Es ist kurz nach neun Uhr morgens, als die Nachricht wie ein Lauffeuer durch die Redaktionen und sozialen Netzwerke jagt: Die Anwältin von Dorina L., der Mutter des ermordeten achtjährigen Fabian aus Güstro, hat ihr langes Schweigen gebrochen und sich erstmals öffentlich geäußert. Doch was Christina Habe, die Rechtsvertreterin, zu Protokoll gibt, ist mehr als nur eine juristische Stellungnahme. Es ist eine schonungslose Offenbarung über das zerrüttete Vertrauen, das im Zentrum dieses grausamen Verbrechens steht – und es ist der Auftakt zu einem neuen, dramatischen Kapitel, denn eine mysteriöse, unbekannte DNA-Spur droht nun, die gesamte Ermittlungsarbeit auf den Kopf zu stellen.
Ihre Worte waren ruhig, beinahe sachlich, aber jede Silbe traf wie ein Schlag: „Für Fabian war es ein zweites Zuhause“. Gemeint ist Gina H., die 29-jährige Ex-Partnerin von Fabians Vater, die Hauptverdächtige im Mordfall. Die Frau, die Fabian kannte, ihm vertraut war und in deren Nähe, in Reimershagen, der Junge am 14. Oktober tot aufgefunden wurde. Wenige Tage zuvor wurde sie festgenommen, dringender Mordverdacht.
Für Dorina L. ist es ein Moment, der zwischen Erleichterung über die Festnahme und Entsetzen über den Verrat schwankt. Die Anwältin spricht von einer Zäsur, einem tiefen Einschnitt nach Wochen voller quälender Ungewissheit. Endlich Bewegung im Fall – aber zu welchem Preis? Die Beschuldigte war keine Fremde, sondern galt als vertraute Bezugsperson. Nachbarn bestätigen, Fabian habe dort häufig gespielt, oft gemeinsam mit dem Sohn der Verdächtigen.
Dass gerade dieser Ort, das „zweite Zuhause“, nun zum Tatort avancierte, stellt eine Frage, die weit über diesen Fall hinausgeht: Wie zerbrechlich ist Vertrauen, und wie tief kann der Verrat reichen?. Die Stimme der Anwältin wirkt inmitten des medialen Chaos wie ein Echo aus der Stille – sachlich, aber voller Schmerz.

Die Anatomie eines zerrissenen Vertrauens
Der Fall Fabian ist in seinem Kern eine Tragödie des verratenen Vertrauens. Fabian verbrachte aufgrund der Trennung seiner Eltern, Dorina L. und Matthias R., Wochenenden beim Vater, der damals mit Gina H. zusammenlebte. In dieser Zeit entwickelte sich ein sogenannter Patchwork-Alltag. Dorina L. entschied sich ganz bewusst für Vertrauen statt Konflikt. Sie wollte, dass Fabian sich wohlfühlte. Er mochte Gina H., sie war freundlich, backte mit ihm, war geduldig.
Dieses Vertrauen war keine naive Entscheidung, sondern das Ergebnis vieler Monate, in denen keinerlei Anzeichen von Gefahr erkennbar waren. Fabian berichtete von harmlosen Ausflügen und Spielen – nie von Angst. Die Mutter ging davon aus, dass trotz der kurz zuvor erfolgten Trennung zwischen Gina H. und Fabians Vater keine Feindseligkeit bestand. Niemand ahnte, dass gerade diese scheinbare Normalität der größte Trugschluss war.
Heute wirkt all das wie eine Inszenierung, eine Fassade, hinter der sich etwas Dunkles verborgen hielt. Dorinas Zustand beschreibt ihre Anwältin als paralysiert zwischen Schuld und Unverständnis. Schuld, weil sie glaubt, ihrem Kind falsches Vertrauen vermittelt zu haben. Unverständnis, weil sie nicht begreifen kann, wie jemand, der so vertraut war, zur Hauptverdächtigen im Mordfall werden konnte.
Für die Ermittler ist genau diese Beziehung – die Dreiecksbeziehung zwischen Mutter, Vater und Ex-Partnerin – der entscheidende Fokus: War Eifersucht im Spiel, oder war die emotionale Verstrickung weitaus komplexer?. Bisher gab es nur Indizien, digitale Spuren und Nachrichtenverläufe.
Das Schweigen der Fassungslosigkeit
Der Moment der Festnahme am 7. November 2025 traf Dorina L. mit voller Wucht. Als die Anwältin ihr die Nachricht übermittelte – Gina H. wurde festgenommen, Haftbefehl wegen dringenden Mordverdachts – brach Dorina L. nicht in Tränen oder Schreie aus. Es war: „Kein Schrei, keine Tränen, nur Leere“. Sie war gelähmt, ihre Welt stand still.
Die Polizei hatte das Haus der 29-Jährigen durchsucht, Beweismaterial abtransportiert, doch die offiziellen Gründe für den dringenden Tatverdacht blieben geheim. Für Dorina war es jedoch der Beginn eines noch tieferen Abgrunds: „Sie war jemand, der Fabian kannte, ihn umsorgt hatte, mit ihm spielte.“.
Trotz des medialen Wirbels zog sich Dorina L. zurück. Ihre Botschaft über die Anwältin war klar: „Ich will Antworten, keine Schlagzeilen“. In diesem nüchternen Satz steckte die ganze Erschöpfung einer Mutter, deren Schmerz zu groß für die Öffentlichkeit war.
Die wahre Tragik dieses Verrats fasste Dorina L. in einem geflüsterten Satz zusammen, als ihre Anwältin ihr Fotos von der Anteilnahme zeigte: „Sie hat ihn geliebt – oder ich habe das geglaubt.“. Dieses Unglauben an die eigene Fehleinschätzung ist es, was Dorina L. seither antreibt. Die Anwältin unterstützt sie, nicht nur als Juristin, sondern als Stütze, um sich an Fakten festzuhalten, weil alles Emotionale sie zu zerreißen drohe.
