Im Türrahmen stand Nathan Collins. Sein maßgeschneiderter Anzug war wie immer makellos, aber seine scharfen Augen waren weit aufgerissen vor Schock. Sein Gesicht war eine Maske aus Unglauben und aufsteigendem Zorn.
Für einen Moment sprach niemand. Das einzige Geräusch war das sanfte Schmatzen von Emma, die friedlich trank, völlig unbewusst der Spannung, die in der Luft knisterte wie Elektrizität vor einem Gewitter.
„Was tust du da?“, fragte er. Seine Stimme war leise, aber gefährlich. Ein Grollen, das aus der Tiefe seiner Brust kam.
Janelles Mund wurde trocken. Sie zog hastig ihre Bluse zusammen, um sich zu bedecken, aber Emma wimmerte protestierend, als die Nahrungsquelle entzogen wurde.
„Sir, ich… ich kann es erklären.“
„Erklären?“ Seine Augen verengten sich. Er trat in den Raum, seine Präsenz füllte ihn aus und ließ ihn kleiner wirken. „Ich gehe für einen Tag weg und komme nach Hause, um mein Dienstmädchen zu finden, das mein Kind stillt?“
Seine Stimme erhob sich mit jedem Wort, donnernd und schneidend. „Haben Sie den Verstand verloren?“
Janelle spürte, wie sich ihre Kehle zuschnürte. Die Angst, ihren Job zu verlieren, war riesig, aber die Angst um das Baby war größer.
„Sie hat nicht gegessen“, sagte sie leise, ihre Stimme zitterte. „Sie hat die Flasche stundenlang verweigert. Sie schrie vor Schmerzen. Ich wusste nicht, was ich sonst tun sollte. Sie brauchte Milch.“
„Glauben Sie, das ist Ihr Platz?“, bellte er. „Meine Tochter zu füttern, als wäre sie Ihre eigene? Das ist eine Grenze, die Sie nicht überschreiten dürfen!“
„Sie verhungerte!“, schnappte Janelle zurück, bevor sie sich stoppen konnte.
Die Worte hingen in der Luft, mutig und trotzig.
Nathan Collins starrte sie an. Niemand widersprach ihm. Niemals. Sein Gesicht war unlesbar, eine Mischung aus Wut und Verwirrung.
Janelle blickte auf Emma hinab, die nun eingeschlafen war, ihre kleine Faust ruhte vertrauensvoll auf Janelles Brust. Der Anblick gab ihr Kraft.
„Feuern Sie mich, wenn Sie wollen“, flüsterte Janelle, und eine einzelne Träne rollte über ihre Wange. „Aber sie brauchte mich. Und ich konnte sie nicht leiden sehen.“
Nathan nahm einen tiefen Atemzug. Sein Blick wanderte von Janelles trotzigem Gesicht zu seiner schlafenden Tochter. Für den Bruchteil einer Sekunde weichte der harte Ausdruck in seinen Augen auf.
„Sie haben das vor mir verheimlicht“, sagte er, seine Stimme war jetzt ruhiger, aber immer noch angespannt. „Warum?“
Janelles Lippen bebten. „Weil Sie es nicht verstehen würden“, sagte sie. „Und weil… weil ich vor drei Monaten mein eigenes Baby verloren habe.“
Nathan erstarrte. Die Stille im Raum wurde schwer. „Sie… was?“
„Ich habe meinen Sohn begraben“, flüsterte sie. Die Tränen flossen nun frei. „Und ich hatte immer noch Milch. Mein Körper hörte nicht auf, Mutter zu sein, auch wenn mein Kind fort war. Als ich Ihre Tochter leiden sah, wie sie nach Nahrung suchte, die die Flasche ihr nicht geben konnte… ich konnte mich nicht abwenden.“
Der Raum fiel in Schweigen, nur unterbrochen vom sanften Atmen des Babys.
Nathan Collins sah sie lange an. Es war, als würde er sie zum ersten Mal wirklich sehen – nicht als Angestellte in einer Uniform, sondern als Mensch, als Mutter, die einen Schmerz trug, der seinem eigenen so ähnlich war.
Er wandte sich ab und ging zum Fenster, den Rücken zu ihr gekehrt.
„Bringen Sie sie in mein Büro, wenn sie aufwacht“, sagte er steif. „Wir müssen reden.“
Als er ging, fühlte Janelle, wie ihr Herz sank. War das das Ende? Oder der Anfang von etwas, das sie sich noch nicht vorstellen konnte?
Janelle saß steif auf der Kante eines schweren Lederstuhls in Mr. Collins’ Büro. Ihre Finger drehten nervös den Saum ihrer Schürze. Jede Sekunde fühlte sich an wie eine Stunde. Sie spielte seine Worte immer wieder ab: Wir müssen reden.
Was würde er sagen? Würde er sie anschreien? Die Polizei rufen wegen Übergriffigkeit?
Das Geräusch seiner schweren Schritte ließ ihren Magen krampfen. Er kam langsam herein und schloss die Tür hinter sich mit einem leisen Klicken. Emma schlief friedlich in einem kleinen Korb, den Janelle mitgebracht hatte.