Jorlene betrat das Gasthaus mit einer Mappe in der Hand und der Hoffnung auf einen Neuanfang. Sie war gekommen, um sich auf die ausgeschriebene Stelle als Administratorin zu bewerben, eine Position, für die sie hochqualifiziert war. Doch als sie den Hauptraum betrat, spürte sie sofort eine eisige Spannung. Eine elegant gekleidete Frau, Kata, und ein Mann im Anzug, Daniel, unterbrachen ihr leises, vertrauliches Gespräch. Jorlene entschuldigte sich für die Störung, doch die Frau, Kata, musterte sie mit unverhohlener Verachtung.
Noch bevor Jorlene ihre Bewerbungsmappe richtig vorstellen konnte, wurde sie von Kata mit einer herablassenden Geste abgewimmelt. “Sie sind eingestellt”, sagte Kata kühl, ohne auch nur einen Blick in ihre Unterlagen zu werfen. “Sie fangen sofort an.” Jorlenes anfängliche Verwirrung wich einem Schock, als Kata hinzufügte: “Wir brauchen dringend eine neue Kellnerin.”
Kellnerin? Sie hatte sich als Administratorin beworben. Doch bevor sie protestieren konnte, traf der Besitzer des Gasthauses ein, Juan Pablo, Katas Ehemann. Er begrüßte Daniel als seinen “besten Freund” und wirkte abgelenkt und zutiefst gestresst. Kata stellte Jorlene beiläufig als “die neue Kellnerin” vor. Juan Pablo, der in seinen eigenen Sorgen versunken war, nickte nur. Er vertraute dem Urteilsvermögen seiner Frau.
Für Jorlene war es eine Demütigung. Sie war eine erfahrene Betriebswirtin, die dringend Arbeit brauchte, aber sie war gezwungen, Tische abzuräumen. Kata machte die Bedingungen sofort klar. Sie nahm Jorlene beiseite und sagte mit einem Lächeln, das ihre Augen nicht erreichte: “Der Job gehört Ihnen. Aber lassen Sie sich eines gesagt sein: Mischen Sie sich nicht in Dinge ein, die Sie nichts angehen. Verstanden? Tun Sie einfach Ihre Arbeit, dann wird es keine Probleme geben.”
Jorlene, die den Job dringend brauchte, schluckte ihren Stolz hinunter und nickte. Sie hatte keine Ahnung, dass sie soeben unwissentlich in ein Wespennest aus Lügen, Gier und Verrat getreten war.

Das Gasthaus, eine von mehreren Filialen, die Juan Pablo besaß, steckte in ernsthaften Schwierigkeiten. Was er nicht wusste: Die Probleme waren hausgemacht. Seine Frau Kata und sein bester Freund Daniel, die heimlich eine leidenschaftliche Affäre hatten, arbeiteten fieberhaft daran, die Finanzen der Filiale zu sabotieren.
Ihr Plan war ebenso einfach wie bösartig: Sie wollten Juan Pablo weismachen, dass diese spezielle Filiale ein unrettbares Verlustgeschäft sei. Daniel, der “Freund”, hatte bereits sein Interesse bekundet, die Filiale zu kaufen. “Juan Pablo”, sagte er mit gespieltem Mitgefühl, “ich weiß, du gibst nicht gern auf, aber sieh dir die Zahlen an. Die Gesellschafter werden ungeduldig. Bevor du noch mehr Verluste machst, verkauf es mir. Ich nehme dir die Last ab. Gefühle sind im Geschäft teuer.”
Juan Pablo war zerrissen. Er wollte nicht aufgeben, aber die Zahlen, die seine Frau ihm präsentierte, sprachen eine deutliche Sprache. Die Kosten explodierten, die Einnahmen brachen ein. Er stand kurz davor, das Lebenswerk aufzugeben, ohne zu ahnen, dass die Architekten seines Scheiterns direkt neben ihm saßen.
Jorlenes Schicksal nahm eine unerwartete Wendung, als sie Juan Pablo einen Kaffee in sein Büro bringen sollte. Er saß über einem Stapel Papiere, sein Gesicht von Sorgen zerfurcht. Als sie ihm den Kaffee reichte, stolperte sie unglücklich und schüttete die heiße Flüssigkeit über die wichtigen Dokumente.
Juan Pablo sprang auf. “Nein! Nein! Das kann nicht wahr sein!”, schrie er, mehr aus Verzweiflung als aus Wut. Jorlene, entsetzt über ihren Fehler, versuchte zu helfen. Doch Juan Pablo winkte ab. “Gehen Sie einfach. Diese Papiere… sie waren wichtig.”
