Erst Flüstern, dann schreien, dann nichts mehr. Und so schien es, als sei das Haus blumend dem Schweigen zurückgegeben worden. Doch wer in der Nacht lauschte, hörte manchmal noch Tritte auf den Dialen oder ein Lachen, das kein Lachen war. Der April kam und mit ihm blühte das Land. Die Wiesen wurden grün, die Bäume trugen Knospen und das Dorf atmete auf. Nur der Hof Blumen blieb ein dunkler Fleck.
Der Garten war verwildert, das Tor halb offen, die Fenster blind. Kinder liefen daran vorbei, hielten sich die Ohren zu, als könnten sie so das Wispern fern halten, dass man angeblich hinter den Mauern hörte. Eines Morgens kam der Pfarrer noch einmal. Er trug Weihwasser und Kreide, das Kreuz schwer um den Hals. Er wollte segnen, austreiben, retten.
Doch als er die Tür öffnete, war das Haus still. Leer wie ein Grab. Auf dem Tisch lag das Damasuch, gefaltet, sauber, ohne Fleck. Daneben das Messer, stumpf, von Rost überzogen, als sei es seit Jahren dort. Von Kara und Agen ist keine Spur. Nur zwei Stühle standen beiseite gerückt, als hätten sie gerade noch darauf gesessen. Im Dorf ging die Kunde schnell.
Manche sagten die Schwestern seien fort in die Stadt, ins Kloster, irgendwohin, wo niemand sie kannte. Andere behaupteten, sie hätten ihre Seelen dem Haus überlassen und seien nun Teil seiner Wände. In Nächten, wenn der Wind von Westen kam, schworen manche weibliche Stimmen zu hören, die im Chor sangen, doch ohne Melodie, nur ein endloses Summen.
Der Hof verfiel, das Dach sackte ein, die Kapelle bekam Risse, die Obstbäume starben ab. Niemand wollte das Land kaufen. Niemand wagte, die Mauern zu betreten. Es hieß, jeder, der dort schlief, wachte mit dem Geschmack von Blut im Mund auf. Manche sahen Licht in den Fenstern, kalt und blau wie von Eis.
Andere hörten Schritte auf den Dialen, schwer wie von einem Mann, der längst nicht mehr war. Die Alten erzählten den Kindern eine Warnung vom Hof Blum, wo Schuld, Schweigen und Blut ein Bündnis geschlossen hatten. Sie sagten, dass ein Haus alles speichert und das Mauern nicht verzeihen. Sie sagten, dass Reinheit kein Gebet ist, sondern eine Tat und dass jede Tat ihren Preis verlangt. So wurde die Geschichte zur Legende.
Man sprach nicht mehr von Margarete, von Friedrich, von Kara und Agnes. Man sprach nur noch vom Haus, vom Hof Blum, der blieb, während die Menschen verschwanden. Ein Haus, dass man miht, das man fürchtete und das dennoch in den Träumen auftauchte, als hätte es sich in die Adern des Dorfes gesogen. Und wenn die Glocke der Kapelle heute schlägt tief in der Nacht, sagen die Leute, man höre manchmal ein leises Lachen, dann ein Wein, dann Stille. Niemand weiß, wem die Stimmen gehören.
Manche sagen, sie gehören allen, die je geschwiegen haben, wo man hätte reden müssen. Der Hofblum steht noch immer von Efeu umwuchert, die Türen verfallen, die Fenster wie blinde Augen. Und doch schwören manche, dass er atmet, dass er wartet.