Er kniff die Augen zusammen und blickte auf das ausgetrocknete Bachbett. Ein leises Geräusch. Dann brach eine große Gestalt aus dem Gestrüpp hervor und stolperte zu Boden. Reed hob sofort sein Gewehr und trat vorsichtig näher.
Es war eine Apache-Frau. Ihr Körper war mit Staub und getrocknetem Blut bedeckt, die Adern an ihren Armen traten hervor. Ihr Gesicht war sonnenverbrannt, aber ihre dunklen Augen brannten noch immer vor Feuer. Sie rang nach Luft, ihre Stimme war heiser vor Durst, als sie beide Hände hob.
„Schieß nicht!“, keuchte sie. „Ich kann dir Kinder gebären. Lass mich nur leben.“
An ihrem anderen Arm sah Reed eine blutunterlaufene Schwellung – ein Bruch, das Blut bereits getrocknet. Ihre Beine waren zerkratzt, aber sie hielt ihren Rücken gerade.
Reed stand regungslos da, der Gewehrlauf unbewegt. Ein Blitz der Erinnerung an seine verstorbene Frau durchfuhr ihn – jene Tage, als sie, genauso zerbrechlich, im Bett gelegen hatte.

Schließlich senkte Reed das Gewehr, löste die Feldflasche von seinem Gürtel und warf sie vor ihr in den Staub. „Trink. Dann komm mit.“
Tequina sagte nichts. Sie griff nach dem Wasser, trank es gierig aus und nickte dann. Reed drehte sich um und ging zurück zu seiner Ranch, wohl wissend, dass sein einsames Leben sich gerade unwiderruflich verändert hatte. Hinter ihm passten sich Tequinas Schritte, ungleichmäßig, aber stetig, dem Rhythmus seines eigenen Herzens an, das nun mit jedem Schritt härter schlug.
Tequina lag in der Ecke des Pferdestalls, den Rücken gegen die Holzwand gepresst. Ihre Augen waren in der Dunkelheit weit geöffnet, und ihre Hand umklammerte ein kleines Messer – wie ein wildes Tier, bereit zum Angriff, wenn man es in die Enge trieb.
Von der Veranda aus beobachtete Reed sie. Sein Schatten dehnte sich lang über den Hof. Er war es nicht gewohnt, jemand anderen auf seinem Land zu haben, besonders keine Apache-Frau, die in der Stadt als Feindin angesehen wurde.
Am nächsten Morgen, als Reed den Hof betrat, war Tequina längst wach. Sie holte Wasser vom Brunnen, wusch sich das Gesicht und begann dann, schweigend den Stall zu säubern. Niemand hatte es ihr befohlen.
Gegen Mittag brach ein junges Kalb durch den beschädigten Zaun. Reed hatte gerade das Lasso ergriffen, als Tequina an ihm vorbeischoss. Obwohl sie noch humpelte, trieb sie das Kalb mit schnellen, präzisen Bewegungen zurück in den Pferch. Als das Tor endlich geschlossen war, stand sie keuchend da, das Gesicht voller Schweiß und Staub, aber ihre Augen brannten vor Entschlossenheit.
Reed beobachtete sie lange. Er sagte nichts, nickte nur kurz und wandte sich wieder seiner Arbeit zu.
Als die Sonne unterging, entzündete Tequina ein kleines Feuer vor dem Stall. Reed kam mit einem Zinnbecher voll warmer Milch heraus und stellte ihn wortlos neben sie. Tequina blickte ihn an, ihr Blick war nicht mehr ganz so misstrauisch.
In dieser Nacht, als Reed auf der Veranda stand, hörte er den Wind über die Felder streichen und das leise Klappern von Holz aus dem Stall, als Tequina die Tür sicherte. Er erkannte, dass diese Ranch, einst nur von Stille erfüllt, nun einen zweiten Atem hatte – stark und trotzig. Und irgendwie fühlte sich der Ort dadurch weniger leer an.
Der Sommerwind frischte auf und trieb dunkle Wolken über den Himmel. Reed stapelte gerade Feuerholz, als er ein leises Husten aus dem Stall hörte. Er ging hinüber und fand Tequina auf dem Stroh sitzen, die Knie angezogen, die Stirn schweißnass.
