Der ideologische Graben: Pragmatiker gegen Putin-Versteher
Die Sotschi-Affäre legt den fundamentalen Riss offen, der durch die AfD geht – ein Konflikt zwischen zwei unvereinbaren Seelen in einer Partei.
Auf der einen Seite steht der „patriotisch-pragmatische“ Flügel um Alice Weidel [Weidel-Flügel]. Dieser Flügel konzentriert sich auf die Kernthemen Migration und Wirtschaft. Er will die Machtoption und weiß, dass dies nur durch eine zumindest oberflächliche Mäßigung und die Gewinnung bürgerlicher Wählerschichten möglich ist. Für diesen Flügel sind prorussische Eskapaden pures Gift, da sie unentschlossene Wähler abschrecken und der Konkurrenz perfekte Angriffsflächen bieten.
Auf der anderen Seite steht der „fundamental-ideologische“ Flügel [Fundament-Flügel], oft als „Moskau-freundlich“ oder „Putin-nah“ bezeichnet. Vertreter wie Urban, Kotré und Rothfuß sehen in Russland einen natürlichen Verbündeten, einen Hort konservativer Werte und ein Gegengewicht zur liberalen Hegemonie der USA und der EU. Für sie ist der Bruch mit Russland ein historischer Fehler, die Sanktionen sind „schädlich“, und der Dialog mit Moskau ist eine ideologische Notwendigkeit, die wichtiger ist als jede kurzfristige PR-Überlegung. Dieser Flügel wird oft durch einen tief verwurzelten Antiamerikanismus angetrieben.
Bisher konnte die Parteiführung diesen Konflikt mehr schlecht als recht moderieren. Doch der Ukraine-Krieg hat ihn unüberbrückbar gemacht. Die Sotschi-Reise war der Versuch des ideologischen Flügels, Fakten zu schaffen und die Parteilinie nach Osten zu verschieben. Weidels Verbot des Medwedew-Treffens war die ebenso klare Antwort: Bis hierhin und nicht weiter.
Fazit: Ein Pyrrhussieg und der Krieg innerhalb der AfD
Alice Weidel hat den unmittelbaren PR-Super-GAU verhindert [Pyrrhussieg]. Es wird keine Bilder von AfD-Politikern mit Dmitri Medwedew geben. Doch der Preis ist hoch: Die Affäre hat gezeigt, wie tief der Graben in der Partei ist und wie schwer die ideologischen Ränder zu kontrollieren sind. Die „Mainstream-Medien“ haben mit ihrer harschen Kritik („Landesverrat“, „Marionette“) genau die Munition geliefert, die Weidel intern brauchte, um diesen Alleingang zu stoppen. Die mediale Empörung war in diesem Fall der Katalysator für die vorläufige, innerparteiliche Lösung.
Der „kleine Richtungsstreit“ ist in Wahrheit der Kernkonflikt der AfD. Er ist die Entscheidung zwischen einer radikalen, systemoppositionellen „Bewegung“, die ideologische Bündnisse mit anti-westlichen Mächten sucht, und einer „Partei“, die auf dem Boden der bundesrepublikanischen Realität um parlamentarische Macht kämpft [Kernkonflikt]. Die Sotschi-Affäre ist vorbei, doch dieser Krieg innerhalb der AfD hat gerade erst begonnen