Die Kälte begann sich langsam zurückzuziehen, als der Winter in seinen letzten Monat trat, aber Elias Boons Holzhütte hing noch immer der Geruch von Rauch und schwerem Schweigen an. Tage der gemeinsamen Arbeit hatten die Spannung gelockert, aber beide schienen immer noch unsichtbare Mauern um sich zu tragen. Bis diese Mauern in einer Nacht zu bröckeln begannen.
An diesem Tag hatte sich Elias einen langen Kratzer am Arm zugezogen, als er eine widerspenstige Kuh in den Pferch zwang. Er zuckte nur mit den Schultern – Blut und Schweiß waren Routine. Aber Naelli bestand darauf, dass er sich setzte. Schweigend reinigte sie die Wunde und verband sie mit grobem Stoff. Ihre schwieligen Finger zitterten leicht, bewegten sich aber voller Sorgfalt.
Elias saß regungslos da, sein Blick ruhte auf ihrem wettergegerbten Gesicht. „Wer hat Euch diese Peitschenmale auf den Armen hinterlassen?“, fragte Elias, seine Stimme tief und rau.
Naelli erstarrte. Ihre Hand umklammerte den Stoff. Dann, wie ein Dammbruch, strömten die Worte aus ihr heraus. „Sie nahmen mich, als ich noch ein Mädchen war. Handeltet mich, verkauften mich. Als ich nichts mehr wert war, ließen sie mich zurück. Selbst mein Stamm verstieß mich. Sagte, ich bringe Unglück.“ Sie stieß ein bitteres Lachen aus. „Ich habe überlebt, aber ich habe keinen Ort mehr, den ich Zuhause nennen kann.“
Tiefe Stille senkte sich über den Raum. Das Feuer knisterte. Elias ballte seine gesunde Hand. Dann sagte er langsam: „Ich habe auch alles verloren. Meine Frau und mein Sohn. Das Fieber hat sie mir innerhalb weniger Tage genommen. Ich konnte sie nicht retten. Seitdem habe ich mich hier draußen vergraben.“
Das Geständnis lag schwer in der Luft. In diesem Moment erkannten diese beiden Fremden, dass sie nicht nur ein Dach teilten. Sie waren beide Überlebende des Verlusts, der Verlassenheit, der Grausamkeit des Schicksals. Naelli sah ihn zum ersten Mal nicht mehr misstrauisch an, sondern mit einem Funken Verständnis.
Der Frühling kam leise in die texanische Prärie, nicht mit Getöse, sondern mit dem Schmelzen des letzten Schnees und grünen Sprösslingen, die sich durch die trockene Erde kämpften. Für Elias Boon war es auch das erste Mal seit Jahren, dass er spürte, wie sich in seinem eigenen Haus etwas wahrhaftig veränderte.
In einer regnerischen Frühlingsnacht trug der Wind den Geruch von nasser Erde herein. Die Hütte leuchtete im Feuerschein. Elias saß am Tisch und beobachtete Naellis Silhouette, wie sie sorgfältig den Mantel flickte, den er immer trug. „Ihr schuldet mir nichts, Naelli“, durchbrach seine Stimme die Stille. „Ihr könnt gehen, wann immer Ihr wollt.“
Sie blickte auf, ihre tiefschwarzen Augen trafen seinen stahlgrauen Blick. Ihre Stimme war sanft, aber unerschütterlich. „Ich weiß. Aber ich will nicht gehen. Zum ersten Mal fühle ich mich nicht unsichtbar.“
In diesem Moment trat Elias näher. Er legte seine raue Hand auf ihre Schulter, zögerte und strich ihr dann sanft eine feuchte Haarsträhne aus der Wange. Naelli zitterte leicht, wich aber nicht zurück. Das Feuer tanzte zwischen ihnen, als ihre Schatten verschmolzen.
Dann beugte sich Elias hinab und küsste sie. Ein Kuss, der zögerlich war, unsicher, aber brennend von einer Flamme, die beide seit Jahren nicht mehr gespürt hatten. Es war, als würden kalte Kohlen in zwei Herzen, die fast verstummt waren, neu entfacht.
Nachrichten verbreiteten sich schnell an der Grenze. Nach nur wenigen Gängen nach Dry Creek, um Salz und Kugeln zu kaufen, begann das Geflüster. „Der Witwer Boon lebt mit dieser Apache-Frau.“
Zuerst war es nur Gemurmel. Dann kamen die Blicke. Gruppen von Männern, die vor dem Saloon spuckten. „Er hat sich einen rot-häutigen Streuner geholt, als wäre sie eine Art Haustier.“ Naelli hörte es. In dieser Nacht packte sie leise ihre Sachen. „Ich will Euch keine Schande bereiten.“
Elias sah sie an, seine stahlgrauen Augen funkelten. Er trat vor und packte ihre Hand. „Hört mir zu. Ich brauche die Zustimmung dieser Stadt nicht. Aber ich brauche Euch hier. Diese Ranch ist meine, und sie ist auch Eure. Ihr gehört hierher.“ Da brach Naelli weinend zusammen. Es war das erste Mal in ihrem Leben, dass ein Mann solche Worte zu ihr gesprochen hatte.
Am nächsten Tag ritt Elias in die Stadt, aber nicht allein. Naelli ging neben ihm, den Kopf hoch erhoben. Als ein Betrunkener auf sie zutorkelte, packte Elias ihn am Kragen und schrie: „Wer die Hand an sie legt, muss zuerst an mir vorbei!“ Danach lachte niemand mehr.