Graz, ein gewöhnlicher Novemberabend, der in einer Tragödie von grenzüberschreitender Dimension endete. Der Fall der 32-jährigen Influencerin Stefanie P., die nach einer Firmenweihnachtsfeier spurlos verschwand, entwickelte sich innerhalb weniger Stunden von einer einfachen Vermisstenmeldung zu einem komplexen Mordverfahren. Was die Ermittler früh stutzig machte, war nicht nur das abrupte Schweigen in ihrer breit vernetzten Online-Welt, sondern auch die ungewöhnliche Herkunft der Vermisstenmeldung selbst.
Am Sonntag erschien Stefanie nicht zu einem geplanten Fotoshooting. Am Montag meldete sie ein Arbeitskollege als vermisst – ein Vorgang, der unter Ermittlern bereits als ungewöhnlich gilt, da in solchen Fällen in der Regel Angehörige oder Partner die Alarmierung übernehmen. Für die Polizei markierte die letzte, kurz nach Mitternacht gesendete WhatsApp-Nachricht: “Bin gut angekommen”, den exakten zeitlichen Ausgangspunkt der Analyse. Diese Nachricht, die Sicherheit suggerierte, stand im krassen Gegensatz zum abrupten Stillstand sämtlicher Online-Aktivitäten und dem ausgeschalteten Mobiltelefon danach.
Die Ermittler begannen sofort mit der Rekonstruktion der entscheidenden 48 Stunden. Die Weihnachtsfeier, das geteilte Taxi, die Ankunft vor ihrer Wohnung im Grazer Bezirk Geidorf und die kurze Nachricht bildeten die einzige gesicherte Zeitleiste. Der Umstand, dass ein Arbeitskollege die Meldung aufgab, lenkte die Aufmerksamkeit frühzeitig auf das persönliche Umfeld der Vermissten und, insbesondere, auf die Person, von der man die Meldung am ehesten erwartet hätte: ihren Ex-Partner.

Das erste kritische Indiz: Ein Ex-Partner ohne Vermisstenmeldung
Im Fokus stand rasch ihr 31-jähriger Ex-Partner, Patrick M., mit dem Stefanie eine kürzlich beendete und als konfliktreich beschriebene Beziehung geführt hatte. Als Beamte die Wohnung von Stefanie P. aufsuchten, trafen sie Patrick M. dort an. Seine Erklärung: Er wolle lediglich nach dem Hund sehen. Er selbst habe jedoch keine Vermisstenmeldung abgegeben.
Diese Diskrepanz wurde als erstes kritisches Indiz gewertet. Es bestand eine deutliche Diskrepanz zwischen seiner angeblichen Sorge und seinem tatsächlichen Verhalten, was die Hypothese bestärkte, dass er bewusst Distanz zu einer offiziellen Anzeige gewahrt hatte. Die Ermittler sahen hierin ein markantes Warnsignal.
Parallel dazu lieferten Nachbarn erste, vage Beobachtungen. Eine Nachbarin gab an, Patrick M. am Sonntagmorgen mit einer großen, schweren Stoffrolle über der Schulter das Gebäude verlassen gesehen zu haben. Aufgrund des zeitlichen Zusammenhangs zum Verschwinden der Influencerin erhielt diese Aussage besondere Bedeutung. Diese Beobachtung wurde zu einem der ersten physischen Hinweise, die auf eine mögliche Entfernung eines Gegenstands oder sogar einer Person aus der Wohnung hindeuten konnten.
Digitale Forensik und die sich schließende Indizienkette
Während die klassische Polizeiarbeit die spannungsgeladene Vorgeschichte des Paares analysierte – die Beziehung sei von Konflikten und wiederholten Trennungsphasen geprägt gewesen – lieferte die digitale Forensik den entscheidenden Beweis für Patrick M.s Anwesenheit am mutmaßlichen Tatort.
Der Router aus Stefanies Wohnung enthüllte die nüchterne Wahrheit: Patrick M.s Smartphone war am Sonntagmorgen gegen 8 Uhr im Netzwerk eingeloggt. Damit war seine Anwesenheit in einem kritischen Zeitfenster zweifelsfrei belegt. Dieser technische Nachweis traf auf Zeugenaussagen, die von einem lautstarken Streit in der Wohnung während dieses Zeitraums berichteten. Die Kombination aus subjektiver Aussage und objektivem Datensatz erzeugte eine eindeutige Schnittmenge, die den Verdacht erhärtete.
Ergänzt wurde diese digitale Spur durch einen weiteren Fund, der jedoch als bewusster Manipulationsversuch eingestuft wurde: Stefanies Handy tauchte in einem Gebüsch, zwei Bezirke entfernt, auf. Die Ermittler werteten dies als klassischen Versuch, eine falsche Fährte zu legen und den tatsächlichen Tatort zu verschleiern. Das Verhalten deutete nicht auf panische Reaktion hin, sondern auf planvolle Verschleierung.