In diesem Moment der Niederlage entschuldigte er sich bei ihr. “Es tut mir leid. Es ist nicht Ihre Schuld. Es ist nur…” Er fuhr sich durch die Haare. Jorlene, die einen Blick auf die durchnässten Papiere erhascht hatte – Bilanzen, Kostenaufstellungen, Lieferantenrechnungen – sagte leise: “Es muss schwer sein, eine Filiale mit all diesen Kosten zu verwalten. Die Angestellten, die Lieferanten…”
Juan Pablo hielt inne. Er starrte sie an. “Was wissen Sie schon davon?” “Ich…”, begann Jorlene zu erklären, dass sie eigentlich Betriebswirtin sei, doch in diesem Moment kam Kata herein. “Jorlene! Was machst du hier? Du solltest Tische abräumen, nicht den Chef belästigen!”
Jorlene zog sich zurück, doch der Same des Zweifels war in Juan Pablo gesät. Später am Tag, als seine Frau beschäftigt war, suchte er Jorlene auf. “Was Sie vorhin sagten… woher wissen Sie das?”
Jorlene erkannte ihre Chance. “Señor, ich weiß, was hier passiert. Ich habe Ihre Zahlen nicht im Detail gesehen, aber ich kenne die Anzeichen. Die Betriebskosten scheinen überhöht zu sein, und ich wette, einige Einnahmen werden nicht korrekt verbucht.” Juan Pablo war skeptisch. “Mit allem Respekt, aber was kann eine Kellnerin…” “Ich bin keine Kellnerin”, unterbrach sie ihn. “Ich habe mich als Administratorin beworben.” Sie erklärte ihm ihre Qualifikationen.
Juan Pablo, verzweifelt und ohne andere Optionen, traf eine impulsive Entscheidung. “Ich gebe Ihnen eine Chance. Aber nur eine.” Er gab ihr vollen Zugriff auf die Finanzberichte. “Aber”, warnte er sie, “niemand darf davon wissen. Vor allem nicht meine Frau. Wenn dieser Plan scheitert, kehren Sie als Kellnerin zurück.”
Jorlene machte sich sofort an die Arbeit. Was sie fand, übertraf ihre schlimmsten Befürchtungen. Es war kein Missmanagement; es war vorsätzliche Sabotage. Die Betriebskosten waren künstlich in die Höhe getrieben worden. Einnahmen von Reservierungen fehlten vollständig in den Büchern. Und dann fand sie den rauchenden Colt: regelmäßige, hohe Überweisungen auf ein externes Konto, das sie nicht zuordnen konnte.
Sie war gerade dabei, diese Überweisungen zu dokumentieren, als Kata das Büro betrat. “Was machen Sie da?”, zischte sie. Jorlene versuchte, ihre Spuren zu verwischen, aber es war zu spät. Kata hatte sie am Computer des Chefs gesehen. “Ich habe dich gewarnt, dich nicht einzumischen!”, schrie Kata. “Neugierige Menschen wie du halten sich hier keine Woche. Wenn ich dich noch einmal in der Nähe dieses Büros sehe, fliegst du raus! Verschwinde!”
Kata rannte sofort zu Daniel. “Sie hat etwas gesehen. Ich glaube, sie hat die Bilanzen fotografiert.” Daniel wurde blass. “Wir können sie nicht feuern, sonst schöpft Juan Pablo Verdacht. Wir müssen den Plan vorziehen. Jetzt.”
Der nächste Tag wurde zum Albtraum. Daniel stürmte in Juan Pablos Büro. “Wir haben ein ernstes Problem. Sie haben die Konten leergeräumt. Das gesamte Kapital ist weg!” Juan Pablo brach zusammen. “Wer? Wer konnte das tun?” In diesem Moment kam Kata herein und spielte die Rolle der schockierten Ehefrau. “Was ist passiert? Das Geld?”
“Die einzigen Personen mit Zugriff auf diese Konten sind du und ich”, sagte Juan Pablo verzweifelt. Kata tat, als würde ihr etwas einfallen. “Warte… ich habe etwas gesehen. Jorlene. Ich habe sie an deinem Computer gesehen. Sie hat die Bilanzen überprüft, die Inventarlisten, die internen Konten!”
Die Worte trafen Juan Pablo wie ein physischer Schlag. “Nein… das kann nicht sein. Ich… ich habe ihr den Zugang gegeben.” “Was hast du getan?”, schrie Kata. “Wie kannst du nur so dumm sein? Wie konntest du glauben, eine einfache Kellnerin könnte dieses Geschäft retten?” Für Juan Pablo brach eine Welt zusammen. Er war ruiniert. Und die Person, der er sein letztes Vertrauen geschenkt hatte, hatte ihn offenbar verraten.
Wütend und gebrochen ließ er Jorlene rufen. Sie kam sofort und hielt eine Mappe mit den von ihr gesammelten Dokumenten in der Hand. “Señor, ich habe es Ihnen gesucht…”, begann sie. “Hör auf zu lügen!”, brüllte er. “Wie konntest du mir das antun? Du hast alles genommen! Du hast alle Konten leergeräumt!” “Was? Nein, Señor, Sie irren sich! Ich weiß nicht, wovon Sie sprechen!” “Raus hier!”, schrie er. “Wenn du nicht sofort gehst, rufe ich die Polizei! Du wusstest, wie wichtig mir das alles war! Verschwinde aus meinem Leben!”
