Mordfall Fabian (†8): Verdächtige bricht genau im entscheidenden Moment zusammen–Zufall oder Taktik?

Die verlorene Chance: Der Schatten auf dem Bild

Die tatsächliche Dramatik des 15. Novembers liegt jedoch in einem Detail, das Gina H. möglicherweise nicht vorhersehen konnte: Die Ermittler hatten ein Ass im Ärmel.

Parallel zur Befragung zur Zeitlücke hatte die Staatsanwaltschaft ein neues, sensibles Beweismittel vorbereitet: eine aktualisierte Analyse eines Kameraausschnitts aus der Nähe des Radwegs, der in früheren Ermittlungen als irrelevant eingestuft wurde. Ein technischer Experte hatte die Sequenz nachbearbeitet, Helligkeit und Kontrast angepasst. Das Ergebnis: Keine eindeutige Identifizierung, aber ein Umriss, der in seiner Statur zu der Beschuldigten passen könnte. Dieses Material sollte Gina H. heute vorgelegt werden – allerdings erst nach den Fragen zur Zeitlücke.

Der Zusammenbruch verhinderte jede Möglichkeit, ihre spontane Reaktion auf das neue Material zu prüfen. “Wir wollten sehen, wie sie reagiert”, zitiert unsere Redaktion einen anonym bleiben wollenden Ermittler. “Der Zusammenbruch verhindert jede Möglichkeit, ihre spontane Reaktion auf das neue Material zu prüfen. Das ist heute nicht mehr möglich”. Eine unersetzliche Chance, die Wahrheit durch eine unmittelbare emotionale Regung zu entlocken, war vertan. Die Ermittlerin mussten frustriert abbrechen.

Die Nacht der Rätsel: Wiederherstellung und beunruhigende Fragen

Was nach dem Zusammenbruch geschah, verstärkte den Verdacht der Ermittler erst richtig. Gegen frühen Abend stabilisierte sich Gina H.’s Kreislauf. Während sie am Vormittag kaum ansprechbar war, zeigte sie am späten Abend eine deutlich veränderte Haltung: ruhig, geordnet, ihre Bewegungen kontrolliert. Die schnelle körperliche Stabilisierung stellte die Frage, ob der Zusammenbruch tatsächlich ausschließlich medizinisch bedingt war oder ob er in direktem Zusammenhang mit der verhängnisvollen Zeitlücke stand.

In den Akten ist vermerkt, dass Gina H. sich am Abend erstmals nach dem Fortgang des Verfahrens erkundigte und die Frage stellte, ob weitere Gespräche geplant seien. Eine Beamtin beschreibt: “Sie wirkte, als wolle sie wissen, wie viel Zeit ihr bleibt”. Doch ein Detail sorgte in der JVA für ein regelrechtes Stirnrunzeln: Als eine Justizbeamtin die Tür zur Zelle schließen wollte, soll Gina H. leise gefragt haben, ob “bestimmte Unterlagen bereits an die Staatsanwaltschaft geschickt worden” seien.

Welche Unterlagen meinte sie? Exakt an diesem Tag sollte die rekonstruierte Kameraufnahme aus dem Bereich des Radwegs erstmals in einer Befragung eingesetzt werden. Die Tatsache, dass sich die Beschuldigte nach Dokumenten erkundigte, die nach bisherigen Kenntnissen nur den Ermittlern bekannt waren, gab dem Fall eine zusätzliche Schwere.

Der Twist: Die 30 Sekunden der Wachsamkeit

Am Morgen des 16. November sichten Ermittler erneut das Videomaterial, diesmal mit einem neuen, gnadenlosen Fokus: die Minuten vor dem Kollaps.

Was sie sehen, ist ein eklatanter Widerspruch. Auf einer Sequenz lehnt Gina H. kurz vor ihrem Einbruch an einer Wand. Sie wirkt nicht schwankend oder instabil, sondern ruhig, fast konzentriert. Sie blickt nach unten, dann zum Eingang des Befragungsbereichs und schließlich hebt sie den Kopf, als würde sie auf etwas oder jemanden reagieren, der außerhalb des Kamerawinkels steht. Die interne Notiz lautet: “Verdächtige wirkt nicht entkräftet, sondern wachsam und aufmerksam“.

Nur 30 Sekunden später, die Szene, die zur Unterbrechung führte: Sie bricht zusammen, als wäre jede Kraft aus ihr gewichen. Der leitende Kriminalbeamte fasste die innere Erkenntnis der Kollegen zusammen: “Es ist nicht die Tatsache, dass sie zusammengebrochen ist, die uns beschäftigt. Es ist die Präzision, mit der es passiert ist”.

Dieser Twist, gepaart mit der beunruhigenden Tatsache, dass die Zugangsdaten zum Befragungsplan am Abend des 15. November geöffnet wurden, nachdem Gina H. in ihre Zelle zurückgekehrt war, lässt die Ermittler zu einer neuen Arbeitsthese kommen: Der Zusammenbruch könnte in seiner Intensität authentisch gewesen sein, aber der Zeitpunkt war möglicherweise nicht zufällig.

Ein JVA-Psychologe lieferte die letzte Puzzlestück, indem er nach einem Gespräch am Morgen des 16. November notierte, Gina H. habe gesagt, sie fühle sich “nicht bereit für schwierige Gespräche”, obwohl sie physisch stabil war. Ein realer medizinischer Zusammenbruch passiert plötzlich, ohne mentale Vorbereitung. Ein taktischer Zusammenbruch hingegen entsteht in dem Moment, in dem eine Person erkennt, dass sie eine Situation nicht kontrollieren kann.

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