuch, dessen erste Seite lautete: Liber Septimus Translatio, Sekunda.
Die Schrift war dieselbe wie in den alten Aufzeichnungen Bartholomeus Dalmanns. Doch der Stil war verändert, kühler, fast maschinell. Das Gefäß ist gefunden, das Blut trägt das Wort. Der Körper vergeht, der Wille wandert. Nun spricht er durch viele. Anna kopierte einige Seiten und schickte sie an eine wissenschaftliche Zeitschrift in Zürich.
Zwei Tage später brach in ihrem Hotelzimmer ein Feuer aus. Das Manuskript verbrannte, die Kiste verschwand. Anna überlebte knapp, doch sie verlor das Bewusstsein und lag zwei Wochen im Koma. Als sie erwachte, erinnerte sie sich kaum an die letzten Tage, nur an eine Stimme, die sie im Traum gehört hatte. “Du hast mich gelesen, jetzt kenne ich dich.