Tugendsame Frau gesucht, Bauer sucht gottesfürchtige Ehefrau. Dieselbe Formulierung, dieselbe Falle. Damit war der Beweis vollständig. Burg ließ beide Brüder festnehmen. Wilhelm blieb gefasst, sprach ruhig. Diese Frauen wußten, was sie taten. Ich habe sie gekauft, wie man Kühe kauft. Eigentum ist Eigentum. Albrecht schwieg.
Sein Blick wanderte über die Männer, berechnend, wachsam. Auf die Frage, wo die Leichen sein, antwortete keiner. Luzinda hatte erzählt, Albrecht habe sie nachts in eine Schlucht hinter der Scheune geschleppt. Burg ließ sofort Hunde aus Kempten holen. Noch bevor die Brüder abtransportiert waren, begannen die Tiere zu bellen.
600 Schritt hinter der Scheune fanden sie aufgewühlte Erde. Ein süßlich fauliger Geruch stieg auf. “Hier”, sagte Meisner. “Hier liegen sie.” Burg nickte. grabt. Nach einer Stunde stießen die Schaufeln auf etwas Hartes. Ein Schädel von Erde schwarz gefärbt, die linke Schläfe eingedrückt. Es war kein Zweifel, das war Mord. Systematisch wiederholt.
In den folgenden Tagen gruben die Männer weiter. Immer mehr Knochen kamen zutage. Schädel mit denselben Verletzungen, gebrochene Rippen, Frauenkörper. 19 Jahre alt, teils schwanger. Der Anblick raubte selbsterfahrenen Männern den Atem. Burg wusste, dass dieser Fund alles verändern würde, nicht nur für Bayern, sondern für das ganze Reich.
Denn nun war belegt, dass die Kerns über sechs Jahre hinweg Frauen über Zeitung ins Verderben gelockt, gefangen gehalten, geschwängert und ermordet hatten. Als man die Brüder nach München brachte, begleitete eine schweigende Menschenmenge die Wagen. In Kempten läuteten die Glocken nicht zum Gottesdienst, sondern als Zeichen, dass die Hölle ans Licht gekommen war. Burg schrieb in seinen Bericht: “Das Böse hat hier Buch geführt und seine eigene Schrift wird es verurteilen.
” Der November des Jahres 1883 begann mit grauem Himmel und Nieselregen, als Kommissar Friedrich Burg erneut auf den Hof der Brüderkern zurückkehrte. Wilhelm und Albrecht saßen zu dieser Zeit bereits in Untersuchungshaft in München, doch Burg wußte, daß der Schlüssel zum vollen Beweis noch dort lag, in den Mauern, im Boden, in den Dingen, die sie zurückgelassen hatten.
Die Gendarmen hatten inzwischen sieben Skelette geborgen, alle Frauen, alle mit dselben Verletzungen. Einziger Schlag auf die linke Schläfe mit einem stumpfen Werkzeug, vermutlich dem Hammer, den Albrecht getragen hatte. Der Dorfarzte Dr. Johannes Jäger leitete nun die Ausgrabungen persönlich.
Sorgfältig vermaß er jedes Grab, beschrieb die Lage der Knochen, die Tiefe, die Beschaffenheit des Bodens. Er schrieb in sein Protokoll Schädelbruch stets identisch. Einschlag von hinten oben, Opfer wahrscheinlich knend oder sitzend. Waffe Hammerkopf aus Eisen, rund ca. 5 cm im Durchmesser. Daneben notierte er die Farbe der Erde, die Geruchsspuren, die Reste von Stoff und Schmuck.
In einer Grobe fand man ein kleines Medaillon aus Silber, darin eine blonde Haarsträhne, eingewickelt in Papier, auf dem in verblaster Tinte stand: Sarah Wittmann, Gebet 1854, Augsburg. Ein Beweis, daß die eingeritzten Namen in der Scheune und die Toten aus der Schlucht zusammengehörten. Tag um Tag arbeiteten die Männer weiter, während Nebel durch das Tal zog und der Atem der Pferde dampfte.
Nach zwei Wochen lagen 38 Skelette in einer provisorischen Halle in Sondhofen, aufgereiht, durchnummeriert, jedes mit einer kleinen Holztafel über der Brust. Drei von ihnen trugen noch Spuren von Schwangerschaft. winzige Knochenfragmente, die das Grauen bezeugten. Vier Körper blieben unauffindbar. Vielleicht hatte man sie an anderen Orten vergraben oder sie waren längst vom Wasser fortgespült.
Burg wusste, dass die Knochen allein nicht reichten. Er brauchte die Aufzeichnung, das Dokument, das Lucinde erwähnt hatte, das Buch, in dem Wilhelm Kern jedes Detail notierte. Er ließ das Haus noch einmal durchsuchen, Raum für Raum, bis ein junger Gendarm namens Reuter unter dem Bett des Eltern eine lose Diele bemerkte.
Darunter lag ein Buch in Leder gebunden, etwa 10 Zoll hoch, 14 breit. Die erste Seite trug die Überschrift Aufzeichnungen über Zuchtversuche. Beginn des Jahres 1877. Darunter der erste Eintrag. Rebecca Stahl aus Dresden, Alter 24. Gesamtkosten 52 Mark und 25 Pfennig. Annonce Leipziger Nachrichten. Fahrkarte Proviant. Stall 1 zugewiesen. Zweck Erprobung der Fruchtbarkeit.