Der Regen kam plötzlich. Elias und Sana hatten es gerade geschafft, das Vieh in die Scheune zu treiben, als der Sturm losbrach. Er betrat die Hütte, das Hemd durchnässt. Sana folgte ihm, das Wasser lief ihr von den Haaren. „Komm rein, sonst erfrierst du“, sagte Elias und legte Holz nach. Sie trat vor das Feuer, die Wärme aufsaugend. Elias füllte zwei Zinnbecher mit Whiskey und schob ihr einen hin. Sie nahm ihn und nippte daran.
„Ich hatte eine Frau“, sagte Elias leise in die Stille hinein. „Sie ist vor drei Jahren am Fieber gestorben. Seitdem bin ich allein.“ Sana sah ihn nicht an, aber ihre Finger schlossen sich fester um den Becher. „Man sagte mir, ich solle das Land verkaufen“, fuhr er fort. „Aber ich konnte nicht. Ich habe sie hier begraben. Das hier… ist alles, was mir geblieben ist.“
Lange war es still. Schließlich setzte Sana ihren Becher ab. Als sie sprach, klang ihre Stimme tief und rau. „Sie nannten mich Unglücksbringerin. Ein Mann aus meinem Stamm tat mir Gewalt an, als ich jung war. Statt ihn zu bestrafen, stießen sie mich aus. Sie sagten, ich hätte das Volk besudelt.“
Zum ersten Mal sah Elias einen Riss in ihrer undurchdringlichen Fassade. Es war roher Schmerz. Er nickte langsam. „Sie hatten Unrecht.“ Sana drehte sich zu ihm um, ihre dunklen Augen prüfend. „Hier“, sagte Elias bestimmt, „schickt dich niemand weg. Nicht, wenn du es nicht selbst willst.“
Das einzige Geräusch war der Regen, der auf das Holzdach trommelte. Sana wandte sich wieder dem Feuer zu, aber ihre Schultern wirkten entspannter, als hätte sie eine schwere Last abgelegt. In dieser Nacht schlief sie in der Hütte.
Die Hütte fühlte sich nicht länger wie ein Grabmal der Vergangenheit an. Sie wurde langsam wieder lebendig.
Tage später ritt Elias das Pferd in die Stadt Broken Mesa. „Komm mit mir“, sagte er zu Sana. „Warum?“ „Damit die Leute wissen, dass du nicht nur ein Geist bist, der hier draußen lebt.“
Als sie den Gemischtwarenladen betraten, verstummten die Gespräche. Ein paar Cowboys musterten Sana von Kopf bis Fuß – die breiten Schultern, die scharfen Augen. Der Ladenbesitzer räusperte sich. „Mr. Halt. Und Ihre… Begleitung.“ Elias nickte. „Das ist Sana. Sie lebt bei mir. Wer von nun an ein Problem mit ihr hat, hat es zuerst mit mir.“ Ein höhnisches Lachen kam aus einer Ecke. Ein Betrunkener torkelte auf. „Ein Weißer, der sich sowas ins Haus holt?“ Die Luft gefror. Sana stand da, ihr Gesicht wie Stein. Aber Elias trat vor und packte den Mann am Kragen. „Halt deinen Mund.“ Der Betrunkene spuckte aus. „Oder was?“ Elias’ Schlag traf ihn wie ein Blitz. Der Mann brach zusammen. Im Laden war es totenstill. „Noch jemand etwas zu sagen?“, fragte Elias in die Runde. Niemand antwortete.
Als sie hinaustraten, stand Toa an die Wand gelehnt. Er sah Elias an, dann Sana, und ein seltenes Lähcheln erschien auf seinem Gesicht. „Sie ist jetzt frei. Der Stamm hat keinen Anspruch mehr auf sie.“ Sana atmete tief aus, als fiele eine schwere Last von ihr ab.
Im späten Frühling wurde das Weideland endlich grün. Elias baute neue Zäune, während Sana hinter der Hütte einen kleinen Gemüsegarten anlegte. Das Geräusch von Hammerschlägen hallte durch das Tal, aber es war nicht mehr nur ein Mann. Es waren zwei Hände, die zusammenarbeiteten, zwei Schatten, die sich Seite an Seite bewegten.
Eines Morgens, als Elias zur Scheune ging, trat Sana ihm in den Weg. Ihre Hand ruhte auf ihrem Bauch. „Ich glaube“, sagte sie ruhig, „da ist ein Kind.“ Elias erstarrte für einen Herzschlag. Dann nickte er. „Dann brauchen wir ein weiteres Zimmer.“
Am nächsten Tag begannen sie mit dem Anbau.
Am Abend saßen sie auf der Veranda. Der Wind trug den Geruch von feuchter Erde herbei. Elias blickte auf das halbfertige Zimmer. „Es wird ein Fenster zur Weide haben. Damit das Kind das erste Morgenlicht sehen kann.“ Sana lächelte, ein seltenes, warmes Lächeln.
Als die Sonne hinter den Bergen versank, trat Elias neben sie und legte seine Hand auf ihre, die auf ihrem Bauch ruhte. „Diese Ranch“, sagte er leise, „war der Ort, an dem ich meine Vergangenheit begraben habe. Jetzt ist sie der Ort, an dem unsere Zukunft beginnt.“ Sana drehte sich zu ihm, ihre dunklen Augen glänzten im Abendlicht. „Weil es der Ort ist, den ich gewählt habe zu bleiben.“
Elias hörte nicht länger die Leere des Wüstenwindes, nur den langsamen, stetigen Atem eines Zuhauses, das endlich wieder lebendig war.