„Du hast Fieber“, sagte Reed mit leiser Stimme.
Tequina blickte auf, die Augen instinktiv voller Argwohn, doch sie stieß seine Hand nicht weg, als er niederkniete, um ihre Wunde zu untersuchen. Der Schnitt an ihrer Wade war rot, geschwollen und eiterte.
Reed stand auf und brachte eine Schüssel mit heißem Wasser, ein Messer, das er in der Flamme rotglühend erhitzte, und ein sauberes Tuch. Tequina biss die Zähne zusammen, als er die Infektion vorsichtig öffnete, die Wunde reinigte und neu verband. Schweißperlen liefen ihr über die Wange, aber sie gab keinen Laut von sich.
Als er fertig war, legte er eine dicke Decke neben sie. „Ruh dich aus. Es wird heute Nacht regnen.“
Die Nacht brach herein und der Regen prasselte auf das Blechdach. Reed saß am Kaminfeuer in der Hütte und lauschte dem fernen Donner. Plötzlich sah er Tequinas Gestalt im Türrahmen. Ihre Kleidung klebte an ihrem Körper, durchnässt, die Decke hielt sie schützend vor sich.
„Komm rein“, sagte Reed und warf einen weiteren Scheit ins Feuer.
Tequina setzte sich an den Rand des Herdes und streckte ihre breiten Hände der Wärme entgegen. Das Feuerlicht warf Schatten auf ihr wettergegerbtes Gesicht. Nach langem Schweigen sprach sie mit heiserer Stimme.
„Ich wurde mit meiner jüngeren Schwester gefangen genommen. Sie haben uns wochenlang marschieren lassen. Meine Schwester… sie hat es nicht überlebt. Sie… sie haben sie verletzt. Ich habe mich losgeschnitten und bin gerannt. Seitdem habe ich nicht mehr geschlafen.“
Reed starrte in die Flammen. „Ich habe meine Frau und meinen Sohn ans Fieber verloren. Dieses Haus war früher voller Lachen. Jetzt ist es nur noch der Wind.“
Die beiden saßen schweigend da. Kein Trost, keine Versprechen. Nur das Feuer, das zwischen zwei Seelen brannte, die vom Schicksal zurückgelassen worden waren. Draußen wusch der Regen den Staub von der Erde. In der Hütte war die Stille nicht länger kalt. Sie fühlte sich an wie ein Schutz.
Am nächsten Morgen hingen die Wolken noch immer schwer über den Hügeln. Reed wollte den nördlichen Zaun kontrollieren, als er erstarrte. Auf dem feuchten Boden waren frische Hufabdrücke zu sehen. Drei Reiter. Kopfgeldjäger.
Er lud seine Winchester. Tequina kam aus dem Stall. „Was ist los?“ „Jemand war hier. Sie könnten zurückkommen. Diese Männer geben nicht leicht auf.“
Reed schwieg. Er wusste, das Sicherste wäre, sie wegzuschicken, um den Frieden auf seinem Land wiederherzuhaben. Aber als er Tequina ansah, die aufrecht dastand, das eine Bein noch steif vor Schmerz, die Augen unerschrocken, zog sich etwas in seiner Brust zusammen.
„Du kannst jetzt gehen“, sagte er langsam. „Wenn du schnell bist, finden sie deine Spur vielleicht nicht.“
Tequina sagte nichts. Sie bückte sich, nahm ihr altes Messer aus einer Holzkiste, prüfte die Klinge und schob sie zurück in die Scheide. „Ich bin lange genug gerannt“, sagte sie leise. „Wenn sie kommen wollen, werde ich warten.“
Reed sah sie lange an. Dann nickte er. „Dann machen wir uns bereit.“
Als die Nacht hereinbrach, saß Reed mit dem Gewehr auf der Veranda. Tequina saß an der Stalltür, die Spitze ihres Messers in die Erde gerammt. Die Stille zwischen ihnen war nicht länger distanziert. Es war das gemeinsame Verständnis zweier Krieger vor der Schlacht.
Die Nacht kam, und mit ihr der Regen. Er prasselte auf das Blechdach und fegte den Geruch von nasser Erde in die Hütte. Reed saß drinnen, das Gewehr auf dem Tisch, und wartete.
