Leipzig/Berlin – Seit über sechs Jahrzehnten ist er die unerschütterliche Konstante der deutschen Unterhaltungsmusik: Frank Schöbel, geboren 1942, der „Herzensänger der DDR“. Mit Liedern wie „Wie ein Stern“ oder „Komm, wir malen eine Sonne“ schrieb er Musikgeschichte und galt an der Seite seiner damaligen Ehefrau, der Sängerin Chris, als unzerstörbares Traumpaar des Ostens. Doch hinter der Fassade des stets charmanten, lächelnden Entertainers verbarg sich ein Mann, der über Jahrzehnte hinweg eine tiefe Traurigkeit und den Schmerz eines fundamentalen Scheiterns in sich trug. Im Alter von 82 Jahren hat Frank Schöbel nun den Mut gefunden, sein jahrzehntelanges Schweigen zu brechen. In einer schonungslosen, späten Beichte gibt er zu, was Fans und Beobachter insgeheim immer vermutet hatten: Der Zusammenbruch seiner Ehe und sein innerer Kampf waren direkt auf die gnadenlosen Kräfte zurückzuführen, die ihn einst berühmt machten. Seine späte Offenheit ist nicht nur ein Akt der Reife, sondern ein Versuch, mit einer Vergangenheit Frieden zu schließen, die er lange verleugnete.

I. Das goldene Paar zerbricht: Wenn Erfolg die Liebe kühlt
Frank Schöbel und Chris (bürgerlich: Chris Doerk) waren in den 1960er und 70er Jahren mehr als nur ein Liebespaar; sie waren ein kulturelles Phänomen. Millionen von Fans in der DDR sahen in ihnen die Verkörperung von Glück, Jugend und Harmonie. Ihre gemeinsamen Lieder, allen voran der unvergängliche Hit „Heißer Sommer“, erzählten von Zärtlichkeit und Zusammenhalt und machten sie zu den unangefochtenen Lieblingen des Publikums.
Doch Schöbel selbst gestand in späteren Jahren die bittere Wahrheit, die er lange verschwieg: „Das Publikum sah immer nur die Sonne, aber niemand die Schatten, in denen sie entstand.“
Diese Schatten waren zahlreich und mächtig:
-
Beruflicher Druck und Rastlosigkeit: Je größer der Ruhm, desto weniger Zeit blieb für das Private. Ständige Präsenz in der Öffentlichkeit, Tourneen und Studioaufnahmen zehrten an der Substanz der Beziehung.
-
Systemische Kontrolle: Die ideologische und politische Kontrolle des DDR-Systems setzte die Künstler unter permanenten Druck. Frank, der im Mittelpunkt stand, musste stark und pflichtbewusst wirken, während Chris, die sensiblere von beiden, zunehmend in seinem Schatten blieb.
-
Die innere Mauer: Frank Schöbel, so beschrieb es Chris später, war ein Mann, „der seine Gefühle immer versteckte, und das war sein Fluch“. Er versuchte, nach außen die perfekte Rolle des Volksidols zu spielen, während er innerlich litt.
Frank resümierte: „Wir haben uns in der Musik gefunden, aber im Leben verloren.“ Die Scheidung im Jahr 1977 war nicht nur eine private Katastrophe, sondern ein öffentlicher Skandal, der die Fans fassungslos machte. Schöbel fühlte sich schuldig und doch wusste er, dass er in der gegebenen Dynamik nicht anders handeln konnte.
Die Tragik wurde durch Chris’ Worte Jahre später noch deutlicher: „Ich habe ihn nie gehasst. Ich habe ihn geliebt, selbst als ich gehen musste. Aber ich habe gesehen, wie sehr er litt. Er weinte nachts, wenn niemand hinsah.“ Die Liebe scheiterte an der Unfähigkeit, die Rollen der Stars an der Garderobe abzulegen und die eigenen, tiefen Emotionen zuzulassen.
II. Die dunklen Jahre: Die Bühne als Fassade und der Brief
Nach der Scheidung verfiel Frank Schöbel in eine Phase tiefer Depression und Einsamkeit. Für ihn wurde die Bühne zum einzigen Halt – paradoxerweise der Ort, der seine Ehe einst zerstört hatte. Er trat auf, lächelte, sang und erntete Applaus, während er innerlich mit Schuld und Leere kämpfte.
„Ich hatte das Gefühl, dass alles, was ich tat, nur noch Fassade war“, gestand er später. „Ich war erfolgreich, aber leer.“ Abende nach Konzerten verbrachte er oft allein im Hotelzimmer, rauchte, trank und starrte schweigend auf die Wand – ein Bild, das im krassen Gegensatz zu den strahlenden Fernsehauftritten stand.
Die emotionale Wunde blieb auch nach Jahren offen, was durch ein intimes Detail belegt wird: Jahre später erhielt Chris einen handgeschriebenen Brief von Frank. Darin die schonungslose, späte Einsicht: „Ich habe immer versucht, stark zu sein, aber wenn ich ehrlich bin, warst du mein größter Halt und ich habe ihn selbst zerstört.“ Dieser Brief, obwohl nie veröffentlicht, enthüllt die unvergängliche Verbundenheit und den tiefen Schmerz der Selbstzerstörung, die ihn über Jahrzehnte hinweg begleitete.
Diese Traurigkeit wurde schließlich zum Geheimnis seiner Unsterblichkeit. Sie floss leise, ehrlich und menschlich in seine Musik ein und gab seinen späteren Werken eine Tiefe, die über den Schlager hinausging.
