“Ein Mann, der das baut, weiß, was er tut”, sagte Borg. Er war der Arm seines Bruders, aber der Arm war nicht blind. Am 19. Verhandlungstag wurden die Briefe der Opfer verlesen, die Wilhelm aus der Post abgefangen hatte. 73 waren es insgesamt. Manche waren mit Blut getränkt, andere in zittriger Schrift verfasst.
“Liebe Mutter”, las der Staatsanwalt, “der Mann ist nicht, wer er vorgibt zu sein. Ich bin gefangen. Ich bete, dass jemand mich findet. Eure Tochter Katharina.” Bei diesen Worten erhoben sich einige der Mütter im Saal und weinten laut. Ihre Stimmen halten wie Klagegesänge. Der Richter ließ den Saal räumen, bis Ruhe einkehrte. Danach fuhr der Staatsanwalt fort.
Er sprach mit ruhiger Stimme, doch seine Worte waren wie Messer. Sie haben ihre Briefe nie erreicht. Der Täter las sie, lächelte und legte sie in eine Kiste. Dann hob er die Holzschatulle hoch, in der die originale lagen. Dies ist das Echo der Toten. Ihre eigenen Hände haben geschrieben, was wir heute wissen. An diesem Abend berichteten Zeitungen in Berlin, Wien, Leipzig über den Prozess.
Schlagzeilen lauteten: “Der Fallkern erschüttert das Reich. Zucht wie im Viestall, das Tagebuch des Grauens. Doch zwischen den Spalten standen auch andere Stimmen. Philosophen, Theologen, Schriftsteller schrieben über das Wesen des Bösen, über Wissenschaft ohne Seele, über Männer, die glauben, Gott zu spielen.
Ein Leitartikel in der allgemeinen Zeitung trug den Titel Wenn Vernunft zum Werkzeug der Hölle wird. In den Wirzhäusern des Allus flüsterten die Leute wieder über den Hof. Niemand wollte je wieder den Namen Kern aussprechen, doch jeder tat es. Nach sechs Wochen war der Prozess seinem Ende nahe. Die Geschworenen hatten alle Beweise gesehen. Die Knochen, das Buch, die Briefe, die Ketten, die Zeugin. Es blieb keine Lücke, nur noch die Urteile.
Am 23. Februar des Jahres 1884 begannen die Schlussployers. Der Staatsanwalt erhob sich, legte die Hand auf das Lederbuch und sprach: “Meine Herren, vor Ihnen liegt kein Warn, keine Krankheit, sondern das Protokoll der Kälte.” Diese Männer hielten Menschen für Zuchtv.
Sie mordeten, weil sie konnten und sie notierten es, weil sie stolz darauf waren. Sie verdienen nicht das Mitleid eines Arztes, sondern das Urteil des Gesetzes. Der Gerichtssal war überfüllt, als der Staatsanwalt am 24. Februar seine Rede fortsetzte. Draußen warteten Hunderte auf den Platz Regen, der aus dem grauen Himmel fiel. Drinen aber herrschte Stille.
Hackel sprach ruhig, beinahe lehrend, als wolle er der Geschichte eine Stimme geben. Meine Herren Geschworenen begann er, es gibt kein anderes Wort für das, was diese Männer getan haben, als planmäßiges Töten. Sie haben die göttliche Ordnung verdreht, sie haben Wissenschaft benutzt, um Mord zu rechtfertigen. Und sie haben das Kreuz neben die Kette gehängt.
Er hob das Lederbuch hoch, hielt es so, dass jeder die dunklen Seiten sehen konnte. Dies ist kein Beweis des Wahnsinns, sondern der Berechnung. Jeder Eintrag, jeder Name, jedes Datum, das ist Logik, das ist Absicht, das ist Schuld. Danach wandte er sich den Angeklagten zu. Wilhelm Kern, Albrecht Kern. Sie haben nicht im Affekt gehandelt, nicht im Dunkel des Irrsinns, sondern im vollen Licht des Tages.
Sie schrieben, rechneten, planten, mordeten. Und nun bitten sie um Milde: “Diese Frauen haben sie behandelt wie Tiere und getötet, wenn sie nicht fruchtbar waren. Möge das Gericht ihnen jene Gerechtigkeit erweisen, die sie ihren Opfern verweigerten.” Dann schwieg er: “Kein Geräusch, kein Husten, kein Rascheln, nur das Tropfen des Regens an den Fenstern.
” Nach einer Minute erhob sich Verteidiger Robert Hauer. Er sprach leise, fast flehend: “Hoher Richter, verehrte Geschworene, ich bitte Sie das menschliche Elend zu bedenken, das den Wahn nähert. Mein Mandant Wilhelm Kern ist nicht böse, er ist krank. Ein religiöser Eiferer, der in seiner Einsamkeit glaubte, Gott habe ihn auserwählt.
Sein Bruder Albrecht ist ein Werkzeug, ein Stummer, der Tat, was man ihm befahl. Wenn sie töten, was krank ist, heilen sie nicht. Sie verdoppeln nur das Leid. Die Worte halten durch den Saal, doch sie fanden kein Echo, denn jeder im Raum hatte das Buch gesehen, die Zahlen, die Schrift. Der Richter schloss die Verhandlung um die Mittagszeit. Die Geschworenen zogen sich zurück.