Der übersehene Schatten: Ein Unbekannter füllt die Lücke
Durch die gemeinsame Rekonstruktion mit Gina H., die unter dem Druck der Öffentlichkeit zwischen Resignation und Abwehr schwankte, stieß Om auf einen entscheidenden, bisher übersehenen Namen. Es handelte sich um eine Person, die weder in den Medien noch in den Ermittlungsvermerken eine Rolle gespielt hatte. Ein entfernter Verwandter oder Bekannter, der durch bestimmte Umstände eine Nähe zum familiären Umfeld hatte.
Dieser Name füllte eine Lücke in der Logik. Om forderte technische Daten erneut an und verglich die Bewegungsmuster dieser Person. Die Erkenntnis war schockierend: Die Bewegungen überlappten sich an mehreren Stellen mit jenen Zeitpunkten, die für eine alleinige Täterschaft seiner Mandantin problematisch waren.
Noch bedeutsamer war jedoch Oms Fund in einem internen Vermerk: Genau diese Person war von der ursprünglichen Befragung ausgeschlossen worden, weil „kein Ermittlungsansatz bestand“. In diesem Augenblick veränderte sich die gesamte Perspektive des Falles. Während Gina H. innerhalb weniger Tage in U-Haft gebracht wurde, war eine Person mit geografischer Nähe, zeitlicher Übereinstimmung und relevanten Kontakten nicht einmal als Option geprüft worden.
Die unbeantwortete Frage Om’s war so einfach wie explosiv: Warum wurde diese Person nicht überprüft? Das Schweigen, das darauf folgte, sprach lauter als jede Erklärung. Om begriff: Die Indizienkette war nicht nur unvollständig, sie konnte in ihrer Grundstruktur falsch gewichtet sein.
Der Twist: Wer hatte ein Interesse an der Engführung?
Die Eskalation gipfelte im Moment der Retraktion eines Zeugen. Ein Mann, der in den frühen Wochen eine vage, aber zeitlich relevante Beobachtung am Waldrand geschildert hatte, verweigerte im zweiten Gespräch jede Aussage. Om spürte sofort: Dies war nicht die Unsicherheit eines alten Mannes, sondern das bewusste Zurückziehen eines Elements, das an Bedeutung gewonnen hatte.
Und in dem Moment, in dem der Zeuge schwieg, stellte sich Om die entscheidende Frage: Was, wenn jemand ein Interesse daran hatte, dass die Ermittlungen eng blieben?
Der Twist in diesem Fall ist somit nicht die Frage, ob Gina H. die Tat begangen hat oder nicht. Die Frage ist nun, warum schien jemand daran interessiert zu sein, dass ausschließlich sie im Fokus blieb?
Om strukturierte seine Strategie neu. Er forderte die Ermittlungen nicht nur zur Präzisierung, sondern zur Kurskorrektur auf. Der Fall Fabian ist damit nicht nur ein Strafverfahren, sondern eine Geschichte, die sich in zwei Richtungen öffnen kann. Om ist zum stillen Gegenspieler eines Narrativs geworden, das sich in den Köpfen der Öffentlichkeit bereits verfestigt hatte. Er erkannte, dass die Kraft dieser Erkenntnis nicht darin lag, eine neue Schuld zu behaupten, sondern den Raum für eine komplexere Wahrheit wieder zu öffnen.
Die Frage, die sich nun wie ein leiser Strom durch die Gedanken des Verteidigers zieht und das Verfahren prägen wird, lautet: „Wer fehlt in diesem Bild und warum?“ Der Fall ist nicht klarer geworden, aber ehrlicher. Eine Wahrheit, die nur in eine Richtung weist, ist selten vollständig.