(1898, Unterfranken) Die makabre Geschichte der Erbinnen Blum: Schwestern als Geliebte ihres Vaters

In der Speisekammer standen die Gläser im Lot, im Flur hingen die Mäntel nach der Farbe. Im Schlafzimmer lag der Kamm genau mittig auf dem Tuch. Ein Mensch, der sehr genau ordnet, ruft das Ungeheuer herbei, das in den Fugen wohnt. So sagt man den Unterfranken, wenn man überhaupt etwas sagt. Margarete ordnete weiter, die Mägte schwiegen. Kara lebte in einem Glanz, den nur sie sah. Sie trat leichter auf.

Sie sprach mit einem warmen Ton, der Dinge verhüllt, statt sie zu benennen. Und wenn sie lachte, lachte sie halb laut, als teile sie das Lachen mit einem, der nicht im Raum stand. Agnes hingegen war seltsam durchsichtig geworden. Ihr Blick ging durch Menschen hindurch, als suche er etwas hinter ihnen.

Manchmal strich sie über die Tischkante, als lausche sie einem Takt, der im Holz steckte. Zwischen den Schwestern pendelte Luft wie eine dünne Seite, die bei der kleinsten Berührung schwingt. Friedrich blieb der Mittelpunkt, in dem alles drehte. Er kam vom Steinbruch mit Schultern aus Staub, mit Augen, die dunkel waren und von sich überzeugt.

Wenn er die Tür öffnete, ging ein kaum merklicher Stoß durch das Haus, wie wenn ein großer Schrank gerückt wird. Er setzte sich, trank sein Bier oder den süßen Most, legte manchmal die Hand auf einen Rücken, manchmal an eine Wange, immer wie zufällig. Wer ihn sah, sah einen Mann, der sich selbst genügte, wie es Herren oft tun. Wer ihn lange sah, spürte, dass seine Ruhe nur eine Frage war, die niemand zu beantworten wagte.

Die Raunächte waren vorüber. Geblieben war die Gewissheit, dass man nachts die Wäsche nicht draußen ließ. dass man Brot mit Kümmel backte gegen das Ungeziefer und in den Übergängen von Tür zu Tür, von Stunde zu Stunde etwas stand, dass man respektieren musste. Margarete respektierte es nicht mehr. Sie hatte etwas gesehen, das keinen anderen Namen trug als Verrat an allem, was Tisch, Bett, Altar zusammenhalten soll. Es war an einem Abend ohne Wind.

Der Schnee lag weich, die Bäume standen wie erstarrte Gebete und aus der Ferne kam das Schlagen der Schmiede, stumpf und beruhigend. Margarete hätte schlafen können. Stattdessen stand sie auf, schob die Füße in Filzpanten, nahm keine Kerze und ging in den Flur, der vom schwachen Schimmer der Banklampe gerade so viel Licht bekam, dass die Dielen wie ein bleicher Bach glänzten.

Aus dem Zimmer der Töchter wehte ein warmer Ton, ein Atemzug, der nicht allein war, ein Kichern, das nicht nach Kind klang, ein Flüstern, das nicht nach Schwestern klang. Sie legte die Hand an die Klinke und ließ sie wieder los. Der Messingriff war kalt und doch brannte er. Margarete trat einen halben Schritt zurück, als mußte sie einem Pferd ausweichen, und sie sah nicht Bilder, die man einem Pfarrer schildert, sondern Umrisse, die niemand aus dem Kopf bekommt.

Schatten, die zu nah beieinander standen, Schultern, die sich in einer Nähe bewegten, für die es im Haus der Eltern keinen Ort gibt. Eine Stimme, die leise sagte und dennoch alles überschrie, was gesetzt ist. Kein Schrei, keine Beschimpfung, kein Stoß, nur ein leiser Laut aus Margaretes Kehle, wie wenn eine Seite reißt.

Sie ging nicht hinein, sie machte die Tür nicht auf, sie schlug nichts zu, sie rief niemanden. Sie wandte sich um und ging durch den Flur zurück, wie jemand, der eine Treppe hinabsteigt, die es nicht gibt. In ihrer Kammer kniete sie nicht. Sie saß aufrecht, als wäre der Stuhl ein Richterstuhl und legte den Rosenkranz vor sich hin. Die Perlen sahen aus wie rollende Augen.

Margarete faltete die Hände nicht zum Gebet. Sie faltete sie, um sie ruhiger zu bekommen. In dieser Stunde starb etwas, dass man nicht beerdigen kann und etwas wurde geboren, das kein Pate segnet. Ein Entschluss, der kalt ist und doch brennt. Am Morgen war sie stiller als sonst. und weil sie stiller war als sonst, war sie furchtbarer.

Die Mägte bewegten sich vorsichtig, als trügen sie Schalen voller Wasser. Klara summte eine Melodie aus dem Kirchengesang, die von Hoffnung handelte. Agnes schnitt Brot und die Krumen fielen wie kleine Winter. Friedrich erzählte vom Steinbruch, von einem Sprengloch, das schlecht gesetzt worden war, und lachte, als sei nichts zu schwer für seine Zunge. Margarete reichte Salz.

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