Mit 78 Jahren bricht Wencke Myhre ihr Schweigen und gibt zu: „Es ist meine neue Ehe“
Wer Wencke Myhre sagt, meint eine Stimme, die ganze Generationen geprägt hat – in Norwegen ebenso wie in Deutschland, Schweden und Dänemark. Jetzt, mit 78 Jahren, meldet sich die Grand Dame des nordischen Schlagers mit einer persönlichen Botschaft zu Wort: Sie spricht offen über einen neuen Lebensbund – „meine neue Ehe“, wie sie es selbst nennt. Ob juristisch besiegelt oder als bewusst gewählter Lebensbund verstanden: Für Myhre steht dahinter ein klares Bekenntnis zu Liebe, Loyalität und einem Neuanfang, der an ein außergewöhnliches Künstlerinnenleben anknüpft.
Ein Bekenntnis – und eine Bilanz
In ruhigem, fast nachdenklichem Ton blickt Myhre auf sechs Jahrzehnte Karriere zurück. Die Sängerin, Moderatorin und Schauspielerin wurde schon als Teenager zum Publikumsliebling, triumphierte mit Ohrwürmern und TV-Shows, und blieb doch immer mehr als nur ein Schlagerstern: eine Brückenbauerin zwischen Sprachen und Kulturen. „Ich habe gelernt, dass man nach jedem Sturz wieder aufsteht“, hat sie einmal über ihre Lebenshaltung gesagt. Der neue Lebensbund ist vor diesem Hintergrund kein romantischer Überschwang, sondern eine erwachsene, gelassene Entscheidung: die bewusste Wahl für Verbundenheit – und gegen das Alleinsein.
Die Künstlerin als Europäerin
Myhre wurde früh zur europaweiten Botschafterin nordischer Pop-Leichtigkeit: klare Stimme, packendes Timing, ein Bühnenauftritt, der ansteckt. Mit deutschsprachigen Hits eroberte sie Radio, Fernsehbühnen und große Hallen; in Norwegen und Schweden wurde sie zur Ikone einer Generation, die mit ihr erwachsen wurde. Ihre Fernsehshows – charmant, direkt, mit dem spürbaren Wunsch, dem Publikum etwas zu schenken – machten sie zu einem Gesicht der europäischen Unterhaltungskultur. Dass sie dabei nie nur auf Nummer sicher ging, sondern Projekte wagte, die Genregrenzen überstiegen, ist Teil ihres bleibenden Erbes.
Liebe, Verlust und die leisen Zwischentöne
So glanzvoll die Karriere, so herausfordernd war bisweilen das Private. Myhres Liebesleben kennt Höhen und bittere Tiefen – von frühen Ehen und großer Leidenschaft bis hin zu Abschieden, die Wunden hinterlassen haben. Besonders der Tod eines geliebten Partners überschattet bis heute Erinnerungen. Myhre hat darüber nie sensationsheischend gesprochen, sondern in der Sprache der Trauerarbeit: tastend, respektvoll, ohne Schuldzuweisungen. Wer sie kennt, weiß, dass die Bühne ihr Ort der Verarbeitung war: Lächeln für das Publikum, selbst wenn das Herz schwer war. Aus dieser biografischen Schule der Gefühle erklärt sich auch die heutige Klarheit: Der neue Lebensbund ist kein Trotz, sondern das Ergebnis eines langen inneren Gesprächs.
Krankheit, Mut und Rückkehr
2010 die Schockdiagnose Brustkrebs. Operationen, Therapien, Monate der Ungewissheit. Viele hätten sich zurückgezogen. Myhre entschied anders: Sie sprach über das, was ist. Nicht, um Mitleid zu erhaschen, sondern um anderen Mut zu machen – vor allem Frauen, die Ähnliches durchstehen. Danach kehrte sie auf die Bühne zurück, vorsichtig zunächst, dann wieder mit der Präsenz, die ihr Markenzeichen ist. Dass sie heute mit Altersbeschwerden haushaltet, sagt sie ohne falsche Scham: Gelenke, Schlaf, der Körper als leiser Mahner. Ihr Rezept? Bewegung, Atem holen am Wasser, ein vernünftiger Speiseplan – und das ungebrochene Bedürfnis, zu singen.
