Am nächsten Morgen war der Himmel immer noch ein trübes Grau, und der Schnee hatte sich bis zum Zaun aufgetürmt. Als Elias die Tür öffnete, schlug ihm die Kälte entgegen. Er hatte vorgehabt, die drei zu wecken und sie weiterzuschicken. Die Hütte hatte nicht genug Vorräte für vier Personen.
Doch als er sich dem Ofen näherte, erstarrte er. Die jüngste, Tea, lag zusammengekauert auf dem Boden, ihr Körper bebte heftig. Ihr Gesicht glühte rot, und ihr Atem kam in kurzen, flachen Stößen. Elias berührte sanft ihre Stirn. Sie brannte.
„Sie hat Fieber“, sagte er leise zu Sila. Die älteste Schwester blickte auf, ihre Augen voller Furcht und Verzweiflung. „Bitte. Lasst uns noch ein paar Tage bleiben. Nur bis es ihr besser geht.“
Elias sah in die drei Gesichter. Ausgehungert, erschöpft, aber immer noch voller Würde. Er stieß einen langen Seufzer aus und stellte sein Gewehr ab. „In Ordnung. Aber ihr müsst mit anpacken.“
Von diesem Tag an begann die einst stille Hütte, von Schritten und der Präsenz des Lebens zu widerhallen. Nara übernahm das Kochen. Selbst mit nichts als getrockneten Bohnen und Maismehl gelang es ihr, Mahlzeiten zuzubereiten, die nach Rauch und Holz dufteten und Elias zum ersten Mal seit Langem wieder genießen ließen.
Sila half ihm draußen, hackte Holz und reparierte den Stall. Ihre Hände waren rau, aber sicher. Jeder Schwung der Axt war fest und selbstbewusst, wie bei jemandem, der sein Leben in der Wildnis verbracht hatte. Elias war überrascht zu sehen, wie gut sie mit der schweren Arbeit zurechtkam.
Während die Tage vergingen, saßen sie abends zusammen. Nara summte leise Apache-Lieder, während Elias sein Messer schärfte und zuhörte. Der Gesang war leise, aber süß und vermischte sich mit dem Heulen des Windes.
Als drei Tage vergangen waren und Teas Fieber gebrochen war, brach Sila das Schweigen. „Wir lebten südlich der Berge“, sagte sie, ihre Augen auf das Feuer gerichtet. „Mein Stamm geriet zwischen die Siedler und die Soldaten. Eines Nachts kamen sie und brannten alles nieder. Meine Eltern wurden erschossen.“ Sie hielt inne, ihre Stimme brach. „Sie sagten, ich sei verflucht, weil ich überlebt habe. Sie jagten uns aus dem Lager.“
Elias legte das Messer beiseite. Das Feuer spiegelte sich in seinen grauen Augen. „Ich verstehe“, sagte er leise. „Ich habe auch alles verloren. Es war die Krankheit. Meine zwei Kleinen… starben in einer einzigen Woche. Und meine Frau… sie konnte es nicht ertragen. Sie folgte ihnen bald darauf.“
In der Stille, die folgte, entstand ein Band. Ein Verständnis zwischen denen, die die Welt verstoßen hatte.
In der vierten Nacht kehrte der Sturm mit voller Wucht zurück. Der Wind heulte wie ein verwundetes Tier. Schnee hämmerte gegen die Wände. Elias sprang auf. „Sila, hilf mir, die Tür zu verbarrikadieren! Wenn der Wind stärker wird, reißt er die Wände ein!“
Sie stürzten hinaus in das Chaos. Der Schnee peitschte ihnen wie Messerstiche ins Gesicht. Die Scheunentür schlug wild im Wind. Sie kämpften darum, sie zu sichern, banden sie mit Seilen fest und nagelten Bretter davor. Ein donnerndes Krachen. Ein Brett an der Ostwand brach los. Sila warf sich dagegen, Elias neben ihr, um es zurückzudrücken.
Für einen Sekundenbruchteil drückten sich ihre Hände auf dem schweren Holzbalken zusammen. Schulter an Schulter, ihre Haut war eiskalt, doch dort, wo sie sich berührten, stieg eine seltsame Wärme auf.
Als sie fertig waren, brach Sila auf der Veranda zusammen, ihr Atem stieß in Wolken aus. Elias half ihr hoch. „Es geht schon“, sagte sie heiser. „Ich dachte, ich würde im Schnee sterben. Aber jetzt nicht mehr.“
Zurück in der Hütte, saß Elias neben dem Ofen und beobachtete Sila, wie sie sich die Tropfen aus dem Haar wischte. Sie blickte auf und traf seinen Blick. In diesem Moment gab es keine Fremden mehr, nur zwei Seelen, die sich im Herzen eines brutalen Winters gefunden hatten. Als Sila ein weiteres Holzscheit nachlegen wollte, streifte Elias’ Hand erneut die ihre.
Diesmal zog keiner von beiden sie zurück.