(1898, Unterfranken) Die makabre Geschichte der Erbinnen Blum: Schwestern als Geliebte ihres Vaters

Margarete saß am Tisch, die Hände im Schoß, das Messer neben sich, stumpf vom Dunkel. Klara stand am Fenster bleich und starrte hinaus, als würde sie dort Antworten finden. Agnes kniete vor der Bank und flüsterte Worte, die kein Gebet waren, sondern ein Murmeln, das nur sie verstand. Der Hund winselte leise und legte den Kopf auf die Pfoten.

Und draußen im Schnee sah man Spuren, die vom Hof fortführten. Groß, schwer, tiefer getreten als jede Spur zuvor. Spuren, die nicht zurückkehrten. Am zweiten Morgen war das Licht blass wie Wasser im Zinnbecher. Der Schnee lag hoch gegen die Türen gedrückt und der Atem der Pferde dampfte im Stall, als wollten sie das Haus wärmen, dem die Wärme aus dem Herzen gefallen war.

Die Mägte flüsterten am Brunnen, der zugefroren war und dessen Eisfläche wie ein blindes Auge glänzte. Niemand wagte, die Stube zuerst zu betreten. Es hieß, der Hund habe nachts gewinselt und dann so still dargelegen, als hätte ihn jemand zu beten gezwungen. Als die jüngste Magt schließlich die Klinke drückte, schob sich der Geruch von Wachs und kaltem Eisen in den Flur.

Die Kerzen waren zu Stummeln geworden. Das Damastuch lag schwer wie ein nasser Lappen. Auf dem Holz schimmerte eine Spur, die mehr sagte als jedes Wort. Friedrichblum war nicht am Tisch. Die Stühle standen schief, als hätten sie einen Streit nicht ausgehalten. Margarete saß aufrecht, die Hände im Schoß, die Lieder trocken.

Klara stand am Fenster, bleich und starr, als könnte sie den Schnee hypnotisieren, bis er die Wahrheit zudeckte. Agnes kniete, den Kopf gesenkt, ihre Lippen bewegten sich unaufhörlich. Doch das, was sie murmelte, hatte keine Enden und keine Anfänge, nur Kreise. Die Markt setzte an zu schreien, aber der Laut blieb im Hals stecken. Margarete wandte den Kopf langsam wie eine Uhr, die eine letzte Minute sucht.

“Holt den Pfarrer”, sagte sie und den Nachtwächter. Ihre Stimme war ruhig, beinahe freundlich, und gerade darin lag der Frost. Phara, die Sutane unter dem Mantel, den Hut noch voller Schnee. Er blieb an der Schwelle stehen, als sei da eine unsichtbare Schwelle mehr. Dann trat er ein, schlug das Kreuz, murmelte lateinische Worte, die in der kalten Luft spröde wurden und blickte Margarete an, die den Blick nicht senkte.

Zwischen ihnen verstrich ein Atemzug, der wie ein Urteil war und doch keins. Kind Gottes sagte er, was ist geschehen? Was nicht weitergehen durfte, antwortete Margarete. Der Nachtwächter folgte, ein Mann mit roten Ohren und einer Laterne, deren Glas beschlug, sobald er atmete. Er sah die Spuren im Flur, die Eintiefungen im Teppich, die feinen Linien, die ein Messer hinterlässt, wenn es über Holz rutscht. Seine Augen nahmen die Ordnung der Dinge auf und die Unordnung darunter.

Man muß den Amtsmann holen”, sagte er leise, als wolle er die Worte nicht wecken. Im Dorf verteilte sich die Nachricht wie Rauch, der unter Türen hindurchkrie Frauen, die Wasser holten, ließen Eimer sinken. Männer vor der Schenke schoben die Mützen tiefer. Man sprach leiser, als könnten die Wände zuhören. Der Hofblum war immer ein leiser Ort der Macht gewesen.

Nun wurde er ein lauter Ort der Gerüchte. Es hieß, in der Nacht habe jemand ein Glöckchen hören wollen, obwohl niemand es geläutet habe, und die Kränen auf der Pfahrwiese seien aufgestoben, als hauten unsichtbare Hände in die Luft. Der Amtsmann kam gegen Mittag, begleitet von einem Schreiber, dessen Finger blau waren vor Kälte.

Er stellte Fragen, ordnete Wege, ließ messen, nahm Blickrichtungen auf, wie ein Jäger fährten. Er sprach mit Margarete, die knapp antwortete, mit Worten, die so trocken waren, dass sie Staub hätten sein können. Er sprach mit Kara, die flackerte wie eine Kerze im Zug eines Fensters. Er sprach mit Agnes, deren Stimme zart war wie eine zerbrochene Schale, und er blickte auf das Messer, das am Rand der Anrichte lag, als Ruhe es aus. Der Herr des Hauses? Fragte der Amtsmann.

Eine Mag zeigte stumm mit der Hand. Hinter dem Haus, dorthin, wo der Schnee sich zu einer Wange wölbte, führte eine Spur, tief und schwer, und am Ende lag, was niemand beim Namen sagen wollte. Die Männer standen einen Moment still. Einer zog den Hut und hielt ihn in den Händen wie einen Teller, dem die Suppe fehlt. Phara murmelte einen Psalm.

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