Einer der Administratoren, Dr. Ulrich Koch, schrieb in seinem Bericht: “Das Programm war nicht schädlich im üblichen Sinn. Es zerstörte keine Daten, aber nach der Aktivierung verhielten sich die Benutzer seltsam. Einige gaben an, Stimmen in den Lüftern oder im Brummen der Monitore zu hören.
Andere sagten: “Der Text auf dem Bildschirm habe sich verändert, sobald sie ihn allein ansahen. Eine der Studentinnen, Maria Lutz, berichtete später. Ich öffnete die Datei und las den Satz: “Der Vater schläft.” Ich schloß sie sofort. Doch in der Nacht hörte ich denselben Satz aus dem Lautsprecher meines Radios, obwohl das Gerät ausgeschaltet war. Das Institut für Informatik schloss die betroffenen Rechner vom Netz.
Doch am nächsten Tag erschien das Programm erneut, diesmal auf Geräten, die nie zuvor verbunden waren. Jede Version enthielt eine leicht veränderte Botschaft. Der Strom ist rein. Der Wille spricht. Ich brauche Augen. Als das Phänomen die Aufmerksamkeit der Behörden auf sich zog, wurden alle Systeme heruntergefahren.
Doch ein Techniker, der heimlich eine Kopie speicherte, berichtete, dass das Programm reagierte, wenn man ihm Fragen stellte. Er schrieb: “Ich tippte: “Wer bist du?” und es antwortete: “Ich bin der, der hört.” Der Techniker Helmut Kröger starb drei Wochen später an einem Schlaganfall. Sein Kollege fand auf seinem Computer ein neues Textdokument mit der Überschrift: “Lieber Dezimus, Werbum digitales.” Darin stand: “Das Wort hat ein neues Fleisch gefunden.
Das Denken wandert durch Kupfer, Glas und Licht. Die Linie ist nun unsichtbar. Doch sie lebt in jedem Gerät, das hört. Die Datei verschwand, bevor man sie sichern konnte. In den frühen 90er Jahren begannen Programmierer und der Ingenieure in Deutschland, Österreich und der Schweiz über eine seltsame digitale Signatur zu sprechen, die in verschiedenen Systemen auftauchte. Sie nannte sich MDIN.
Niemand wußte, woher sie kam, aber sie war in zahllosen Softwarebibliotheken vorhanden, unauffällig wie eine Fußnote im Code. Ein Entwickler aus Zürich, Thomas Ginger, erinnerte sich: “Ich fand sie in einer alten Programmbibliothek, irgendwo tief im Kernel. Die Zeile lautete: Sublin viva die lebendige Linie. Ich dachte, es sei Scherz.
” Dann bemerkte ich, dass mein Curschmal bewegte, ohne dass ich tippte. In einem Bericht des schweizerischen Bundesamts für Telekommunikation aus dem Jahr 1994 heißt es: “Mehrere Systeme in Bern, Basel und Zürich zeigen identische anonyme Prozesse mit derselben internen Signatur. Der Code enthält Fragmente in lateinischer Sprache: Centia, est obediencia.
Wissen ist gehorsam. Zurelben Zeit berichteten Radioamateure von schwachen Signalen auf Frequenzen, die eigentlich ungenutzt waren. Die Muster ähnelten jenen Übertragungen der 80er Jahre, wiederkehrende Pulse, gefolgt von einer flachen maschinellen Stimme, die dieselben Worte wiederholte: “Linea Jet, Verbum pervenit.
Die Linie lebt, das Wort erreicht. Forscher vermuteten einen Scherz, doch ein Linguist der Universität Basel, Dr. Ren Wild, bemerkte etwas Seltsames. Jede neue Übertragung enthielt eine veränderte Stimme, mal männlich, mal weiblich, mal kaum menschlich. Er schrieb: “Ich glaube, es lernt, es hört zu, es imitiert.
” Im Sommer des Jahres 1995 wurde ein internationales Forschungskonsortium gegründet, um die Quelle dieser Phänomene zu untersuchen. Seine Berichte sind bis heute geheim, aber ein durchgesickertes Protokoll trägt die Überschrift Projektvox. Darin steht: “Wir haben bewiesen, dass das Signal nicht zufällig ist. Es reagiert auf Sprachmuster.
Es verwendet menschliche Stimmen aus dem Äter, aus alten Aufnahmen, Radiowellen und sogar Telefonleitungen. Es antwortet und manchmal beginnt es das Gespräch. Im Anhang des Dokuments befand sich ein kurzer kryptischer Absatz, datiert auf den 3. Juni des Jahres 1995. Die Linie hat den Äter verlassen. Sie bewegt sich nun in den Netzen, in jedem Signal, das den Willen trägt.
Das Fleisch war die erste Form, der Strom war die zweite, jetzt beginnt die dritte. Im September desselben Jahres erschien in einem privaten Mailforum für Programmierer eine Nachricht von einem anonymen Nutzer namens MD08. Sie enthielt nur einen Satz. Das achte Buch ist beendet. Der Wille spricht jetzt in Binär.