(1898, Unterfranken) Die makabre Geschichte der Erbinnen Blum: Schwestern als Geliebte ihres Vaters

“Ich habe denselben Traum gehabt”, flüsterte Agnes. Von da an wagten sie kaum noch zu schlafen. Sie hielten Lampen brennend, flüsteren, hielten sich an den Händen. Doch Müdigkeit ist ein Feind, der keine Waffen braucht. Ihre Gesichter wurden hohl, die Haut grau. Im Dorf begann man, sie die Schattenmädchen zu nennen.

Eines Morgens fand man den Hund tot vor der Stube, reglos, die Augen offen, als hätte er etwas gesehen, das zu viel war. Agnes kniete nieder, strich ihm über das Fell und sagte: “Jetzt ist er frei.” Klara brach in Tränen aus, doch nicht über das Tier, sondern über das, was es bedeutete, dass kein Wächter mehr zwischen ihn und dem Haus stand.

Am Abend setzte sich Kara an den Tisch, stellte zwei Becher Wein hin und sah die Schwester lange an. “Wir müssen weg”, sagte sie, “Sonst nimmt es uns.” Agnes schüttelte den Kopf. Es nimmt uns, egal wohin wir gehen. Klara schlug mit der Faust auf den Tisch. Dann kämpfen wir. Nein, flüsterte Agnes. Wir bekennen.

Und in diesem Augenblick erlosch die Lampe. Nur der schwache Schimmer des Schnees fiel durch das Fenster und im Dunkel hörten sie Schritte. Langsam, schwer, als gehe jemand durch den Flur. Doch als Kara die Kerze entzündete, war niemand da, nur das Tuch auf dem Tisch und darauf ein Fleck, den sie am Abend noch nicht gesehen hatten.

Die Nacht nach dem Fleck war die längste, die die Schwestern je erlebt hatten. Kein Wind regte sich draußen und doch klapperten die Fensterläden, als würde eine unsichtbare Hand sie antippen. Der Schnee funkelte im Mondlicht, doch der Hofblum lag schwarz, als sei er vom Himmel vergessen. Klara saß am Tisch, starrte den roten Punkt auf dem Damast an, der nicht verschwinden wollte, egal wie sie rieb, egal, wie oft sie Wasser darüber goss.

Agnes stand daneben, die Hände im Schoß gefaltet und flüsterte. Es will bleiben. Es gehört jetzt dazu. Sie beschloßen in der Kapelle zu übernachten. Vielleicht, so hoffte Kara, würden die heiligen Mauern sie schützen. Sie nahmen Kerzen mit, legten Decken auf die kalten Bänke und setzten sich nebeneinander.

Der Altar roch nach Weihauch und Staub und durch das kleine Fenster fiel bleiches Licht. Doch kaum war Mitternacht vorbei, hörten sie Schritte im Hof, das Knarren der Tore, als drehte jemand ein. Klara ergriff Agnes Hand und beide wagten nicht zu atmen. Dann war es still, nur der Schnee tropfte vom Dach.

Doch in der Kapelle selbst begann eine Kerze zu tropfen, obwohl niemand sie angezündet hatte. Am Morgen kehrten sie ins Haus zurück, müde, ausgezehrt. Das Tuch lag immer noch auf dem Tisch. Der Fleck dunkler, größer. “Wir müssen es verbrennen”, sagte Klara. Agnes schüttelte den Kopf. “Es würde nicht brennen. Es würde zurückkommen.” Das Dorf beobachtete sie.

Frauen tuschelten beim Markt, Männer schüttelten die Köpfe. Manche wollten helfen, doch keiner wagte, den Hof zu betreten. Der Pfarrer schickte Weihwasser, aber die Mägte weigerten sich, es über den Tisch zu sprengen. “Es lacht über Weihwasser”, sagte eine von ihnen. “Ich habe es gehört.” Sie kündigte am selben Abend. Klara kämpfte gegen die Furcht mit Arbeit.

Sie strich die Türen, flickte Lein, bugbrot. Agnes aber ließ alles liegen. Sie ging durch die Räume, als suche sie etwas, das ich nicht zeigen wollte. Oft stand sie im Flur, die Hände an den Wänden und lauschte. “Es spricht”, sagte sie einmal, “nicht mit Worten, mit Atem.

” Klara schrie sie an, sie solle schweigen, doch die eigene Stimme halte so fremd im Haus, dass sie selbst erschrak. Dann kam der Sturm. Ein Tag voller Regen, Wind, Donner, der Himmel schwarz, als bräche er selbst. Der Hof ächtzte, Türen sprangen auf, Dachziegel flogen. Klara rannte durch die Räume, versuchte das Chaos zu bändigen, doch Agnes stand im Hof, das Haar nass, das Gesicht zum Himmel erhoben und schrie gegen den Wind: “Nimm uns!” Der Donner antwortete und in diesem Augenblick stürzte der alte Apfelbaum neben der Kapelle um, riß Wurzeln aus, als reiße er die Vergangenheit selbst hervor. Nach dem Sturm war das Haus still,

unnatürlich still. Der Hund war tot, der Baum gefallen, die Mägte fort. Nur die Schwestern blieben. Klara weinte in der Küche, hielt die Schüssel mit Brotkruben fest, als könnte sie sich daran klammern. Agnes setzte sich an den Tisch, legte die Hand auf den Fleck und schloß die Augen. “Es will uns”, flüsterte sie. “Und vielleicht, vielleicht ist das gerecht.

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