Die Zäsur der Stille: Fabians Tod und der Verrat aus dem engsten Kreis
Der Fall des achtjährigen Fabian aus Güstro hat Deutschland in einen Zustand kollektiven Schocks versetzt. Es ist die Geschichte eines Kindes, das am 10. Oktober spurlos verschwand und dessen kleine Leiche vier Tage später, verbrannt an einem Tümpel bei Klein Upahl, aufgefunden wurde. Ein grauenvolles Verbrechen, das an Brutalität und Herzlosigkeit kaum zu überbieten ist. Doch das wahrhaft Verstörende an diesem Fall ist nicht nur die Tat selbst, sondern die Person, die nun als Hauptverdächtige in Untersuchungshaft sitzt: Gina H., die Ex-Freundin von Fabians Vater.
Nach Wochen quälender Ungewissheit, in denen die kriminalistischen Details – die Spurensicherungen, die Ermittlungen, die fieberhafte Suche – dominierten, bricht nun die juristische Vertreterin von Fabians Mutter, Anwältin Christine Habiter, ihr Schweigen. Ihre Aussagen sind keine nüchternen Aktennotizen; sie sind eine schonungslose Analyse des emotionalen Abgrunds, in den die Familie gestoßen wurde. Sie beschreiben einen Vertrauensbruch von solch katastrophaler Tiefe, dass er das Weltbild der Betroffenen bis in die Grundfesten erschüttert.
Die Anwältin spricht von einer „Zäsur“, einem tiefen Einschnitt, und enthüllt die überraschende, fast widersprüchliche Gefühlslage ihrer Mandantin nach der Festnahme von Gina H.: „Gemischt.“ Dieses Wort – gemischt – in Anbetracht des dringenden Tatverdachts im Mordfall des eigenen Kindes, ist der Schlüssel zum Verständnis der psychologischen Verheerung, die dieser Fall hinterlässt.

Bestürzung und Erleichterung: Die gemischten Gefühle einer Mutter
Auf der einen Seite steht die Bestürzung, der Schock, das nackte Entsetzen. Ein Gefühl, das jeder nachvollziehen kann. Das eigene Kind, ermordet, und die mutmaßliche Täterin ist jemand, den man kannte, dem man vertraut und dem man sein Kind anvertraut hat. Es ist ein Szenario, das dem Albtraum jedes Elternteils entsprungen scheint. Frau Habiter beschreibt es als einen kompletten Zusammenbruch des Weltbildes. Die Gewissheit, dass man die größte Gefahr für sein Kind nicht in einem fremden Unbekannten, sondern im eigenen, engsten Umfeld übersehen hat, muss die Mutter innerlich zerreißen. Sie kämpft unweigerlich mit der quälenden Frage: „Hätte ich etwas bemerken müssen?“
Doch auf der anderen Seite steht die von der Anwältin betonte Erleichterung. Diese Erleichterung ist kein Ausdruck von Freude, sondern die Folge einer monatelangen Ungewissheit, die zermürbt und lähmt. Es ist die Erleichterung darüber, dass das Vakuum des Nichtwissens endlich gefüllt wird, dass die Ermittlungen eine konkrete Richtung einschlagen. Die Fragen ändern sich. Statt des verzweifelten „Wer war es?“, das sich auf jeden in der Umgebung projizieren ließ, steht nun das spezifischere: „War sie es wirklich? Warum hat sie es getan?“ Dieser Einschnitt, diese Zäsur, ermöglicht der Familie einen Ansatzpunkt, um mit der Verarbeitung zu beginnen, so unendlich schwer dieser Weg auch sein mag.
Das zweite Zuhause: Anatomie einer perfiden Täuschung
Um die Tragweite dieses Vertrauensbruchs zu begreifen, muss man die Beziehung zwischen Fabian und Gina H. verstehen. Es war keine flüchtige Bekanntschaft. Gina H. war über mehrere Jahre die feste Partnerin von Fabians Vater, Matthias R. Sie war eine etablierte Figur im Leben des Jungen. Gina H. selbst hat einen Sohn im Alter Fabians, was die Dynamik in der Patchwork-Konstellation vertiefte. Es gab gemeinsame Ausflüge, gemeinsame Hobbys (die Pferde in Reimershagen), und einen geteilten Alltag.
Die Anwältin benutzt ein Wort, das in diesem Kontext wie ein Schlag in die Magengrube wirkt: Sie sagt, für Fabian sei es bei Gina H. eine „Art zweites Zuhause“ gewesen.
Ein zweites Zuhause – das bedeutet Geborgenheit, Vertrauen, Sicherheit. Es ist der Ort, an dem sich ein Kind entspannen und es selbst sein kann. Dieser Ort der vermeintlichen Sicherheit, in Reimershagen, ist derselbe Ort, in dessen Nähe Fabians Leiche gefunden wurde, derselbe Ort, der nun im Zentrum der Mordermittlungen steht. Die Ironie und die Perfidie dieses Umstandes sind kaum zu ertragen.
Der zentrale Punkt, den Christine Habiter unmissverständlich klarstellt, ist das unerschütterliche Vertrauen der Mutter. Sie hatte Gina H. als „dem Kind eigentlich zugetan“ wahrgenommen. Dieses Vertrauen war so groß, dass sie den Umgang Fabians mit Gina H. auch nach der Trennung von Fabians Vater weiter zuließ.