(1898, Unterfranken) Die makabre Geschichte der Erbinnen Blum: Schwestern als Geliebte ihres Vaters

Seine Stimme brummte tief, doch ohne Kraft. Warum so still? Er lachte kurz, ein Lachen wie eine leere Truhe. Klara sah ihn an und in ihrem Blick lag kein Lächeln, nur etwas wie Besitz. Agnes hingegen wandte die Augen ab, als schäme sie sich etwas zu fühlen. “Sill ist gut”, sagte Margarete. Still kann hören.

Es war kein Vorwurf, kein Befehl, nur ein Satz, der wie ein Messer die Stille durchschnitt. Der Hund in der Ecke knurrte leise, legte sich dann wieder hin, als hätte er beschlossen, das Ende abzuwarten. Margarete brachte noch einmal Wein, doch diesmal rührte sie die Gläser nicht an. Friedrich nahm einen Schluck. seufzte, streckte die Beine. Kara tat es ihm gleich.

Agnes zögerte, doch schließlich hob auch sie den Becher. Margaretes Augen ruhten auf ihren Gesichtern nacheinander, langsam, als wollte sie jedes einprägen. Später in dieser Nacht, als die Kerzen heruntergebrannt waren und der Rauch wie graue Finger an den Balken hing, schlich Margarete durch den Flur. Sie trug keine Kerze. Sie ging, als sähe sie im Dunkeln, besser als im Licht.

Ihre Hand strich über die Wand, über das Holz der Türen, über die eisernen Griffe. Am Ende des Flurs blieb sie stehen. Hinter dieser Tür, wusste sie, schlummerte ein Geheimnis, dass kein Gebet je mehr tilgen würde. Sie öffnete nicht, noch nicht. Stattdessen ging sie zurück in ihre Kammer, setzte sich ans Bett und nahm den Rosenkranz.

Sie murmelte Worte, die längst keine Bitte mehr waren, sondern Beschwörungen. Zwischen den Perlen glitten ihre Finger wie über Steine eines Flusses, der nicht ans Meer führte, sondern in die Tiefe. Am nächsten Morgen tat sie, als wäre nichts geschehen.

Sie knetete Teig, schickte die Mägte in den Stall, gab Anweisungen über das Holzschlagen. Doch wer sie ansah, konnte spüren. Ihre Augen waren här geworden, wie Glas, das im Frost gesprungen ist und doch weiter funkelt. Klara aber blühte auf. Sie trug ein rotes Kleid, dass sie bisher nur für Kirchfeste genutzt hatte, und sie lachte mehr, als ob sie heimlich einen Triumph errungen hätte. Agnes hingegen wirkte stiller, als sei ihr das Herz schwer.

Sie setzte sich oft ans Fenster, sah hinaus in die weiße Landschaft, wo Krähen schwarze Zeichen in den Schnee schrieben. Friedrich bemerkte wenig. Er hielt sich im Steinbruch, kam heim, legte die Hände auf die Schultern seiner Töchter, sprach von Arbeit und Wetter. Seine Stimme klang, als gehöre sie noch immer einem Herrscher.

Doch in den Pausen, wenn er dachte, keiner höre es, war da ein Husten, tief, heiser, wie aus einem Keller. Margarete hörte es, sie hörte alles. Und in ihr wuchs nicht Mitleid, sondern etwas anderes, klar und kalt. Der Gedanke, dass es ein Zeichen sei. In den Raunächten, wenn die Leute im Dorf Wasser segneten und Feuer räucherten, weil man sagte, die Geister gingen um, blieb Margarete wach.

Sie lauschte auf das Haus, das knarrte und seufzte, als stünde etwas Unsichtbares in jedem Raum. Sie dachte: “Nein, es sind keine Geister von draußen. Es ist unser eigener Geist, unser eigener Fluch.” Und dann am Dreikönigstag, als der Pfarrer erneut Kreide an die Türen schrieb, hielt Margarete die Schüssel mit Weihwasser, einen Atemzug zu lange in den Händen.

Das Wasser schwappte, benetzte ihre Finger und sie dachte: “Reinigen oder richten.” Der Hofblum wirkte nach außen wie immer. Ein Ort von Wohlstand, von Arbeit, von Gebeten. Aber innen war er schon kein Hof mehr, sondern ein Ofen. Und die Glut, die darin lag, wartete nur auf den einen Atemzug, der sie zur Flamme machen würde.

Die Tage nach drei König zogen wie schwerer Rauch durch die Zimmer. Man hätte meinen können, der Winter halte das Dorf in der Hand und drücke langsam zu. Auf dem Feld standen die Stoppeln unter Schnee. An den Hecken klirten die Eiszapfen wie dünnes Glas.

Und vom Kirchturm kam zu jeder Stunde derselbe Ton, der die Zeit nicht verkündete, sondern zermürbte. Im Hofblum tat jeder, was er immer tat. Und doch war alles anders, weil Margarete nun nicht mehr fragte, was zu tun sei, sondern nur noch wann. Sie begann die Räume zu ordnen, als wollte sie durch ein unsichtbares Nadelöhr ziehen.

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