Der Tod von Friedrich Steinbrecher brachte keine Erleichterung nach Eichenmoor. Nicht sofort. Die Nachricht verbreitete sich schnell. Der meistgesuchte Mann Norddeutschlands war im Moor gefunden und von den Schüssen der Landpolizei tödlich getroffen worden. Viele Dorfbewohner atmeten erleichtert auf, andere schwiegen nur.
unsicher, ob es überhaupt Worte für etwas gab, das so gewaltig und schrecklich gewesen war. Sein Leichnam wurde nach Eichenmoor gebracht, auf einen einfachen Holzverdeckwagen gelegt und mit einer Plane bedeckt. Die Männer, die ihn begleiteten, sagten kein Wort. Hauptmann Sutta hatte eine feste, beinahe feierliche Miene.
Nicht aus Respekt für Steinbrecher, sondern aus Respekt für das, was dieses Kapitel für so viele Menschen bedeutete. Als der Wagen das Dorf erreichte, standen die Menschen schweigend am Wegrand. Einige kreuzten sich, andere wandten den Blick ab. Eine Gruppe Männer wollte den Körper verbrennen, ihn im Moor versenken, ihn aus der Welt löschen. Doch Dr.
Quirin bestand darauf, dass er ordnungsgemäß übergeben werden musste. Selbst ein solches Leben endet nicht ohne Regeln, sagte er leise, aber bestimmt. Und schließlich fiel die Entscheidung bei einer Person, die kaum jemand erwartet hätte. Fahrer Emil, der nach langen Wochen im Kloster zurückgekehrt war.
Er war ein anderer Mensch, magerer, stiller, erschöpft, aber nüchtern und ernster als je zuvor. So schrecklich seine Taten auch waren”, sagte er mit rauher Stimme. “Er war ein Mensch. Wir begraben ihn ohne Ehren, ohne Worte, aber wir begraben ihn.” Und so geschah es. Am Rand des Friedhofs, weit entfernt von den gepflegten Gräbern der Dorfbewohner, wurde ein schmales Loch ausgehoben.
Keine Glocke läutete, kein Gebet wurde gesprochen. Nur Emil und Abundius Meer standen dabei, als der Sag, ein Kager Holzkasten, in die Erde gelassen wurde. Eine schlichte Holzkreuzlatte wurde aufgestellt, ohne Namen. Der Wind fuhr über die Heide und das war das Ende von Friedrich Steinbrecher für den Rest der Welt vielleicht, aber nicht für jene, die die Folgen seines Handelns tragen mussten.
Als Anna die Nachricht vom Tod ihres Vaters erhielt, zeigte sie keine Reaktion, keine Tränen, keine Erleichterung, keine Furcht, nur ein Nicken, ein leichtes Senken der Schultern, als wäre ein Gewicht abgefallen, dass sie so lange getragen hatte, dass ihr Körper kaum noch wusste, wie es ohne dieses Gewicht war.
Schwester Magdalena beobachtete sie genau in der Hoffnung, in Annas Augen ein Echo der Freiheit zu sehen. Doch alles, was sie sah, war eine Leere, so tief wie ein trockener Brunnen. Einige Tage später fand man Anna im Klostergarten, wie sie mit sanften Bewegungen die Erde neben einem jungen Wacholderstrauch glatt strich. “Er ist weg”, sagte sie plötzlich, ohne Magdalena anzusehen, aber er war schon tot. bevor er starb.
Die Oberin antwortete nicht. Was sollte sie sagen? Die Wunden in Annas Seele würden ein Leben lang bleiben. Zurelben Zeit begannen die Vorbereitungen für die Bestattung der Schwestern. Nachdem die Untersuchung abgeschlossen war, konnten die Mädchen Anna ausgenommen dem Dorf zurückgegeben werden.
Es war Abundius Meer, der darauf bestand, dass sie ein ordentliches Grab erhielten, nicht als Opfer eines Monsters, sondern als Töchter der Heide, die ein würdiges Ende verdient hatten. Die Dorfgemeinschaft traf diese Entscheidung mit einem Gefühl, das irgendwo zwischen Trauer, Schuld und Verantwortung lag. In den nächsten Tagen fertigten die Männer der Tischlerei fünf einfache, aber liebevoll gearbeitete Särge an.
Die Namen wurden sorgfältig auf die Deckel geschnitzt. Helen, Margarete, Liselot, Grätchen und auf besonderen Wunsch der Dorfgemeinschaft auch ein Sag für die vielen namenlosen Kinder. Niemand wusste, wie viele es wirklich gewesen waren. Dr. Quirin meinte mindestens neun. Andere vermuteten mehr. Im Dorf sprach man es nicht laut aus, aber alle wussten es.
In diesen Sag legte man das gesammelte Leid, die ganze Stille der Jahre, das Unausgesprochene. Am Tag des Begräbnisses versammelte sich fast das gesamte Dorf auf dem Friedhof von Eichenmoor. Die Heide stand in voller Blüte, als wolle sie gegen die Schwere des Moments anleuchten. Die Frauen hatten wilde Blumen gesammelt, gelbe Heideblüten, rosafarbenes Glockenheidekraut, frisch duftende Wacholderzweige. Viele der Männer standen mit gesenkten Köpfen, die Mützen in den Händen.