” Der alte Mann nickte langsam. Es gab einst einen Köhler bei der Marinebasis in Yukosuka. Elias Körper erstarrte. Das war ich. Ein langer Blickwechsel mit Sato folgte. Ein Funkenerkenntnis. Ein Flüstern ging durch die Delegation. Ganakuschaer, strategischer Militärübersetzer. Vivien sah das alles und zum ersten Mal seit Jahren fühlte sie nicht Überlegenheit, sondern Scham.
Nach der Pause testete Herr Sato Elias absichtlich. Er stellte Fragen in feinstem Kanai Dialekt schwierig, voller Stolpersteine. Elias antwortete mühelos, elegant, kulturell treffsicher. Ein leises Staunen ging durch die Delegation. Sato nickte schließlich. Oft werden Menschen unterschätzt. Elias senkte den Blick, nahm das Kompliment ohne Stolz an.
Doch Vivien, Vivien fühlte sich, als hätte jemand ihre Rüstung mit bloßen Fingern geöffnet. Sie hatte ihn ignoriert, gedemütigt, entlassen und nun sah sie ihn wirklich sah ihn zum ersten Mal. Es erschütterte sie auf eine Weise, an die sie lieber nicht gerührt worden wäre.
Als die Sitzung endete, war Vivien sicher, Elias war nicht nur ein Dolmetscher, nicht nur ein Angestellter. Er war der einzige Mensch, der den Absturz verhindern konnte, der sich in ihren eigenen Fehlern bereits ankündigte. Doch sie wußte noch nicht, er würde bald nicht nur die Rettung der Verhandlung sein, sondern der einzige Mensch, der ihre ganze Welt retten konnte.
Elias, kleine Wohnung, empfing ihn später an diesem Abend wie immer, erst still, dann warm. Die Wärme kam nicht von den flackernden Heizkörpern, sondern von Mira, die sofort barfuß durch den Flur lief, ihren Rucksack fallen ließ und sich auf das Sofa plumpsen ließ, als wäre der Tag nicht schwer gewesen. Doch heute fühlte sich selbst diese Wärme dünn an.
zerbrechlich wie eine Decke, die zwar ausreicht, aber nicht ganz gegen den Frost schützt, der tief im Inneren sitzt. Elias setzte Wasser auf, der Wasserkocher klackte. Mira holte ein zerfleddertes Notizbuch hervor, das Notizbuch ihrer Mutter. Papa, darf ich die Wörter üben, die Mama mir beigebracht hat? Dieser Satz? Er schnitt weicher, aber tiefer als jedes Messer.
Natürlich, Schatz. Sie saß im Schneidersitz auf dem Sofa und fuhr mit dem Finger über die krakeligen Schriftzeichen. Darigat Eishitteru dann sah sie zu ihm hoch. War das richtig? Er schluckte gegen den Knoten in seiner Kehle. Perfekt. Sie lächelte. Nai, unzerbrechlich. Sein ganzer Grund zum Atmen.
Der Tee duftete nach gerösteter Gärste, ein Duft, der sofort Erinnerungen wach rief. Eikos Schritte im Krankenhaus. Ihr Lächeln, ihr Atem flach und doch stark, während draußen die Militärhubschrauber kreisten. Und dann das Piepen, das scharfe, tödliche Piepen, das sich bis heute in seine Knochen gebrannt hatte. Er schloss die Augen, die Wärme des Tees gegen den Schmerz drückend. Er wollte nie wieder dorthin zurück, nie wieder in diese Welt.
Doch jetzt klopfte sie an seine Tür. Das Telefon klingelte. Elias erstarrte. Hier ist Elias. Die Stimme war freundlich. zu freundlich. HR Herr Köhler. Frau Kronberg bittet Sie morgen erneut zu übersetzen. Er schloss die Augen. Ich muss darüber nachdenken. Verständlich. Aber wir benötigen eine schnelle Rückmeldung. Als er auflegte, blickte Mira zu ihm.
Papa, ist das wegen dem großen Gebäude? Ja, wirst du ihnen helfen zu reden? Er schwieg. Ihr Verständnis für die Welt war so weich, so rein. Manchmal bedeutet helfen, an Orte im Herzen zurückzukehren, die weh tun. Sie dachte lange darüber nach, dann flüsterte sie. Aber Papa, wenn du helfen kannst, dass Menschen sich verstehen, tun sie sich dann weniger weh. Er hielt inne.
Dieser Satz so klein und doch so viel Wahrheit. Vielleicht hast du recht. Er setzte sich aufrecht hin, sah zu Eikos Foto an der Wand. Ich versuche es. Diesmal anders. Er rief HR zurück: “Ich werde morgen da sein.” Der nächste Morgen in Frankfurt war schneidend klar. Vivien spürte schon beim Betreten des Konferenzraums, dass etwas fehlte. Nicht nur Elias, sondern etwas in ihr selbst.
Sie hatte Fehler gemacht. Große, der Vorstand hatte es gespürt. Die Satodelegation ebenfalls. Ihr ganzes Imperium fühlte sich an, als schwebe es über einer Bruchstelle. In einem der gläsernen Flure stellte der Vorstandsvorsitzende sie zur Rede. Keine Fehltritte mehr, Vivien, keine Überraschungen mehr.