Die kalte Chronologie des Schreckens und der Schatten des Zweifels
Der Fall Fabian aus Güstro ist längst zu einem nationalen Trauma geworden. Es ist die Geschichte eines achtjährigen Jungen, der am 10. Oktober verschwand und dessen sterbliche Überreste nur vier Tage später, verbrannt an einem Tümpel bei Klein Upahl, entdeckt wurden. Die Brutalität der Tat – der Versuch, die Leiche durch Anzünden zu vernichten – schockierte das Land zutiefst.
Nun richtet sich der dringende Tatverdacht auf Gina H. (29), die Ex-Partnerin von Fabians Vater. Sie sitzt in Untersuchungshaft, doch schweigt beharrlich, beraten von ihrem Pflichtverteidiger. Die Staatsanwaltschaft stützt den Haftbefehl auf eine Kette von Indizien, die als schwerwiegend genug erachtet wurden, um eine Richterentscheidung zu rechtfertigen.
Doch in den letzten Tagen haben neue, erschreckende Enthüllungen diesen Fall in ein noch komplexeres Licht gerückt und werfen einen düsteren Schatten auf die Anfangsphase der Ermittlungen: Brisante Fundstücke, potenziell essenzielle Beweise, wurden nicht von der Polizei, sondern von Journalisten und einer Spaziergängerin entdeckt. Die Frage, die nun wie ein Menetekel über den Tatort hängt, ist ebenso kritisch wie beunruhigend: Wurde bei der Spurensicherung geschlampt?

Der Zipper mit dem „G“: Ein Alarmsignal wird ignoriert
Zwei Tage nach der Sicherung des Fundortes durch die Polizei, am 16. Oktober, betraten Reporter der Bildzeitung das Areal, das einen achtjährigen Jungen verloren hatte. Was sie nur unweit der eigentlichen Fundstelle im Gras entdeckten, klingt im Nachhinein wie ein direkter, unmissverständlicher Fingerzeig des Schicksals: Ein weißer Reißverschluss-Zipper, versehen mit dem Buchstaben „G“.
Lassen Sie sich diesen Fund auf der Zunge zergehen: Die Hauptverdächtige in diesem grauenhaften Mordfall, die Frau, die Fabians Leiche angeblich fand, heißt Gina H.. Ein Zipper mit ihrem Initial, gefunden im unmittelbaren Umkreis des Tatorts. Auffälliger geht es kaum.
Die Journalisten handelten professionell. Sie sicherten das Fundstück nicht selbst, sondern informierten die ermittelnden Behörden, lieferten sogar ein Bild des Zippers. Und was geschah? Nichts.
Das Fundstück, ein potenzieller Beweis, der womöglich DNA, Fasern oder andere entscheidende Spuren barg, lag vier weitere Tage ungesichert im Gras. Erst nachdem die Bild erneut die Staatsanwaltschaft kontaktierte und über das Versäumnis berichtete, reagierte die Behörde. Die lapidare Antwort: „Keinerlei Tatbezug.“
Doch wie kam diese Einschätzung zustande? Wurde der Zipper in dieser Zeit forensisch untersucht? Wurde er auf Hautzellen, Fingerabdrücke oder Abriebspuren überprüft, bevor man ihn als irrelevant abtat? Die Art und Weise, wie ein Gegenstand mit dem Initial der Hauptverdächtigen in einem solch sensiblen Umfeld tagelang ignoriert wurde, lässt die dringendste aller Fragen aufkommen: Was wurde in der Hektik und dem Chaos der Anfangsermittlungen noch übersehen? In einem Mordfall, bei dem der Täter durch Anzünden der Leiche Spuren vernichten wollte, ist jedes Detail am Fundort potenziell von Belang. Die Nicht-Sicherung des Zippers deutet auf eine schwerwiegende Prioritätenverschiebung oder gar auf Mängel in der Spurensicherung hin, die im weiteren Verfahren fatal werden könnten.
Der verkohlte Handschuh: Die fatale Lücke im Suchraste
Noch problematischer als der Zipper ist der zweite Fund, der die Öffentlichkeit und die Experten in Alarmbereitschaft versetzt hat. Zur gleichen Zeit, als der Zipper-Skandal die Runde machte, stieß eine Spaziergängerin in der Nähe des Tatorts auf einen Gegenstand, der in direktem Zusammenhang mit dem Verbrennungsvorgang stehen könnte: einen verkohlten Lederhandschuh.
Dieser Handschuh lag nur rund 100 Meter vom Fundort der Leiche entfernt – in Sichtweite. Seine Relevanz ist unbestreitbar:
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Er ist verkohlt, was eine direkte Verbindung zur versuchten Brandstiftung suggeriert.
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Lederhandschuhe werden häufig getragen, um sich vor Hitze zu schützen und/oder um Fingerabdrücke zu vermeiden, wenn mit Brandbeschleunigern hantiert wird.
Die Entdeckerin, eine normale Bürgerin ohne forensische Ausbildung, erkannte die potenzielle Bedeutung sofort. Sie nahm das Stück vorsichtig mit einer Plastiktüte auf und wandte sich an Reporter von RTL, die gerade vor Ort drehten. Die Reporter übergaben den Handschuh umgehend an die Polizei.
Die Kette der Übergabe – Bürgerin an Journalisten an Polizei – ist ein Desaster für das Ansehen der Ermittlungsarbeit. Bei einem Kapitalverbrechen dieser Tragweite wird erwartet, dass die Polizei den Fundort großräumig absperrt und in konzentrischen Kreisen jeden Quadratmeter absucht. Metalldetektoren, speziell ausgebildete Spürhunde und eine Vielzahl von Forensikern sind im Einsatz, um auch kleinste Faserspuren zu sichern.
Dass eine Spaziergängerin, die lediglich ihren Hund ausführt, in dieser 100-Meter-Zone einen offensichtlich relevanten, verkohlten Gegenstand findet, legt den Schluss nahe: Der Suchradius der Polizei war zu eng oder die Suchtiefe nicht gründlich genug.