Ein obdachloser Teenager opfert sein letztes Essen für ein blindes Mädchen und trägt sie 10 Meilen auf dem Rücken durch den Regen. Er ahnt nicht, wessen Tochter er gerade gerettet hat.

“Soll ich dir eine Geschichte erzählen?”, fragte er plötzlich. Sie nickte. “Okay”, sagte Malik. “Es war einmal ein Mädchen, das konnte alles sehen. Nicht mit den Augen, sondern mit den Ohren. Sie hörte, wie sich Blätter bewegten, wenn der Wind glücklich war. Eines Tages verirrte sie sich, weit weg von zu Hause. Aber jemand fand sie. Jemand, der lange Zeit unsichtbar gewesen war. Er hatte keine Karte und kein Auto, aber er hatte auch Ohren. Und er versprach zu bleiben, bis sie nicht mehr verloren war.”

“Das ist eine gute Geschichte”, flüsterte Ava. “Ich arbeite noch am Ende”, sagte Malik. Sie schlief wieder ein.


Der Morgen kam grau und feucht. Malik wusste, dass sie nicht bleiben konnten. Er half Ava auf, bot ihr seinen Rücken an. “Will dir das nicht wehtun?” “Ich schaff das. Spring auf.” Sie kletterte auf seinen Rücken, und er stand auf. Sie war leicht. Zu leicht.

Er mied die Hauptstraßen, nahm Gassen und leere Grundstücke. Er kannte das Layout dieses Teils der Stadt wie seine Westentasche. Er wusste, wo die Kameras waren und welche Geschäfte die Polizei riefen.

In der Nähe des alten Bezirks blieb er vor einem Telefonreparaturladen stehen. Drinnen lief ein Fernseher. Zuerst waren es nur Nachrichten, doch dann wechselte das Bild. Malik erstarrte.

Ein Foto erschien. Ein kleines Mädchen, schmutziges rosa Kleid, geflochtene Haare. Ava.

Die Stimme des Moderators war gedämpft: “…seit Dienstag vermisst. Behörden sagen, sie könnte sich von ihrer Betreuungsperson im West End Park entfernt haben. Jeder mit Informationen…”

Malik starrte auf den Bildschirm. West End Park. Das war auf der anderen Seite der Stadt. Mindestens 10 Meilen.

Ava spürte seine Anspannung. “Was ist los?” “Sie suchen nach dir”, sagte er leise und trat zurück auf die Straße. “Wir finden dein richtiges Zuhause.”

Er hatte keine Adresse. Nur “West End Park”. Es gab Busse, sicher, aber kein Fahrer würde ihn so mitnehmen – barfuß, ohne Geld, ein Kind tragend, das nicht seines war.

Also ging er zu Fuß.

Und als sie die Überführung verließen, begann der Regen wieder. Nicht nur ein Nieseln, sondern ein kalter, stetiger Guss, der sich durch den Stoff fraß.

Malik zog eine zerrissene Plastikplane, die er gefunden hatte, über Avas Kopf und Schultern und hielt sie mit einer Hand fest. Er war es egal, dass sein eigener Pullover sofort durchnässt war, dass seine Jeans bei jedem Schritt an seinen Beinen klebte. Er spürte, wie sie zitterte.

Die Bürgersteige wurden zu Pfützen. Seine Schuhe quietschten. Der rechte war an der Zehe aufgerissen. Aber er ging weiter. An Tankstellen vorbei, an geschlossenen Läden, an einer Schule mit zerbrochenen Fenstern.

Die Leute starrten. Ein Mann im Regenmantel murmelte: “Wo ist ihre Mutter?” Malik hielt seinen Kopf gesenkt, das Wasser tropfte ihm von den Haaren.

Bei Meile sechs begann die Kälte, sich tief in seinem Rücken festzusetzen, und er fing an zu husten. Er ignorierte es. Er konzentrierte sich auf Avas Atmung, auf das vage Bild des Hauses aus dem Nachrichtenvideo. Irgendwo da draußen wartete jemand. Er würde sie dorthin bringen, selbst wenn er die letzte Meile kriechen müsste.

Bei Meile acht verdunkelte sich der Himmel erneut. Er hatte die Industriezonen verlassen. Die Bürgersteige waren breiter, die Rasenflächen gepflegt. Eine andere Welt.

“Fast da”, flüsterte er. Der letzte Anstieg fühlte sich an, als würde die Schwerkraft selbst sich gegen ihn stemmen. Seine Finger waren weiß und zitterten. Aber als er um die Ecke bog, wusste er es.

Da war es. Ein großes Eisentor zwischen zwei hohen Backsteinsäulen. Dahinter ein dreistöckiges Haus mit sanftem, gelbem Licht.

Malik trat an die Sprechanlage und drückte den Knopf. Ein Knistern. “Ja?” Maliks Kehle war trocken. “Ich… ich habe sie gefunden. Ava. Ich habe Ava gefunden.” Eine Sekunde Stille. Dann klickte der Lautsprecher. Das Tor schwang quietschend nach innen.

Er überquerte die Auffahrt. Die Haustür flog auf. Ein großer Mann in einem dunkelgrauen Anzug kam heraus, gefolgt von einer Frau im Morgenmantel, der bereits die Tränen über das Gesicht liefen.

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