Sie sucht nicht nach Rache oder Vergeltung, sondern „nach der Wahrheit“. Diese stille Würde der Mutter, die keine Mitleid verlangt, bewegte auch die Öffentlichkeit. Dorina L. begann, sich juristisch zu engagieren, um die Aufklärung aktiv zu unterstützen – eine Form der Kontrolle in einer Welt, die aus den Fugen geraten ist. Sie hält Erinnerungen an Fabian in einem Notizbuch fest, um ihn nicht nur als Opfer in den Akten existieren zu lassen: „Er war ein Kind mit Licht“.
Das Chaos bricht zurück: Unbekannte DNA wirft alles über den Haufen
Drei Wochen nach der Festnahme von Gina H. schien sich die Lage in Güstro etwas zu beruhigen, doch hinter den Kulissen des Landeskriminalamts bahnte sich eine Entwicklung an, die das gesamte Narrativ des Falles erneut auf den Kopf stellen sollte.
Am 9. November 2025 sickerte eine interne Mitteilung durch: Bei der Spurenauswertung am Fundort der verkohlten Überreste Fabians gab es ein unerwartetes Ergebnis. Zunächst zeigten Faserproben aus Gina H.’s Haus zwar „teilweise Übereinstimmungen, aber nicht eindeutig“.
Doch dann folgte der Satz, der alles veränderte: Eine zweite DNA-Spur wurde entdeckt, die keiner der bekannten Personen aus dem engeren Umfeld – weder Fabian noch seinen Eltern noch Gina H. – zugeordnet werden konnte.
Eine männliche DNA unbekannter Herkunft.
Sofort kochten die Spekulationen hoch: Hat Gina H. vielleicht nicht allein gehandelt? Gab es einen Komplizen? Oder ist sie, wie ihr Anwalt seit Wochen betont, Opfer einer Verkettung unglücklicher Umstände?.
Der Verteidiger von Gina H. meldete sich noch am selben Tag zu Wort und erklärte knapp, die neuen Erkenntnisse „stützten die Annahme, dass es weitere Personen im Umfeld gegeben haben könnte“.
Für Dorina L. ist diese Nachricht ein Schock, aber kein Trost. Ihre Anwältin fasst die Lage zusammen: „Es ändert nichts daran, dass Ihr Kind tot ist, aber es wirft neue Fragen auf“. Die Öffentlichkeit, die sich bereits ein eindeutiges Bild gemacht hatte, begann zu schwanken: Könnte Gina H. unschuldig sein? Diese Frage stand plötzlich im Raum.
Das rätselhafte Beweisstück: Der verbrannte Handschuh
Als wäre die unbekannte DNA nicht genug, fand die akribische Arbeit der Forensiker ein weiteres, entscheidendes Puzzleteil: Spuren von Benzin an einem der Beweisstücke, das zuvor aus dem Haus von Gina H. stammte. Es handelte sich um einen Handschuh – stark beschädigt, teilweise verschmort. Die Experten nennen ihn den „verbrannten Handschuh“.
Dieses Indiz wirft die beunruhigende Frage auf: Wurde der Handschuh benutzt, um Spuren zu verwischen?. Das Vorhandensein von Benzinspuren und Brandspuren in unmittelbarem Zusammenhang mit einem Gegenstand aus dem Haus der Verdächtigen – zusammen mit einer unbekannten männlichen DNA am Tatort – verstärkt die Theorie, dass Gina H. nicht allein gewesen sein könnte.
Die Ermittler prüfen nun, wer in den Tagen um den 10. Oktober in Reimershagen mobilfunktechnisch aktiv war. Funkzellenanalysen, Datenabgleich, digitale Forensik – alles läuft auf Hochtouren. Die Theorie eines Komplizen gewinnt an Gewicht, während sich gleichzeitig Hinweise verdichten, dass jemand versucht haben könnte, die Tat zu inszenieren.
Für Dorina L. aber steht nur eines fest: Sie will, dass endlich alles aufgedeckt wird, egal wie sehr es weh tut. Ihre Hoffnung ist nicht auf Rache, sondern auf Prävention ausgerichtet: „Ich will nicht, dass es noch einmal ein Kind trifft.“.
Epilog: Das Zerbrechen der einfachen Wahrheit
Der Fall Fabian ist längst mehr als ein Kriminalfall. Er ist ein Spiegel für das Vertrauen, das wir anderen schenken, und für das, was geschieht, wenn dieses Vertrauen zerstört wird. Trotz der Festnahme und trotz des dringenden Tatverdachts gegen Gina H. bleibt der Fall offen und voller Ungewissheit.
Die Entdeckung der unbekannten männlichen DNA und des verbrannten Handschuhs hat die vermeintlich einfache Wahrheit, die viele bereits für sich gefunden hatten, zerbrochen. Es hat gezeigt, wie dünn die Grenze zwischen Nähe und Misstrauen sein kann und wie schwer es ist, Wahrheit von Vermutung zu trennen.
Wann erste Zwischenergebnisse zur DNA-Spur und zum Handschuh veröffentlicht werden, ist unklar. Doch bis dahin gilt mehr denn je: Keine Vorverurteilungen, kein vorschnelles Urteil. Die Geschichte von Fabian und dem Verrat des „zweiten Zuhauses“ hat uns gelehrt, dass die Wahrheit oft in komplexen, schwer fassbaren Fragmenten liegt. Die Öffentlichkeit wartet, während die Ermittler methodisch und akribisch gegen das Dunkel kämpfen, um Licht in das unfassbare Geschehen zu bringen.