„Meine neue Ehe“ – was sie damit meint
Auf die Frage, was genau sie unter „meiner neuen Ehe“ versteht, antwortet Myhre mit einem Lächeln, das man durch die Worte hindurch spürt: Es geht um eine Haltung. Um Verlässlichkeit im Alltag, um das große Einverständnis, das nicht jedes Mal neu bewiesen werden muss. Ein formaler Akt? Vielleicht. Aber wichtiger sei die gelebte Bindung – das „Wir“, das jeden Morgen neu entschieden werde. Diese Wortwahl ist typisch Myhre: kein Pathos, kein Kitsch, sondern eine mitschwingende Wärme, die man aus ihren Liedern kennt. Sie macht kein Geheimnis daraus, dass ein langjähriger Weggefährte an ihrer Seite steht; ob man das Lebenspartner, Ehemann oder eben „neue Ehe“ nennt, überlässt sie bewusst der Interpretation.
Die Arbeit hört nicht auf
Wer glaubt, Myhre denke nur noch an Rückzug, irrt. Auch mit 78 plant sie selektiv Auftritte und künstlerische Formate, die zu ihr und ihrem Tempo passen. Das Show-Business, sagt sie, habe sich geändert – schneller, lauter, flüchtiger. Ihr Gegenentwurf: Nähe, Handwerk, Wahrhaftigkeit im Vortrag. Statt permanentem Output setzt sie auf Qualität und Begegnung. Dort, wo sie auftritt, werden Konzerte zu spürbaren Dialogen zwischen Bühne und Saal; wo sie spricht, wird Erinnerung nicht Nostalgie, sondern Resonanzraum für Gegenwart.
Ein Vermächtnis, das Verantwortung kennt
Über Erfolg spricht sie pragmatisch. Preise schmücken die Vita, wichtiger sind ihr die Menschen, die ihre Lieder zu Lebensbegleitern gemacht haben. Engagement für soziale Projekte – etwa für Gesundheitsprävention und Kinder – ist für Myhre kein Image, sondern Gewohnheit. „Wenn die eigene Stimme trägt, trägt sie Verantwortung mit“, lautet einer ihrer Grundsätze. Gerade die Offenheit über Krankheit und Heilung habe ihr gezeigt, wie viel Trost aus Sichtbarkeit entstehen kann. Dass sie angefragt wird, als Mentorin für junge Künstlerinnen zu wirken, wundert nicht: Disziplin, Demut vor dem Material, Resilienz – das sind Werte, die in jeder Kreativbranche zählen.
Mythos und Mensch
Es gehört zu den Paradoxien einer langen Karriere, dass das Publikum zwischen Mythos und Mensch oszilliert. Myhre hat gelernt, beide Ebenen zu halten: die Projektionsfläche und die Privatperson. Ihre Zurückhaltung in Herzensdingen war nie Koketterie, sondern Selbstschutz. Umso gewichtiger wirkt ihr heutiges Bekenntnis. „Meine neue Ehe“ ist bei ihr kein Titelblatt-Knall, sondern eine Formel für ein Lebensgefühl: angekommen, gehalten, getragen – und doch neugierig genug, um sich weiter zu entwickeln.
Was bleibt – und was kommt
Am Ende dieses späten Statements steht ein leiser Triumph. Nicht der der Charts, sondern der der Selbstbestimmung. Myhre definiert Zuwendung neu: als tägliche Praxis, als stillen Bund. Sie weiß, dass die Zukunft endlich ist, und wirkt gerade darum erstaunlich leicht. Vielleicht, weil sie die großen Prüfungen kennt. Vielleicht, weil sie die Bühne nicht mehr braucht, um sich zu beweisen – sondern um zu teilen, was sie hat: Stimme, Erfahrung, Humor.
„Es ist meine neue Ehe“ – das ist der Satz, der hängen bleibt. Nicht, weil er skandalös wäre, sondern weil er etwas verspricht, wonach viele suchen: die kunstvolle Einheit von Treue und Freiheit. Für Wencke Myhre ist es die Summe eines Lebens, das laut und leise konnte. Ein Leben, das jetzt, im späten Licht, nicht verblasst, sondern warm leuchtet. Und das Publikum? Es hört zu – diesmal nicht nur der Sängerin, sondern der Frau, die weiß, was Worte tragen können.