Jorlene war am Boden zerstört. Sie wurde hinausgestoßen, ihre Beweise fielen zu Boden. Als sie in der Tür stand, Tränen der Wut und Enttäuschung in den Augen, drehte sie sich ein letztes Mal um. “Bevor ich gehe, muss ich Ihnen etwas gestehen”, sagte sie mit zitternder Stimme. “Ihre Frau und Ihr bester Freund sind Liebhaber. Ich habe sie zusammen aus diesem Büro kommen sehen.”
“Lügnerin!”, brüllte Juan Pablo. “Du erfindest das nur, um dich zu rechtfertigen! Verschwinde, oder du wirst viele Jahre im Gefängnis verbringen!” Er stieß sie hinaus und schlug die Tür zu.
Juan Pablo sank in seinem Büro zusammen, ein gebrochener Mann. In diesem Moment traten Kata und Daniel ein. “Siehst du, Juan Pablo”, sagte Daniel sanft, “es ist vorbei. Mein Angebot steht noch. Du hast jetzt nichts mehr. Aber ich übernehme die Schulden. Du kannst bei Null anfangen.”
Kata legte ihm einen Arm um die Schulter. “Mein Schatz, bitte. Öffne die Augen. Wir haben kein Geld mehr, um das zu retten. Verkauf es ihm.” Besiegt und leer nickte Juan Pablo. “In Ordnung. Ich verkaufe.”
Daniel zog sofort die vorbereiteten Verträge aus seiner Tasche. “Ich wusste, du würdest zur Vernunft kommen. Hier, unterschreib.” Juan Pablo griff nach dem Stift. Sein Blick fiel auf die Dokumente, die Jorlene hatte fallen lassen. Er nahm das oberste Blatt. Es war ein Kontoauszug. Es zeigte die Überweisungen auf das externe Konto. Und der Name des Kontoinhabers war… Daniel.
In diesem Sekundenbruchteil durchfuhr ihn die Wahrheit wie ein Blitz. Jorlenes letzte Worte hallten in seinem Kopf wider. “Sie hatte recht.” Er stand langsam auf. “Du… Mi Amor… wie konntest du mir das antun?” “Wovon redest du?”, fragte Kata nervös. “Ihr beide… ihr habt mich in eine Falle gelockt! Ihr wolltet, dass ich glaube, alles geht den Bach runter!” Er hielt die Papiere hoch. “Du bist ein Hochstapler, Daniel! Ein Verräter! Ich werde diese Beweise den Gesellschaftern zeigen. Sie werden dir alles nehmen!”
Panik brach aus. “Das kannst du nicht tun! Ich wäre ruiniert!”, schrie Daniel. “Außerdem war das alles Katas Schuld! Sie hat mich dazu gezwungen!” “Was?”, schrie Kata. “Das ist eine Lüge! Ich würde ihm nie wehtun! Du Verlierer!”
Juan Pablo sah die beiden Menschen an, denen er am meisten vertraut hatte, wie sie sich gegenseitig zerfleischten. “Mein Anwalt wird sich morgen bei euch melden.” Er stieß sie beiseite und rannte aus dem Büro.
Er fand Jorlene auf der Straße, als sie gerade gehen wollte. “Jorlene, warten Sie! Bitte!” Er hielt sie auf. “Señor, ich habe nichts getan, bitte rufen Sie nicht die Polizei…” “Nein, nein”, unterbrach er sie. “Ich weiß alles. Sie hatten die ganze Zeit recht.” Er erklärte, was er gefunden hatte. “Sie… Kata und Daniel… sie haben mich betrogen.” “Es tut mir so leid, dass Sie das herausfinden mussten”, sagte Jorlene. “Ich bin derjenige, dem es leidtun muss”, sagte Juan Pablo. “Ich habe Sie gedemütigt. Ich habe Ihnen nicht geglaubt.” Er hielt inne. “Ich weiß, Sie sind hierher gekommen, um sich als Administratorin zu bewerben. Ich möchte, dass Sie bleiben. Aber nicht als Administratorin. Ich möchte, dass Sie die neue Geschäftsführerin werden. Helfen Sie mir, dieses Unternehmen wieder aufzubauen.”
Jorlene sah den Mann an, der sie vor wenigen Minuten noch beschimpft hatte, und sah nun seine aufrichtige Reue. Sie lächelte. “Vielen Dank für Ihr Vertrauen. Ich werde mein Bestes geben.” “Willkommen im Team”, sagte er. Das Schicksal hatte die Dinge auf die härteste, aber gerechteste Weise geordnet.
 
								 
								 
								 
								 
								