Der Schwarzwald-Fall von 1890: Geschwister auf dem Dachboden gefangen gehalten

andere zu sehr an Stille gewöhnt, um überhaupt zu reagieren. Galloway schreibt unerschütterlich weiter. Seine Handschrift bleibt ruhig, professionell, aber Thorn sieht den feinen Zorn, der hinter jeder Zeile steht. Dann kommt er zum letzten Abschnitt seines Berichts. Er betitelt ihn ohne Zögern, ein Katalog der generationenlangen Verdammnis. Thorn liest über seine Schulter und empfindet den Titel als genau passend.

Denn was der Arzt beschreibt, ist kein Unfall, keine spontane Entgleisung, keine geistige Verwirrung einer einzelnen Generation. Es ist ein System, eine Tradition, ein Ritual. Als Galloway unterschreibt, legt er die Feder mit einem hartwirkenden Rucken beiseite.

Sein Gesicht ist blass, aber seine Stimme fest, als er sagt: “Das reicht, um jeden von ihnen zu verurteilen.” Torn nickt, denn er weiß, dies ist mehr als ausreichend. Dies ist erdrückend. Draußen sitzen die Brüder getrennt voneinander, gefesselt, bewacht. Hitekiel und Jubal starren ins Leere, ihre Augen wie trübes Glas. Malachias hat die Augen geschlossen, als bete er.

Und Silas, Silas blickt in die Ferne, als erwarte er jemanden oder etwas, das ihn rechtfertigen wird. Als Torn an ihm vorbeigeht, murmelt Silas etwas, ein Satz, den Torn niemals vergessen wird. Leiden reinigt, Reinheit erlöst. Es ist ein Satz, der so ruhig gesprochen wird, so überzeugt, daß Thorn eine Sekunde lang das Gefühl hat, die Luft um sie herum sei kälter geworden.

Thorn befielt, die Frauen und Kinder in den Wagen zu laden. Sie werden ins Bezirksamt gebracht, dann in ein Sanatorium, das Galloway empfiehlt, an einen Ort, an dem sie möglicherweise lernen können, was ein normales Leben ist, oder wenigstens wie man lebt, ohne Schmerzen zu erwarten.

Als die Wagen losfahren, sieht Torn, wie die älteste Frau zum ersten Mal den Blick hebt. Sie schaut in den Wald, in den Nebel, als suche sie etwas, das dort nicht mehr ist. Dann senkt sie den Kopf wieder. Und Torn versteht, sie muß den Wald fürchten. Er war der Ort, an dem viele Kinder verschwanden, die nicht rein genug geboren wurden.

Die Nacht bricht herein, als Thorn und Kellum die Brüder in das Bezirksgefängnis eskortieren. Sie leisten keinen Widerstand, selbst jetzt nicht. Es ist diese fehlende Gegenwehr, die Thorn beunruhigt. Menschen, die überzeugt sind, Böses getan zu haben, kämpfen. Menschen, die wissen, dass sie gegen das Gesetz verstießen, fliehen. Aber Menschen, die glauben, dem Willen Gottes gefolgt zu sein, sie ergeben sich mit einer Ruhe, die schlimmer ist als jede Gewalt.

Als er die Gefängnistür hinter ihnen schließt, spürt Torn, wie sich etwas in ihm verdichtet. nicht Erleichterung noch nicht nur die Schwere der Erkenntnis, dass dies erst der Anfang ist, denn jetzt beginnt der Teil, der oft dunkler ist als jede Entdeckung, die Wahrheit öffentlich zu machen. Der Prozess gegen die Rodenbacher Brüder beginnt am 14.

März des Jahres 1891 im Bezirksicht von Freiburg, einem schlichten Backsteingebäude, das noch nie einen Fall gesehen hat, der so schwer auf den Schultern der Anwesenden lastet. Der Saal ist überfüllt, doch die Stimmung ist nicht neugierig oder sensationshungrig. Sie ist düster, schwer, als hätten alle verstanden, dass nicht nur vier Männer vor Gericht stehen, sondern ein Schweigen, das ein ganzes Tal über Jahrzehnte getragen hat. Richter Whitfield wirkt älter als noch vor wenigen Monaten.

Seine Miene ist hart und als er den Hammer hebt, klingt der Schlag nicht wie ein Ruf zur Ordnung, sondern wie ein Urteil über etwas, das größer ist als der Fall selbst. Der Staatsanwalt, ein junger Mann namens Hand Pierz, tritt vor und beginnt seine Eröffnungsrede mit einer Ruhe, die brennt. Er spricht ohne Ausschmückung.

Er sagt, die Jury werde Beweise sehen, die nicht interpretiert werden müssten. Beweise, die für sich sprächen, Ketten, verschlossene Türen, misshandelte Körper, ein Buch, das kalt und bewusst geführt worden sei. Dann hebt er das lederne Rodenbacher Buch hoch, als wäre es eine verfluchte Reliquie, und sagt: “Diese Seiten sind ein Geständnis, geschrieben von Männern, die glaubten, nie gerichtet zu werden.” Danach beginnt die Beweisführung.

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