Dienstmädchen, das beim Bankett das Fleisch der Kinder ihrer Herrschaft servierte

Die Schatten an den Wänden wuchsen und zogen sich zusammen wie lebendige Wesen, die sich über die Verzweiflung der Anwesenden beugten. Sophie stand still, ungerührt, ihr Gesicht von einem seltsamen Frieden überzogen, während sie dem Chaos zusah, das sich mit jeder Minute vertiefte.

Der Boden vibrierte unter den hektischen Bewegungen der Gäste, die versuchten aus dem Saal zu entkommen. Doch der Ausgang schien weiter entfernt zu sein als je zuvor. Herr Friedrich klammerte sich an die Tischkante, seine Fingerknöchel weiß wie Knochen. Sein Atem ging unregelmäßig und Schweiß tropfte von seiner Stirn.

Die Venen an seinem Hals traten hervor, als würde er gegen eine unsichtbare Last ankämpfen. Sein Blick war leer, doch seine Augen rollten hin und her, als würde er Dinge sehen, die sich im Verborgenen bewegten. “Holt einen Arzt”, rief er heiser, doch seine Stimme klang, als käme sie aus einem tiefen Tunnel. Niemand reagierte. Niemand konnte reagieren.

Neben ihm lag ein Gast bewusstlos auf dem Boden, die Hände so tief in den Teppich gekrallt, als hätte er versucht, sich festzuhalten, bevor seine Sinne ihn verließen. Frau Elisabeth stand auf wacklig Beinen, ihre Augen weit aufgerissen vor Furcht. Ihr Fächer war zu Boden gefallen und sie hatte sich an einem Stuhl festgehalten, als wäre er das einzige, das sie noch mit der Realität verband.

Doch sie zitterte sehr, daß selbst dieses dünne Verankern zu entgleiten drohte. “Was passiert mit uns?”, flüsterte sie mit brüchiger Stimme. Niemand antwortete ihr. Sophie beobachtete die Szene, den Fokus fest auf die Familie gerichtet, die ihr Leben lang glaubte, über allem zu stehen. Johann saß nun reglos auf dem Boden, als hätte ihn eine unsichtbare Hand zu Boden gedrückt.

Seine Lippen bewegten sich, aber es kam kein Ton hervor. Sein Blick war starr auf den Einrichtungsgegenstand gerichtet, der ihm am nächsten war. Eine schwere Holzkommode, als würde sie gleich aufspringen und auf ihn zurennen. Klara stand nicht mehr. Sie lag wimmernd auf der Seite, zog die Beine an den Körper, schaukelte hin und her und murmelte etwas Unverständliches.

Ihr Haar klebte an ihrem Gesicht, ihre Hände zitterten und ihre Augen wirkten glasig, als hätte sie längst aufgehört zu begreifen, wo sie war. Der kleine Lukas kroch auf allen Vieren über den Boden, als versuche er einem Schatten zu entkommen, der nur er sehen konnte. Er schrie nicht, er weinte nicht. Seine Stille war schlimmer als jedes Jammern.

Als Sophie ein paar Schritte näher trat, hörte sie plötzlich das Brechen eines Glases. Ein Gast hatte versucht, nach einer Karaffe zu greifen, vielleicht, um Wasser zu trinken oder vielleicht um sich daran festzuhalten. Doch er hatte sie in der Luft zerschlagen und die Scherben lagen nun verstreut, funkelnd im Kerzenlicht. Ein chaotisches Spiegelbild des Warns, der den Raum erfüllte.

Der Raum dreht sich, hauchte eine Frau, die sich gegen die Wand presste und mit weit aufgerissenen Augen in die Dunkelheit starrte. Die Wände, sie atmen. Ich spüre es. Ein Mann neben ihr kroch den Wandverputz entlang und kratzte so heftig daran, dass seine Fingernägel brachen. Der Schmerz hielt ihn jedoch nicht auf.

Eine Pflegerin des benachbarten Gutshofes, die als Gast gekommen war, sah zu, wie er weiter riss und riss, als würde hinter der Wand etwas lauern, das befreit werden wollte. Mittlerweile war die Musik zum Stillstand gekommen. Die Musiker hatten ihre Instrumente längst fallen lassen. Einige lagen bewusstlos in einer Ecke, andere starrten ins Leere, ihre Hände noch verkrampft um Geigenbögen oder Trommelschlägel.

Der Klang des Abends war zu einem Klang geworden, der aus Schreien, Schluchzen und den hallenden Schritten panischer Menschen bestand. Sopie trat weiter vor. Die Flamme einer Kerze auf dem Tisch flackerte, als sie an ihr vorbeiging und warf ihren Schatten über die Wand. Dieser Schatten, sonst so dünn und unscheinbar wie sie selbst, wirkte nun länger, breiter, dunkler, als gehöre er nicht zu ihr. Sie sah nicht nach ihm. Sie sah nur die Familie.

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