Die Flucht, das brennende Auto und das indirekte Geständnis
Mit diesen Indizien – der belasteten Beziehung, dem auffälligen Verhalten des Ex-Partners, der Zeugin mit der Stoffrolle, dem WLAN-Login und dem abgesetzten Mobiltelefon – verdichtete sich das Verdachtsbild. Unter dem wachsenden Druck geriet Patrick M. ins Wanken und entschloss sich zur Flucht.
Der nächste entscheidende Schritt erfolgte, als die Polizei den roten VW Golf von Patrick M. auffand. Das Fahrzeug wurde im Grenzgebiet zwischen Österreich und Slowenien entdeckt, vollständig ausgebrannt, zurückgelassen auf einem Parkplatz. Der Fundort und der Zustand des Wagens waren für die Ermittler ein starkes Signal: Wer ein Auto in Grenznähe anzündet und verschwindet, versucht Spuren zu eliminieren und sich einem Zugriff zu entziehen.
Ein Fahrzeug ist ein potenzieller Speicher für eine Vielzahl von Spuren – Haare, Fasern, biologische Rückstände –, die eine Verbindung zwischen Täter, Opfer und Tatort herstellen können. Dass Patrick M. diesen Wagen in Brand setzte, werteten die Ermittler als gezielten Versuch, ein komplettes Depot möglicher Beweise zu vernichten. Dieses Verhalten wurde als erdrückendes Indiz gewertet – ein indirektes Geständnis, der Versuch, einen Tatverlauf zu löschen, der sich bereits rekonstruieren ließ.
Kurz nach dem Fund des ausgebrannten Golfs wurde Patrick M. in seiner Heimat Slowenien festgenommen und nach Österreich ausgeliefert. Die Eskalationskette endete hier nicht: Sein Bruder und Stiefvater wurden in Graz wegen Verdachts der Beihilfe zur Tat oder anschließenden Vertuschung ebenfalls festgenommen.
Das Geständnis: Kaltblütige Beseitigung statt Affekthandlung
Im Verhörraum konfrontierten die Beamten Patrick M. mit der nahezu geschlossenen Beweiskette: die Stoffrolle, der WLAN-Zeitstempel, das entsorgte Handy, das verbrannte Auto und biologische Spuren, die an seinen Schuhen und in seiner eigenen Wohnung gesichert wurden.
Unter dem wachsenden Druck der objektiven Beweislast brach Patrick M. schließlich zusammen und gestand die Tat.
Er beschrieb, wie es nach Stefanies Ankunft in der Wohnung zu einem Streit kam, der eskalierte. Er erwürgte Stefanie bis zur Bewusstlosigkeit, packte ihren Körper in einen großen Koffer, trug diesen zum Auto und überquerte die Grenze nach Slowenien. Dort suchte er ein abgelegenes Waldstück, schaufelte ein Grab und vergrub den Koffer samt dem Leichnam. Er benannte den Standort präzise.
Die Beschreibung dieses Ablaufs wirft eine zentrale psychologische Frage auf. Während das Würgen noch als Eskalation in einer affektgeladenen Situation gesehen werden könnte, zeigten die nachfolgenden Handlungen – das Verstauen des Körpers, die Fahrt über die Grenze, die bewusste Suche nach einem Versteck, das Graben eines Grabes – ein Maß an Planung, Kaltblütigkeit und Kontrolle, das jede Interpretation als Unfall oder Kurzschlusshandlung vollständig ausschloss. Für die Ermittler stand fest: Es handelte sich nicht um eine Tat im Affekt, sondern um die methodische Beseitigung eines Opfers.
Auf Grundlage des Geständnisses wurde der Koffer im Wald bei der slowenischen Stadt Maisberg gefunden, was der tagelangen Ungewissheit für Familie und Freunde ein Ende setzte. Forensische Untersuchungen in der Wohnung bestätigten Kampfspuren, leichte Beschädigungen an Wänden und kleinere Blutspuren, die mit einer Auseinandersetzung im Zuge eines eskalierenden Konflikts übereinstimmen.
Fazit: Die tödliche Dynamik der Kontrolle
Der Fall Stefanie P. ist ein mahnendes Beispiel dafür, wie eng moderne Kriminalistik heute verzahnt ist: Die klassische Beobachtung einer Nachbarin, die digitale Spur aus einem WLAN-Router und die psychologische Analyse des Täterverhaltens bildeten eine Beweislage, die keinen Zweifel mehr zuließ.
Die Ermittlungen zeigten, dass Patrick M. nicht panisch reagierte, sondern strategisch handelte. Das WLAN-Login bewies, dass er in der Wohnung auf Stefanie wartete. Dies widerlegte seine Darstellung eines spontan eskalierten Streits und deutete auf eine Situation hin, die durch ihn initiiert und kontrolliert wurde.
Am Ende steht ein vollständig rekonstruiertes Tatgeschehen. Das Urteil wird die Tragödie nicht ungeschehen machen, aber es wird den Versuch darstellen, Gerechtigkeit für Stefanie P. und ihre Angehörigen herzustellen und die gesellschaftliche Diskussion über Gewalt in gescheiterten Beziehungen zu beleuchten.