Sie wiederholen nur, was sie kannten. Das ist keine Botschaft, Elias. Nur Erinnerung. Torn nickt. Er will es glauben. Er muß es glauben. Doch als sie später durch den Park des Sanatoriums gehen, spricht eines der Kinder, ein Mädchen mit blonden Locken, das bisher kaum mehr als Klänge von sich gegeben hatte. Plötzlich klar und deutlich.
Der Mann im Wald. Torn bleibt stehen. Welcher Mann? Sie hebt den Arm, zeigt auf den dunklen Rand des Schwarzwaldes. Der Mann, der zählt. Wann hast du ihn gesehen? Sie zuckt mit den Schultern. Immer. Torn fühlt, wie sich sein Magen zusammenzieht. Er beugt sich hinab auf ihre Höhe.
Wie sieht er aus? Das Mädchen legt den Kopf schief wie ein Baum. Ein Baum? Ein Alter mit einem Gesicht. Sie lächelt unsicher. Er hat immer gewartet. Thorn richtet sich auf. Sein Herz schlägt zu schnell. Ein Baum mit einem Gesicht, eine kindliche Fantasie oder ein Bild, das ein Kind nutzt, um etwas zu beschreiben, das jenseits seines Verständnisses liegt.
Gallow legt Thorn die Hand auf die Schulter. Du bist müde, du hörst überall Schatten. Laß das Tal Tal sein, lass den Wald Wald sein. Doch Thorn weiß, dass manche Wälder Geschichten speichern und manche Geschichten verschwinden nicht, nur weil ihre Erzähler sterben. In dieser Nacht träumt Thorn zum ersten Mal seit Monaten wieder von der Dachkammer. Doch diesmal sind die Wände leer.
Keine Striche, keine Kratzer, nur ein Schatten, der hinter ihm steht und leise zählt. Der Februar bringt Tauwetter, aber keine Erleichterung. Der Schnee schmilzt zu grauen, fauligen Rändern entlang der Wege, die Bäche schwellen an und der Schwarzwald riecht nach nassem Holz und altem Laub. Doch für Elias Thorn ändert sich nichts.
Der Druck auf seiner Brust bleibt. Der Schlaf kommt nur selten. Und wenn er kommt, fühlt er sich an wie ein Sturz in dunkles Wasser. Seit dem Besuch im Sanatorium meidet Thorn das Dunkelgrundtal. Nicht aus Feigheit, sondern weil er spürt, dass der Ort ihn wie ein Magnet anzieht. Er weiß, wenn er dorthin zurückkehrt, wird er etwas suchen, das vermutlich nie existiert hat.
oder etwas finden, das besser unentdeckt bleibt. Der Alltag im Bezirksamt geht weiter. Ein Streit über ein Grenzstück, ein Diebstahl im Dorf, ein Pferd, das angeblich verhext ist. All diese Fälle behandelt Thorn mit Routine, doch sein Blick wandert immer wieder zum Fenster, als erwarte er im Nebel eine Gestalt zu sehen.
Eines Abends, während Thorn bei Kerzenlichtberichte sortiert, hört er Schritte auf dem Flur, langsam, unruhig. Er blickt auf, doch bevor er etwas sagen kann, öffnet sich die Tür. Es ist Gottlieb Mertens. Der junge Mann wirkt verändert, abgemagert, blass, seine Augen haben dunkle Ringe, als hätte er tagelang nicht geschlafen.
“Ich muss mit ihnen sprechen”, sagt Gott lieb atemlos. Thorn legt die Feder weg. “Kommen Sie herein.” Gottlib tritt ein, aber er setzt sich nicht. Er bewegt sich ruhelos im Raum wie jemand, der sich vor sich selbst fürchtet. “Ich war im Dunkelgrundtal”, sagt er plötzlich. Thorn richtet sich auf. Warum? Ich wollte sehen, ob ob wirklich alles verbrannt ist.
Das Haus, meine Familie, ihr Vermächtnis. Seine Stimme zittert. Ich dachte, vielleicht finde ich etwas, das zeigt, dass wir nicht alle verflucht sind. Und fragt Thorn. Gottlieb schluckt schwer. Ich habe etwas gehört. Torn schließt die Augen für einen kurzen Moment. Natürlich. Natürlich hat er etwas gehört. Das Tal war schon immer ein Ort, an dem der Wind seltsame Geräusche trägt.
Was haben Sie gehört? Schritte. Gott lieb atmet flach. Im Wald hinter mir. Langsame Schritte. Nicht wie ein Tier, eher wie ein Mensch, der barfuß über Wurzeln geht. Thorn sagt nichts. Ich drehte mich um, flüstert Gott lieb. mehrmals. Ich sah niemanden, aber jedes Mal, wenn ich mich wieder abwandte, begann es erneut. Er hält inne, reibt sich die Hände und dann sah ich etwas im Schnee. Was? Striche.
Gottlieb hebt zittern zwei Finger, fünf in einer Reihe und daneben drei. Wie wie damals auf den Wänden? Thorn fühlt einen Stoß durch den Körper, doch seine Stimme bleibt kontrolliert. Das kann jeder gezeichnet haben. Kinder, Holzfäller, Wanderer. Es waren keine frischen Spuren. Prst Gott lieb hervor.