Am nächsten Morgen hingen die Wolken noch immer schwer über den Hügeln. Reed wollte den nördlichen Zaun kontrollieren, als er erstarrte. Auf dem feuchten Boden waren frische Hufabdrücke zu sehen. Drei Reiter. Kopfgeldjäger.
Er lud seine Winchester. Tequina kam aus dem Stall. „Was ist los?“ „Jemand war hier. Sie könnten zurückkommen. Diese Männer geben nicht leicht auf.“
Reed schwieg. Er wusste, das Sicherste wäre, sie wegzuschicken, um den Frieden auf seinem Land wiederherzuhaben. Aber als er Tequina ansah, die aufrecht dastand, das eine Bein noch steif vor Schmerz, die Augen unerschrocken, zog sich etwas in seiner Brust zusammen.
„Du kannst jetzt gehen“, sagte er langsam. „Wenn du schnell bist, finden sie deine Spur vielleicht nicht.“
Tequina sagte nichts. Sie bückte sich, nahm ihr altes Messer aus einer Holzkiste, prüfte die Klinge und schob sie zurück in die Scheide. „Ich bin lange genug gerannt“, sagte sie leise. „Wenn sie kommen wollen, werde ich warten.“
Reed sah sie lange an. Dann nickte er. „Dann machen wir uns bereit.“
Als die Nacht hereinbrach, saß Reed mit dem Gewehr auf der Veranda. Tequina saß an der Stalltür, die Spitze ihres Messers in die Erde gerammt. Die Stille zwischen ihnen war nicht länger distanziert. Es war das gemeinsame Verständnis zweier Krieger vor der Schlacht.
Die Nacht kam, und mit ihr der Regen. Er prasselte auf das Blechdach und fegte den Geruch von nasser Erde in die Hütte. Reed saß drinnen, das Gewehr auf dem Tisch, und wartete.
Plötzlich hörte er, wie sich die Stalltür im Wind öffnete. Er sprang auf, griff nach Laterne und Gewehr. Der gelbe Lichtkegel erfasste Tequina. Sie trug eine durchnässte Decke über den Schultern, einen Stoffbeutel auf dem Rücken, und ging schnell auf das Tor zu.
„Tequina!“, rief Reed, seine Stimme schnitt durch den Regen. Sie erstarrte. „Ich kann nicht zulassen, dass Ihr meinetwegen alles verliert. Wenn ich gehe, werden sie Euch nichts tun.“
Reed trat hinaus in den Regen, der ihm ins Gesicht peitschte. „Glaubst du, ich lasse dich einfach so verschwinden?“ Tequina drehte sich um, Wut flammte in ihren Augen auf. „Ihr schuldet mir nichts. Ich bin diejenige, die den Ärger gebracht hat!“
Reed stand nun im schlammigen Hof, das Gewehr in der Hand. „Hör mir zu, Tequina“, sagte er mit zusammengebissenen Zähnen. „Ich habe bereits meine Frau und meinen Sohn verloren. Ich habe jeden Grund verloren, an diesem Land festzuhalten. Wenn du gehst, habe ich nur noch eine weitere Sache, die ich bereuen muss.“ Er holte tief Luft, seine Stimme brach fast. „Ich verliere lieber diese ganze verdammte Ranch als auch noch Euch!“
Seine Worte schlugen ein wie ein Donner im Sturm. Tequina stand still, ihre dunklen Augen leuchteten in der Nacht. Der Beutel glitt ihr aus der Hand und fiel mit einem leisen Geräusch in den Schlamm.
Langsam trat sie auf Reed zu. „Hast du keine Angst vor dem Preis, den du für diese Wahl zahlen musst?“ Reed ließ das Gewehr sinken und packte sie an den Schultern. „Nein. Weil ich nicht mehr allein bin.“
Gemeinsam gingen sie zurück in die Hie. Reed warf mehr Holz ins Feuer, und die Flammen loderten hell und stark auf. Zum ersten Mal waren sie nicht nur zwei Seelen, die Schutz unter demselben Dach suchten. Sie waren Verbündete, bereit, dem Morgen gemeinsam entgegenzutreten.
Bei Sonnenaufgang brannte der Himmel rot. Fünf Reiter erschienen am Tor. „Letzte Chance, alter Mann. Gib sie raus.“ Reed hob die Winchester. „Wenn Ihr einen Fuß über diesen Zaun setzt, verlässt keiner von Euch diesen Ort unversehrt.“
Ein tödliches Schweigen senkte sich über den Hof. Tequina trat von der Veranda, ihre nackten Schultern glänzten im Morgenlicht, und stellte sich neben Reed. „Dann schieß, wenn du den Mut dazu hast“, zischte der Anführer.
Ein Schuss krachte. Die Kugel traf den Holzpfosten nur Zentimeter neben dem Pferd. Das Tier bäumte sich auf. Die Männer fluchten, zogen ihre Waffen und feuerten zurück. Reed und Tequina warfen sich hinter die Sandsäcke, die sie am Vortag aufgeschichtet hatten, und erwiderten das Feuer mit Präzision.
Minuten später löste sich der Staub wieder auf. Die Reiter waren geflohen. Stille kehrte auf die Ranch zurück. „Es ist vorbei“, sagte Reed. Tequina nickte, und um ihre Lippen zog sich das erste wahre Lächeln.
An diesem Nachmittag reparierten sie gemeinsam den zerbrochenen Zaun. Als die Arbeit getan war, lehnte sich Reed an einen Pfosten und beobachtete, wie die Sonne die Prärie in Gold tauchte. Tequina trat neben ihn, ihre breite Hand griff nach seiner schwieligen.
„Diese Ranch“, sagte sie leise. „Sie ist jetzt auch meins.“ Reed nickte. „Und du gehst nirgendwo hin.“
Als die Dämmerung hereinbrach, saßen sie zusammen auf den Stufen der Veranda. Zum ersten Mal seit Jahren fühlte Reed, dass dieses Land nicht länger nur etwas war, das er beschützte. Es war ein Zuhause geworden.