Der Schwarzwald-Fall von 1890: Geschwister auf dem Dachboden gefangen gehalten

Die Abraham Galloway wird als erster aufgerufen. Sein zwölfseitiger Bericht wird unter der Bezeichnung Exhibit A vorgelesen und die Stille im Saal wird dichter, je länger er spricht. Er beschreibt die Narben an den Handgelenken der Frauen, tief und dauerhaft eingraviert. Er spricht über die Unterernährung, die deformierten Knochen der Kinder, die Spuren jahrzehntelanger Gewalt.

Seine Stimme bleibt sachlich, doch man hört den Zorn, der sich hinter jedem Wort verbirgt. Der Pflichtverteidiger der Brüder, ein blasser Mann namens Griom, versucht eine Frage zur Unsicherheit medizinischer Diagnosen. Gallow antwortet nicht mit Worten, sondern mit einem Diagramm, das er selbst gezeichnet hat.

Darauf vergleicht er die Körpermerkmale der Kinder mit bekannten Fällen aus königlichen Familienlinien Europas, in denen Inzucht dokumentiert war. Die Übereinstimmungen sind unübersehbar. Griom setzt sich ohne weitere Fragen. Die Ketten werden vor die Jury gelegt. Die schweren Eisenteile, die abgenutzten Riemen.

Jedes Mitglied der Jury hebt einen der Ringe an, spürt das Gewicht, sieht die Spuren eingetrockneten Blutes. Niemand sagt ein Wort. Als nächstes tritt Elias Torn in den Zeugenstand. Er schildert die Entdeckung der Dachkammer, die Bolzen, das Herausschlagen der Verriegelung, den Geruch, der ihnen entgegenschlug und die drei Frauen, die ihnen entgegenstarrten, halb tot, halb hoffend.

Er zeigt seine Skizzen, die Maße der Ketten, die Kopien der Strichmarkierungen an der Wand. Und als letzter Punkt holt er das verkohlte Stammbaumfragment hervor, das sie aus der Asche geborgen hatten. Er ließ die Namen, die Linien, die Brüder und Schwestern verbinden, die Notizen, die jede Geburt mit einem Urteil versehen. Es ist still im Saal, so still, dass selbst das Atmen Zuschauer kaum hörbar ist. Dann wird der Rodenbacher Band geöffnet.

Thorn liest, er liest die Titel, die Regeln, die Erklärungen über das reine Blut, die Aufzeichnung über jedes Kind, die Vermerke über die, die dem Wald zurückgegeben wurden. Als er schließt, sind einige Geschworene blass, andere weinen leise. Am siebten Verhandlungstag wird T Rodenbacher in den Saal geführt.

Sie geht langsam, gestützt von einer Krankenschwester. Ihr Körper ist schwach, aber ihre Augen haben einen Ausdruck. Der Torn überrascht. Entschlossenheit. Als sie ihren Namen sagt, zittert ihre Stimme kaum. Pierz beginnt mit einfachen Fragen. Sie antwortet kurz, klar. Sie war 20 Jahre alt, als ihre Eltern ihr erklärten, dass ihre Bestimmung sei, Kinder mit ihren Brüdern zu zeugen, dass Gott ihnen das Blut anvertraut habe, dass Reinheit nur im eigenen Fleisch liege.

Auf die Frage, ob sie gezwungen wurde, sagt sie mit Hunger, mit Ketten und mit der Angst, dass sie eines meiner Kinder in den Wald tragen würden. Der Saal bebt vor Stille. Pierz fragt nach dem Zeitplan. Sie erklärt mit tonloser Genauigkeit den Ablauf. Montag bis Sonntag. Immer derselbe Rhythmus, immer dieselben Schritte. Ordentlich wie Kirchgänge, sagt sie. Niemand stellt weitere Fragen.

Der Verteidiger lehnt eine Gegenbefragung ab. “Ich habe keine Fragen”, sagt Griom mit gesenktem Blick. “Dann werden die Brüder aufgefordert, selbst auszusagen.” Nur Silas steht auf. Er wirkt weder schuldbewußt noch trotzig. Seine Haltung ist die eines Mannes, der glaubt, Recht zu haben.

Er bestätigt alle Fakten ohne Zögern, ohne Rechtfertigung. Er erklärt, dass ihre Familie von Gott auserwählt sei, die Reinheit ihres Blutes zu bewahren, daß sie sich nicht verunreinigen dürften durch das, was er dabei den Schmutz der Außenwelt nennt. Er spricht über die Kinder. Er nennt sie Früchte des Heiligen Bandes.

Und als man ihn fragt, ob er versteht, dass seine Schwestern gelitten haben, sagt er: “Leiden ist der Preis der Reinheit.” Der Aufschrei im Saal ist so laut, daß Whitfield den Hammer mehrfach schlagen muß. Doch der Satz hängt weiter im Raum wie ein kaltes Gewicht. Die Jury braucht 53 Minuten. Sie erklären alle vier schuldig auf allen Anklagepunkten. Wheld verhängt das Urteil.

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Silas und Malachias sollen gehängt werden. Hezekiel und Jubal lebenslang ins Zuchthaus. Die Brüder zeigen keine Regung. Als wären die Worte, die ihr Leben beenden, lediglich eine Notiz in einem Buch, das für sie schon geschlossen ist. Sechs Monate nach dem Urteil hängen dichter Herbstnebel und der Geruch feuchter Erde über dem Hof des Zuchthauses von Bruchsaal.

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