Mia Krüger und die Löwengrube von Raum 204

Klick! Die Flasche explodierte. Ein Schwall Wasser schoss nach oben, prasselte über ihre Bluse, tropfte auf den Boden. Die Klasse japste. Erst Schock, dann Lachen – verhalten, nervös. Timos Crew klatschte sich unter den Tischen ab. Leila glitzerte vor stolz.

Doch Mia stand still. Nass. Still. Unlesbar.

Dann lachte sie.

Kein peinliches Kichern, kein gezwungenes Überspielen. Ein echtes, herzliches Lachen. Laut, klar, befreiend. Es war die Reaktion, die die gesamte Choreografie zerstörte.

„Na“, sagte sie, während sie Wasser von ihrem Kinn wischte. „Jemand hat heute wohl einen kreativen Tag.“

Die Klasse verstummte, verwirrt. Mia marschierte zum Schrank, holte ein Bündel Papiertücher heraus – woher wusste sie, dass die da waren? – und begann seelenruhig ihre Bluse abzutupfen.

„Lasst uns über Kreativität sprechen“, sagte sie. Ihre Stimme war sanft, aber mit Stahl darin. „Denn wer auch immer das war: Planung, Umsetzung, Teamarbeit – da steckt Potenzial drin. Falsch eingesetzt, aber eindeutig vorhanden.“

Sie warf die durchnässten Tücher in den Mülleimer und hob dann den glitzernden Umschlag von ihrem Tisch auf. Timos Magen verkrampfte sich.

Sie öffnete ihn und las laut vor: „Deine Schönheit erhellt den Raum, Frau Krüger. Mein Herz schlägt, wenn du die Tür betrittst. Dein heimlicher Verehrer, Timo.“

Ein Murmeln ging durch den Raum. Mia lächelte breit. „Poetisch“, sagte sie, „aber die Handschrift kommt mir bekannt vor.“ Sie hielt den Brief hoch. Ihre Augen bohrten sich in Jans. „Diese krakeligen Schlaufen, genau wie in deinen Kritzeleien. Möchtest du dazu etwas sagen, Jan?“

Jan starrte sie an, bleich. Das Wort „Nein“ auf den Lippen kam aber nicht dazu, denn Mia drehte sich zu allen um.

„Hier ist das Problem mit Streichen“, sagte sie. „Sie sind nur dann witzig, wenn ihr klüger seid als euer Ziel. Und ich bin nicht sicher, ob das hier der Fall war.“

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V. Das Duell

Fehler Nummer 1: Timo konnte nicht verlieren. Nicht vor seiner Crew, nicht vor der ganzen Klasse. Er sprang auf, stemmte sich mit beiden Händen gegen seinen Tisch. Seine Stimme war rau und laut.

„Du denkst, du bist hart, Neue? Du bist nur eine Vertretung mit Uni-Abschluss. Setz dich hin und unterricht dein blödes Buch.“

Totenstille. Selbst Leila sah plötzlich nicht mehr so siegessicher aus.

Mia bewegte sich langsam. Ihre Absätze klackten auf dem Linoleum-Boden, bis sie direkt vor Timo stand. Sie war fast einen Kopf kleiner und doch stand sie über ihm.

„Timo Berger“, sagte sie. Ihre Stimme war ruhig, tief. „Ich kenne deinen Typ. Laut, aufgepumpt. Du denkst, du hast das Sagen, weil die anderen Angst vor dir haben. Aber du bist nicht furchteinflößend. Du bist vorhersehbar.“ Sie beugte sich nur so weit vor, dass er leicht zusammenzuckte. „Und ich bin nicht deine Vertretung. Ich bin deine Lehrerin. Also machen wir einen Deal. Du kannst weiter versuchen, mich zu schubsen, oder du setzt dich hin und lernst was.“

Sie richtete sich auf. „Deine Entscheidung. Aber entscheide dich schnell, denn ich bin mit Spielen fertig.“

Die Klasse hielt den Atem an. Timos Kiefer mahlte, die Fäuste geballt, doch ihre Augen, diese scharfen, unerschütterlichen Augen, ließen ihn nicht los. Er hatte noch nie erlebt, dass ihn jemand so durchschaute.

Dann drehte sich Mia einfach um, ignorierte ihn, hob ihren Roman auf. „Seite 47“, sagte sie. „Wir sprechen über Mut.“

Timo setzte sich wortlos, sein Gesicht rot. Seine Crew rührte sich nicht. Jan zeichnete nicht mehr. Leila starrte auf ihren Nagellack. Malik schaute weg.

Timo murmelte fast unhörbar. „Das war noch nicht alles, Fräulein.“

Mia drehte sich noch einmal um. Ihre Stimme war wie ein Skalpell. „Doch, Timo, das war’s. Es sei denn, du willst dem Schulleiter erklären, warum du gerade alle Zeit verschwendest. Oder willst du es mir erklären? Jetzt gleich.“

Sie trat einen Schritt näher. Ihre Stimme kaum mehr als ein Flüstern, die aber die ganze Klasse erreichte. „Ich bin in Gegenden aufgewachsen, die härter waren als dieses Klassenzimmer. Ich habe größere Tyrannen gesehen als dich. Und ich stehe immer noch hier. Also, was wird’s? Weitergraben oder versuchen, etwas anderes zu sein als ein Klischee?“

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