Der Schwarzwald-Fall von 1890: Geschwister auf dem Dachboden gefangen gehalten

Er sagt sich, dass der Brief nur ein schlechter Scherz sei, geschrieben von jemandem, der zu viel über den Fall gehört hat. Doch der Gedanke fällt nicht auf fruchtbaren Boden. Er bleibt auf der Oberfläche seines Bewusstseins liegen wie Eis, das nicht schmelzen will. An einem eisigen Morgen besucht Thorn erneut das Sanatorium. Nicht aus Pflicht, aus Unruhe. Die Ärzte berichten, daß einige der Kinder erstmals ohne Angst einen Raum betreten.

Zwei der Jungen beginnen einfache Worte nachzusprechen. Eine der Frauen, die jüngste hat gelernt mit ruhiger Stimme zu sagen: “Ich bin frei.” Doch die älteste Schwester Thema spricht kaum noch. Sie sitzt stundenlang am Fenster, als lausche sie auf etwas, das für andere unhörbar ist. Als Thorn sie anspricht, hebt sie den Kopf.

Ihre Augen haben eine Klarheit, die ihm sofort auffällt, als wäre etwas in ihr erwacht. “Es ist nicht vorbei”, sagt sie leise. Thorn setzt sich zu ihr. “Was meinst du damit?” Sie schließt die Augen, als würde sie einen Gedanken suchen, den man nur im Dunkel findet. Dann sagt sie: “Es gab Regeln, immer Regeln, immer Tage und immer einer, der prüfte. Sie atmet langsam aus.

Ihr habt alle gerichtet, aber wer richtet die Regeln? Thorn versteht nicht sofort. Doch bevor er nachfragen kann, erscheint Dr. Galloway, der ihn zu einem Gespräch bittet. T lässt seine Hand los und senkt den Blick, als wären ihre Worte nur ein kleiner Teil dessen, was sie sagen wollte. Galloway für Thorn in einen der hinteren Räume des Sanatoriums, in dem ein Kind liegt, ein Junge, kaum sechs Jahre alt, mit verdrehten Gliedmaßen und großen dunklen Augen. Doch etwas ist neu.

Der Junge starrt Torn an, nicht leer, nicht verwirrt, sondern wissend, als hätte er etwas erkannt. Ein Funke, der zuvor nicht da war. “Er beginnt zu sprechen, sagt Galloway. nur einzelne Silben. Aber gestern hat er ein Wort geformt. Welches? Dienstag. Torn friert innerlich. Vielleicht ein Echo aus der Vergangenheit. Vielleicht sagt Galloway.

Oder vielleicht wird das, was man einem Kind einprägt, besonders einem Kind, das nie anderes hörte, nie ganz verschwinden. Der Arzt schließt die Akte. Die Narben verschwinden, die Rituale nicht. Auf dem Rückweg durch die verschneiten Wege schweigt Torn. Der Schnee knirscht unter seinen Stiefeln und der Himmel ist so grau, dass er keinen Unterschied mehr zwischen Tag und Nacht erkennen kann.

Als er das Sanatorium verlässt, wartet vor dem Tor ein Mann. Torn erkennt ihn sofort. Gott lieb Mertens, der junge Verwandte eines der Kinder. Sein Mantel ist durch Nest, seine Finger rot vor Kälte. Er wirkt nicht feindselig. Er verzweifelt. Herr Richter sagte er mit brüchiger Stimme.

Ich muß wissen, wird man sie uns jemals zurückgeben? Torn wählt seine Worte sorgfältig. Ihre Cousine braucht Schutz, medizinische Betreuung, Ruhe, Dinge, die sie ihr nicht geben können. Gott lieb presst die Lippen zusammen. Aber niemand aus unserer Familie hat jemals etwas falsch gemacht. Niemand außer denen. Er deutet mit einer ruckartigen Bewegung in Richtung Dunkelgrundtal.

Und trotzdem tragen wir jetzt ihren Namen wie Schmutz. Thorn erkennt den Schmerz des Mannes, aber auch etwas anderes. Eine Härte, eine Bitterkeit, die leicht Wurzeln schlagen könnte, wenn man sie nicht stoppt. Es geht nicht um Schuld, sagt Thorn ruhig. Es geht um Heilung. Gott lieb starrt ihn an. Ein Moment lang scheint er etwas sagen zu wollen, etwas tief in ihm brennt.

Doch stattdessen atmet er scharf ein, dreht sich um und geht. Sein Schritt ist fest, zu fest. Als Thorn in sein Büro zurückkehrt, liegt ein zweiter Brief auf seinem Tisch. Wieder ohne Absender. Diesmal nur zwei Worte. Nicht allein. Torn setzt sich langsam. Der Ofen knistert leise, doch die Wärme erreicht ihn nicht. Er legt die beiden Briefe nebeneinander.

Das Papier ist dasselbe. Die Handschrift ähnlich, kindlich oder absichtlich unbeholfen. Er sagt sich, dass dies Zufall sei. Zufall oder ein schlechter Scherz. Vielleicht ein junger Bursche, der sich einen Nervenkitzel verschaffen will. Vielleicht. Doch in dieser Nacht, als Thorn im Bett liegt und den Wind durch die Dächerheulen hört, hat er zum ersten Mal das Gefühl, dass der Fall Rodenbacher nicht abgeschlossen ist.

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