III. Der doppelte Umbruch: Wende und der Verlust der Muse
Die größte Zäsur in Frank Schöbels Leben war das Jahr 1989/90 – und es war ein doppelter Schock, der ihn nachhaltig erschütterte:
1. Der politische Kollaps
Der Zusammenbruch der DDR bedeutete für den 47-jährigen Schöbel den Verlust des gesamten beruflichen und gesellschaftlichen Fundaments. Die Musikindustrie, die ihn getragen hatte, brach zusammen. Er, der einst als Nationalidol galt, wurde über Nacht zum „Ostnostalgiker“, von neuen westdeutschen Medien belächelt und verdrängt. Er stand vor der existenziellen Frage, ob seine Kunst überhaupt noch Bedeutung hatte. „Ich wusste nicht mehr, wer ich ohne all das bin,“ sagte er.
2. Der private Verlust
Gleichzeitig verlor er seine Mutter. Sie war in seiner Musikerfamilie nicht nur Mutter, sondern Muse, erste Kritikerin und moralischer Anker. Sie hatte ihn gelehrt, für die „Wahrheit in deinem Herzen“ zu singen, nicht für den Applaus. Mit ihrem Tod verlor er die Stimme, die ihn in allen Krisen getragen hatte.
Mitten in diesem Chaos stand Frank Schöbel vor der Wahl: Aufgeben oder sich neu erfinden. Er wählte die Musik als Therapie. Er produzierte das Album Mit dem Herzen sehen, das von Trauer, Abschied und Hoffnung erzählte – ein musikalisches Dokument des Umbruchs. „Ich habe geschrieben, um zu überleben,“ gestand er.
Sein erster Auftritt nach dem Tod seiner Mutter war ein Wendepunkt. Er sang mit zitternder Stimme und Tränen in den Augen. In diesem Moment spürte er: „Musik heilt, auch wenn nichts anderes es kann.“ Er lernte, für andere zu singen, die selbst Verluste kannten, und fand so, paradoxerweise durch den Verlust, das Wesentliche wieder: die Musik und sich selbst.
IV. Die zweite Chance und die Rastlosigkeit
Nach der Trennung von Chris versuchte Frank Schöbel, in neuen Beziehungen Halt zu finden. In den späten 1970er Jahren lernte er die spanischstämmige Sängerin Aurora Lacasa kennen. Ihre Liebe war ruhiger und tiefer. Sie heirateten und bekamen zwei Töchter, Dominique und Odette.
Doch auch diese Ehe war nicht frei von Spannungen, denn Frank war ein Mann, „der nie wirklich ankam“. Aurora beschrieb ihn als rastlos, körperlich und seelisch stets unterwegs. Die Familie litt unter seiner ständigen Abwesenheit: Er war monatelang auf Tour.
„Ich habe viel verpasst,“ gestand Frank später. „Geburtstage, Weihnachten, kleine Momente, die man nicht zurückholen kann.“ Die Trennung von Aurora in den 1990er Jahren verlief leise, ohne Skandale, aber sie hinterließ erneut Wunden. Frank fand Trost in der Arbeit, doch die Einsamkeit blieb.
V. Die späte Versöhnung: „Wir lieben uns immer noch. Nur anders.“
Einer der emotional bewegendsten Momente seines späten Lebens war das Wiedersehen mit Chris Doerk viele Jahre nach ihrer Scheidung. In einer großen TV-Produktion standen sie wieder gemeinsam auf der Bühne. Als sie „Heißer Sommer“ sangen, sahen Zuschauer Tränen in Franks Augen.
Diese Versöhnung war kein Liebes-Comeback, sondern ein Akt des Abschlusses und der Reife. Frank sagte danach: „Es war, als hätte sich ein Kreis geschlossen.“ Chris präzisierte: „Ich glaube, wir lieben uns immer noch. Nur anders. Ruhiger, friedlicher.“
Im hohen Alter beschreibt Frank diese Begegnung als eines seiner größten Geschenke. „Wir sind nicht zusammen alt geworden, aber wir sind gemeinsam gereift und das ist vielleicht noch schöner.“ Sie haben einander vergeben – die schönste Form des Endes, die man sich wünschen kann.
VI. Der Frieden mit 82: Der wahre Reichtum
Mit 82 Jahren ist Frank Schöbel noch immer aktiv, leidet jedoch unter Herzrhythmusstörungen und Arthrose. Die Ärzte rieten ihm zur Ruhe, doch er lehnte ab: „Wenn ich aufhöre zu singen, verliere ich mich selbst.“
Sein Leben hat sich verlangsamt. Er lebt heute zurückgezogen bei Berlin, widmet sich seinen Enkeln, dem Klavierspiel und hat gelernt, die Einsamkeit als Freiheit zu sehen. Seine gesundheitlichen Probleme haben ihn milder gemacht. Er hat das Rauchen aufgegeben und sich der Meditation zugewandt: „Ich war immer getrieben. Jetzt lerne ich, still zu sein.“
Sein tatsächlicher Reichtum, geschätzt auf drei bis vier Millionen Euro, stammt aus jahrzehntelanger, disziplinierter Arbeit (insbesondere Tantiemen für Weihnachten in Familie) und wird nicht in Luxus, sondern in Unabhängigkeit und in die Förderung junger Künstler investiert.
Die wichtigste Erkenntnis seines Lebens teilte er nun im Alter von 82: „Früher dachte ich, Geld gibt Sicherheit. Heute weiß ich, dass Liebe das Einzige ist, was dich ruhig schlafen lässt.“
Frank Schöbel, der große Sänger der DDR, hat seinen Frieden gefunden. Er hat alles gelebt, geliebt, verloren und wiedergefunden. Sein Vermächtnis ist nicht der Ruhm, sondern die ehrliche Musik eines Mannes, der den Menschen den Mut gab, an das Gute zu glauben. „Ich habe mein Lied gesungen. Alles, was jetzt kommt, ist Nachhall.“