Plötzlich hörte er, wie sich die Stalltür im Wind öffnete. Er sprang auf, griff nach Laterne und Gewehr. Der gelbe Lichtkegel erfasste Tequina. Sie trug eine durchnässte Decke über den Schultern, einen Stoffbeutel auf dem Rücken, und ging schnell auf das Tor zu.
„Tequina!“, rief Reed, seine Stimme schnitt durch den Regen. Sie erstarrte. „Ich kann nicht zulassen, dass Ihr meinetwegen alles verliert. Wenn ich gehe, werden sie Euch nichts tun.“
Reed trat hinaus in den Regen, der ihm ins Gesicht peitschte. „Glaubst du, ich lasse dich einfach so verschwinden?“ Tequina drehte sich um, Wut flammte in ihren Augen auf. „Ihr schuldet mir nichts. Ich bin diejenige, die den Ärger gebracht hat!“
Reed stand nun im schlammigen Hof, das Gewehr in der Hand. „Hör mir zu, Tequina“, sagte er mit zusammengebissenen Zähnen. „Ich habe bereits meine Frau und meinen Sohn verloren. Ich habe jeden Grund verloren, an diesem Land festzuhalten. Wenn du gehst, habe ich nur noch eine weitere Sache, die ich bereuen muss.“ Er holte tief Luft, seine Stimme brach fast. „Ich verliere lieber diese ganze verdammte Ranch als auch noch Euch!“
Seine Worte schlugen ein wie ein Donner im Sturm. Tequina stand still, ihre dunklen Augen leuchteten in der Nacht. Der Beutel glitt ihr aus der Hand und fiel mit einem leisen Geräusch in den Schlamm.
Langsam trat sie auf Reed zu. „Hast du keine Angst vor dem Preis, den du für diese Wahl zahlen musst?“ Reed ließ das Gewehr sinken und packte sie an den Schultern. „Nein. Weil ich nicht mehr allein bin.“
Gemeinsam gingen sie zurück in die Hie. Reed warf mehr Holz ins Feuer, und die Flammen loderten hell und stark auf. Zum ersten Mal waren sie nicht nur zwei Seelen, die Schutz unter demselben Dach suchten. Sie waren Verbündete, bereit, dem Morgen gemeinsam entgegenzutreten.
Bei Sonnenaufgang brannte der Himmel rot. Fünf Reiter erschienen am Tor. „Letzte Chance, alter Mann. Gib sie raus.“ Reed hob die Winchester. „Wenn Ihr einen Fuß über diesen Zaun setzt, verlässt keiner von Euch diesen Ort unversehrt.“
Ein tödliches Schweigen senkte sich über den Hof. Tequina trat von der Veranda, ihre nackten Schultern glänzten im Morgenlicht, und stellte sich neben Reed. „Dann schieß, wenn du den Mut dazu hast“, zischte der Anführer.
Ein Schuss krachte. Die Kugel traf den Holzpfosten nur Zentimeter neben dem Pferd. Das Tier bäumte sich auf. Die Männer fluchten, zogen ihre Waffen und feuerten zurück. Reed und Tequina warfen sich hinter die Sandsäcke, die sie am Vortag aufgeschichtet hatten, und erwiderten das Feuer mit Präzision.
Minuten später löste sich der Staub wieder auf. Die Reiter waren geflohen. Stille kehrte auf die Ranch zurück. „Es ist vorbei“, sagte Reed. Tequina nickte, und um ihre Lippen zog sich das erste wahre Lächeln.
An diesem Nachmittag reparierten sie gemeinsam den zerbrochenen Zaun. Als die Arbeit getan war, lehnte sich Reed an einen Pfosten und beobachtete, wie die Sonne die Prärie in Gold tauchte. Tequina trat neben ihn, ihre breite Hand griff nach seiner schwieligen.
„Diese Ranch“, sagte sie leise. „Sie ist jetzt auch meins.“ Reed nickte. „Und du gehst nirgendwo hin.“
Als die Dämmerung hereinbrach, saßen sie zusammen auf den Stufen der Veranda. Zum ersten Mal seit Jahren fühlte Reed, dass dieses Land nicht länger nur etwas war, das er beschützte. Es war ein Zuhause geworden.