Die Gerechten des Berges: Der Inzest-Kult der Krämer-Zwillinge (1877)

Dr. Stein saß am Tisch und schrieb mit zittriger Hand seine Beobachtungen nieder. Zwillinge von über 2m. Haut blass, Pupillen fast farblos. Mutter fanatisch religiös, kulturell isoliert, geprägt von altem Volksglauben und Pseudochristentum. Hinweise auf ritualisierte Gewalt.

„Ich glaube“, sagte er leise, „sie glauben, sie wären Werkzeuge Gottes.“

Am nächsten Tag, einem Sonntag, versammelte Vogt Männer aus drei Dörfern. Doch als sie den Hang erreichten, war die Hütte verschwunden. Nur der schwarze, verkohlte Boden blieb, als hätte jemand sie in einer Nacht niedergebrannt. Zwischen der Asche fanden sie Spuren, große Fußabdrücke, tief und klar, die vom Haus fortführten. Zwei Paar. Sie führten nach Norden in Richtung der alten Mine, die seit dreißig Jahren verlassen war.

„Wir folgen ihnen“, sagte Vogt.

Der Marsch zur alten Mine dauerte viele Stunden. Die Fußabdrücke waren deutlich, zu deutlich. Es war, als führte jemand die Männer absichtlich.

Die Mine lag am Rand einer Schlucht. Der Eingang war ein dunkles Loch im Berg. Vogt, hob die Hand. „Hier bleiben die Pferde, nur vier gehen hinein.“

Sie zündeten Fackeln an und traten ein. Weiter hinten spaltete sich der Gang. Vogt wählte den rechten Weg. Nach vielleicht zwanzig Schritten hörten sie etwas. Ein Rascheln, dann ein fernes Klopfen. Wieder drei Schläge, dann drei.

„Das ist unter uns“, flüsterte Dr. Stein.

Dann sahen sie sie. Zwei Körper kniend am Boden, die Köpfe gesenkt, die Hände gefaltet. Jakob und Heinrich Krämer. Ihre Gesichter glänzten im Fackellicht, als hätte man sie mit Öl bestrichen.

„Sie beten“, flüsterte Reiter.

Vogt trat einen Schritt vor. „Im Namen des Gesetzes…“

Er kam nicht weiter. Die Zwillinge hoben gleichzeitig den Kopf. Ihre Augen waren nicht mehr blau, sondern milchig weiß. Und als sie sprachen, war es dieselbe Stimme aus zwei Mündern.

„Ihr habt das Urteil gebracht. Nun soll es vollstreckt werden.“

In einem einzigen Schlag riss Jakob einem der Männer die Waffe aus der Hand und schleuderte sie gegen die Wand. Der enge Raum machte jeden Kampf sinnlos.

„Feuer!“, rief Vogt.

Eine Fackel flog, traf ein Holzgestell, und binnen Sekunden stand der Gang in Flammen. Der Rauch füllte die Mine, brannte in den Augen.

„Zurück!“, schrie Reiter, und sie flohen stolpernd, hustend, während hinter ihnen die Zwillinge in den Rauch getaucht standen, unbeweglich, als seien sie aus Stein.

Als die Männer das Freie erreichten, stürzte die Mine hinter ihnen ein. Eine Wolke aus Staub und Asche wälzte sich hinaus. Niemand sprach.

„Sind sie tot?“, wagte Vogt zu flüstern.

Dr. Stein sah auf die Rauchfahne, die sich aus dem Felsen erhob. „Wenn sie Menschen waren, ja. Wenn nicht, dann haben wir sie nur geweckt.“

Die Nacht, die auf den Einsturz der Mine folgte, war die stillste, die das Tal erlebt hatte. Gegen Mitternacht hörte Reiter, der am Fenster wachte, ein Geräusch, ein fernes, rhythmisches Stampfen. Drei Schläge, dann eine Pause, wieder drei.

Er riss das Fenster auf. Der Klang war schwach, doch unverkennbar. „Sie sind da“, flüsterte er Vogt zu.

Am Morgen fanden sie Spuren im Schnee vor dem Haus. Große, tiefe Abdrücke, zu groß für Menschen. „Seht, wie der Schnee an den Rändern geschmolzen ist, warm“, sagte Vogt.

Am dritten Tag kam ein Bote aus Rosenheim. Doch es gab keine Familie mehr, nur die verbrannte Stelle, den eingestürzten Stollen und das Schweigen der Berge. Vogt führte sie dennoch hinauf, zeigte den Ort, erzählte, was geschehen war.

Sie begannen zu graben. Bald kam mehr zum Vorschein. Knochen, Rippen, Schädel, eine Hand, die noch einen Ring trug. Dr. Stein untersuchte die Schädel. Dann fand er etwas, das ihn innehalten ließ. Ein Amulett aus Knochen geschnitzt, in Form eines Kreuzes mit zwei Querstreben.

„Dasselbe Zeichen wie in der Mine“, flüsterte er.

Am Abend saßen sie um das Feuer. Niemand wollte essen. Der Wind drang durch die Ritzen, und in der Ferne glaubte einer, ein Lied zu hören. Eine Frauenstimme, die langsam und ruhig sang: „Herr, prüfe uns im Feuer.“

Vogt erhob sich, trat hinaus. „Sie sind nicht tot“, sagte er leise.

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