Der diplomatische Donnerschlag: Eine Partei am Rand des Verratsvorwurfs
BERLIN/SOTSCHI. Es ist ein Szenario, das die deutsche Politiklandschaft in ihren Grundfesten erschüttert und die ohnehin schon tiefe Spaltung des Landes weiter vorantreibt. Die Nachricht, die Anfang November 2025 die Runde machte, hatte die Wucht einer diplomatischen Bombe: Mehrere hochrangige Politiker der Alternative für Deutschland (AfD) planten eine Reise ins russische Sotschi, um an einer Konferenz teilzunehmen – ein Treffen mit dem ehemaligen russischen Präsidenten und heutigen Vizechef des russischen Sicherheitsrates, Dmitri Medwedew, eingeschlossen [Einleitung].
Was folgte, war ein Tsunami medialer und politischer Empörung. Doch während der sogenannte „Mainstream“ auf die Partei eindrosch, spielte sich das wahre Drama hinter den Kulissen ab: ein interner Machtkampf, ein „riesiger Knall“, der die Partei vor eine Zerreißprobe stellt und in einem klaren, wenn auch nicht öffentlichen, Machtwort der Parteiführung gipfelte [Machtkampf]. Die Sotschi-Affäre ist mehr als nur eine weitere Kontroverse; sie ist ein Brennglas, das die fundamentalen Widersprüche, die ideologischen Gräben und die strategische Zerrissenheit der größten Oppositionspartei Deutschlands schonungslos offenlegt.

Von Sotschi nach Landesverrat: Die offene Provokation
Die Fakten, die zuerst durch Berichte des ARD-Hauptstadtstudios an die Öffentlichkeit gelangten, waren brisant. Eine Delegation, bestehend aus den Bundestagsabgeordneten Steffen Kotré und Rainer Rothfuß, dem sächsischen AfD-Landeschef Jörg Urban und dem Europaabgeordneten Hans Neuhoff, plante die Teilnahme am „Brics-Europa-Symposium“ in der russischen Schwarzmeerstadt [Delegation].
Inmitten des andauernden, brutalen Krieges in der Ukraine wirkte diese Reiseplanung wie eine gezielte Provokation. Die Intention der Abgeordneten war dabei kaum verschleiert. Jörg Urban erklärte öffentlich, die Russland-Sanktionen schadeten Deutschland erheblich und kündigte an: „Sobald die AfD Regierungsverantwortung übernimmt, werden wir sie aufheben.“ [Urban-Zitat] Die offizielle Lesart, es gehe lediglich um das Offenhalten von „Gesprächskanälen“, verfing angesichts der klaren außenpolitischen Positionierung nicht.
Die Reaktion der politischen Konkurrenz war vernichtend und gipfelte in dem Vorwurf, der im politischen Diskurs das absolute Maximum darstellt: „Landesverrat“ [Landesverrat]. CSU-Generalsekretär Martin Huber warf den AfD-Politikern vor, sie reisten nach Russland, „um mit dem Kreml über die Durchsetzung russischer Interessen zu sprechen“ [Huber]. CDU-Außenpolitiker Roderich Kiesewetter bezeichnete die Reisenden als „Instrument im hybriden Krieg Russlands gegen Deutschland und Europa“ [Kiesewetter] und brachte sogar ein Überprüfungsverfahren ins Spiel. Für die Kritiker war dies der endgültige Beweis: Die AfD ist kein politischer Gegner mehr, sondern ein Agent fremder Mächte.
Weidels Roter Knopf: Die Intervention der Pragmatiker
Während die öffentliche Schlacht tobte, warf ein AfD-naher YouTube-Kanal unter dem Titel „Mainstream Außer Kontrolle!“ zwar einen anderen Blick auf die Causa, bestätigte jedoch unabsichtlich das Ausmaß der internen Turbulenzen. Der Kommentator sprach von einem „riesigen Knall in der AfD“, versuchte die Vorgänge aber als „kleinen Richtungsstreit“ herunterzuspielen [YouTube].
Die Realität war jedoch, dass der wahre Affront und das explosive Element der Reise nicht die Konferenzteilnahme an sich war – diese hatte die Fraktion zuvor sogar unterstützt. Das Problem war das geplante Treffen mit Dmitri Medwedew [Medwedew-Affront]. Medwedew, der durch ultra-scharfe, hasserfüllte Drohungen gegen den Westen und die Ukraine auffällt, ist eine persona non grata in Westeuropa. Ein Foto von AfD-Politikern mit diesem Hardliner, zu diesem Zeitpunkt, wäre ein PR-Desaster von unkalkulierbarem Ausmaß gewesen.
Genau hier griff die Parteiführung um Alice Weidel und Tino Chrupalla ein [Weidel-Eingriff]. Wie „Der Spiegel“ berichtete, kam es zu einer klaren Intervention: Die AfD-Bundestagsfraktion erteilte keine Zustimmung für das geplante Treffen mit Medwedew. Die Diskussionsrunde mit dem Scharfmacher wurde abgesagt. Die Politiker, die eben noch den Dialog mit Moskau beschworen, mussten „zurückrudern“ [Zurückrudern].
Dies war kein „basisdemokratischer“ Prozess. Es war ein hartes Durchgreifen der Parteispitze, die erkannte, dass die außenpolitischen Alleingänge einzelner Abgeordneter drohten, die gesamte Partei in den Abgrund zu reißen [Durchgreifen]. Alice Weidel, die Pragmatikerin, die die Partei als wählbare Alternative zur Union positionieren will, drückte den roten Knopf.