Der Schwarzwald-Fall von 1890: Geschwister auf dem Dachboden gefangen gehalten

Nicht wirklich, nicht endgültig, nicht solange Schatten länger sind als ihre Verursacher. Der Januar des Jahres 1892 vergeht, doch der Frost löst sich nicht. Die Nächte werden härter, der Wind beißt in die Fassaden und über Freiburg legt sich jene erstickende Stille, die nur tiefster Winter hervorbringen kann.

Elias Thorn hält sich an seiner Arbeit fest, doch innerlich spürt er, daß etwas Unausgesprochenes näher rückt. Der Fall Rodenbacher, von Akten geschlossen und von Urteilen versiegelt, zieht wie ein unsichtbarer Faden an seinem Denken. Der dritte Brief erreicht ihn an einem dunklen Morgen.

Er liegt nicht im Büro, sondern vor seiner Haustür, auf dem Holzbrett, halb vom Schnee bedeckt. Die Handschrift ist dieselbe. Krakelig und unruhig. Auf dem Papier steht diesmal kein Satz, kein Wort, nur eine Zeichnung. Drei Striche, dann fünf, dann wieder drei. Fünfer Gruppen, Strichlisten. Genau wie in der Dachkammer. Thorn hält das Papier fest, bis seine Finger taub werden.

Er verbrennt den Brief im Ofen, nicht aus Angst, sondern um sich nicht weiter von Aberglauben leiten zu lassen. Doch der Rauch, der aus dem Ofen aufsteigt, riecht süßer als gewöhnlich. Er erinnert ihn an die Dachkammer, an Feulnis und Lauge und Jahre, die nicht sterben wollen.

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Am nächsten Tag sucht Thorn erneut das Gespräch mit dem Archivar, um den Zustand der versiegelten Kassette zu prüfen. Alles ist unverändert. Kein Einbruch, kein Zugriff, keine Merkwürdigkeit. Doch als Thorn das Gebäude verlässt, sieht er am unteren Rand des Archivfensters ein Muster im beschlagenen Glas. Als hätte jemand mit dem Finger hineingeschrieben. Drei Striche, Pause. Zwei Striche.

Nicht geschlossen wie ein Wort, mehr wie eine Antwort auf einen Gedanken. Er wischt es weg. Der Nebel liegt schwer auf dem Heimweg und verschluckt die Straßen. Torn geht schneller als gewöhnlich. Das Gefühl, beobachtet zu werden, begleitet ihn bis zur Haustür. Als er eintritt, fällt ihm der Klang auf.

Ein kleines, kaum hörbares Geräusch, ein dumpfes, rhythmisches Klopfen. Er braucht einige Sekunden, um die Quelle auszumachen. Die Fensterläden, die vom Wind bewegt werden. Doch das Klopfen klingt nicht zufällig. Es klingt wie Schritte. Drei, dann Stille, dann zwei. Er steht da und zählt die Schläge, bis der Wind dreht und die Stille wiederkommt.

Am folgenden Morgen erreicht Torn eine Nachricht aus dem Sanatorium. Dr. Galloway bittet um dringende Rücksprache. Torn macht sich noch am selben Tag auf den Weg. Der Himmel hängt bleigrau über den Hügeln, doch der Schnee glitzert in einer sonderbaren Helligkeit. Im Sanatorium empfängt ihn die Leiterin sofort. Ihre Miene ist ernst, fast angespannt. “Es geht um Tamar”, sagt sie ohne Umschweife.

“Sie spricht seit zwei Tagen immer denselben Satz. Thorn geht mit schnellen Schritten zu ihrem Zimmer. Sitzt wie immer am Fenster, doch diesmal wirkt sie anders. Wach, unruhig. Ihre Hände zittern leicht. Als Thorn eintritt, hebt sie langsam den Kopf. Ihre Lippen bewegen sich. Er tritt näher. Er prüft noch. Torn friert innerlich. Wer? Tamar. Wen meinst du? Sie blinzelt.

Eine einzelne Träne läuft über ihre Wange. Der immer prüfte. Der der sah, ob wir taten, was verlangt war. Der, der nicht starb. Silas ist tot, sagt Thornruhig, fast zu ruhig. Nicht Silas, flüstert sie. Er, der andere, der immer draußen war. Ihr Atem wird schneller, der uns zählte, der die Striche verstand. Torn fängt ihren Blick auf. Da ist etwas in ihren Augen.

Eine Erinnerung, die erst jetzt durchbricht, weil der Schrecken langsam nachlässt. Die Leiterin legt eine Hand auf Thorns Arm. Sie sprach auch im Schlaf. Sie sagte: “Der Wächter, der Wächter. Thorn flüsterte die Worte, als gehörten sie nicht in diese Welt. Ja, antwortete Tema, der niemals kam, aber immer da war.

Bevor Thorn weiterfragen kann, läuft ein Pfleger herbei. Im Kinderzimmer sei etwas vorgefallen. Thorn eilt mit Galloway hin. Als sie eintreten, stehen zwei der Jungen im Raum. Die Gesichter blass, die Augen auf ein Fenster gerichtet. Schnee und Eis bedecken die Scheibe. Doch im Tauwasser erkennt Torn sofort die Muster. Striche, Gruppen 3 5 3 5 3 und darunter, als hätte ein Finger in das Glas gekratzt. Dienstag. Galloway wendet sich ab.

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