„Señor Daniel“, sagte Veraal. „Wir haben Ihre Tochter für eine letzte Identifizierung hinter das Beobachtungsglas gebracht. Sie kann Sie sehen. Ich werde draußen warten, um die Wachen fernzuhalten. Ich möchte, dass Sie mir zeigen, wie Sie sich verabschieden.“
Daniel sah sie unverständlich an. „Mich verabschieden? Sie werden sie mir wegnehmen.“
„Handeln Sie einfach, Daniel. Ihre Tochter ist hinter dem Glas. Sie kann Sie sehen. Dies ist Ihr Moment.“
Veraal verließ den Raum, schloss die schwere Tür und lehnte sich mit verschränkten Armen dagegen. Sie sah durch das kleine Fenster der Verhörzelle.
Daniel näherte sich dem Beobachtungsglas, seine Schultern waren gebeugt, seine ganze Gestalt schrie Verzweiflung. Er sah die kleine, allein sitzende Gestalt von Sophia auf der anderen Seite. Er legte seine Hand ans Glas, ohne es zu berühren, ein Millimeter Trennung zwischen ihm und der Kälte.
„Vergib mir, meine Liebe“, flüsterte Daniel, seine Stimme war ein schmerzhaftes Kratzen. Seine Augen füllten sich mit Tränen, die er nicht zurückhalten konnte. „Papa wird dich immer finden. Egal, was passiert, ich werde da sein. Sei stark. Ja, erinnere dich, was ich dir beigebracht habe. Schau in den Himmel. Wir sind immer unter demselben Himmel.“
Er drehte seine Hand um und drückte seine Stirn gegen das Glas, das ihn von seinem einzigen Kind trennte. Die Ungerechtigkeit der Situation, die Verzweiflung seiner Liebe, füllte den Raum.
Kaiser, der regungslos zu Veraals Füßen gewesen war, bewegte sich. Es war keine plötzliche, sondern eine langsame, beabsichtigte Bewegung. Er näherte sich Daniel. Nicht seinem Gepäck, nicht seinem Körper, der die gefälschten Dokumente trug, sondern seiner Hand, die am Glas klebte.
Der Hund leckte Daniels Hand am Glas einmal. Eine feuchte, warme Berührung, die nicht nach Pflicht roch, sondern nach Trost. Kaiser sah zu Veraal auf, und in seinen goldenen, intelligenten Augen lag eine unmissverständliche Botschaft: Er ist der Mensch, den wir beschützen müssen. Das Mädchen gehört zu ihm.
In diesem Moment öffnete sich die Tür des Warteraums. Es war Beamtin Helena mit Sophia, die für eine letzte formelle Identifizierung gebracht worden war.
Als Sophia ihren Vater sah, der mit Tränen in den Augen am Glas stand, durchbrach sie die Distanz. Sie rannte zu ihm. Sie umarmten sich mit einer Kraft, die Schmerz und Trost war. Es war die Umarmung einer Familie, die glaubte, sie würde für immer getrennt werden.
Da manifestierte sich die Offenbarung, die unerwartete Wendung, der Schlüssel, der aus den Fesseln der Bürokratie befreien sollte.
Sophia, stillweinend am Hals ihres Vaters, murmelte: „Papa! Kara ließ mich etwas lernen. Eine Telefonnummer. Sie sagte, ich soll sie anrufen, wenn ich sehr traurig bin und sie nicht in der Nähe ist. Sie sagte, ich soll sie der Polizei nicht sagen.“
Daniel trennte sich von ihr, sein Ausdruck war nicht mehr Verzweiflung, sondern plötzliches, hartes Verstehen. „Sag sie mir. Sag sie mir jetzt, meine Liebe.“
Sophia rezitierte eine Zahlenkette, die sie auswendig gelernt hatte, ein Mantra des Schmerzes: „Vier-zwei-eins-neun-null-sechs-fünf-drei-acht.“
Veraal, die die Szene mit zusammengezogenem Herzen beobachtet hatte, fühlte, wie das letzte Puzzleteil mit einem scharfen Klick passte. Sie trat schnell ein und wiederholte die Zahlen leise.
„Diese Sequenz ist keine Telefonnummer“, flüsterte sie. „In Brasilien nicht. Es ist zu lang, zu unregelmäßig. Aber… es ist die Länge eines Codes für ein Schließfach oder einen Hotelsafe.“
Daniel sah sie an, die Hoffnung blitzte in seinen Augen auf, die so schnell von der Verzweiflung zur Erkenntnis übergegangen war. „Sie hat unsere letzte Ersparnis aus dem gemeinsamen Konto abgehoben. Sie wollte die Pässe in einem Schließfach aufbewahren, Sergeant. Sie wollte nur, dass ich ihre Fährte verfolge. Das war die Falle. Sie wollte mich dazu bringen, zu glauben, dass sie mit Sophia nach Europa fliehen würde.“
„Das ist ein Hauch von Hoffnung“, sagte Veraal, griff nach ihrem Funkgerät. „Aber auch eine totale Hingabe.“