” Eine Stunde später, draußen vor dem Hotel hörte Elias eine Stimme. Köersan. Ein älterer Japaner nährte sich Herr Takassi, einst von Aikos Familie. Er überreichte einen schmalenbraunen Umschlag. Diese Briefe, Fotos. Ihre Frau schrieb sie kurz bevor. Er konnte nicht weitersprechen. Elias Hände zitterten, seine Augen brannten. Er verbeugte sich tief. Tiefe Dankbarkeit, tiefe Trauer.
Doch bevor er den Umschlag an sich drücken konnte, hörte er schnelle Schritte. Vivien. Sie hatte einen Anruf zu Ende geführt und kam gerade nach draußen. Sie sah Elias mit dem alten Mann. Sie sah die Hülle. Sie hörte japanisch. Ihr völlig überlastetes Gehirn zog sofort die falschen Schlüsse.
Parker, im Schatten lehnend, lächelte schmal. Vivien ging auf Elias zu, die Stimme eiskalt vor Panik. “Was geht hier vor?” “Es ist privat”, sagte Elias ruhig. “Ei privat? Während einer millionen schweren Verhandlung?” “Einer Verhandlung, die du beeinflusst.” “Ich sehe eine Hülle. Ich höre Japanisch und nach diesen fragwürdigen Klauseln.” Er starrte sie an, fassungslos. Sie glauben, ich nehme Bestechungsgelder.
Es war keine Frage, es war eine Wunde. Vivien sagte nichts. Und Stille ist manchmal schlimmer als jede Anschuldigung. Elias hielt ihr den Umschlag hin. Öffnen Sie ihn. Sie rührte sich nicht. Es sind Briefe meiner Frau sagte er heiser. Fotos, Erinnerungen, etwas, dass ich verloren glaubte. Vivien zuckte zurück, als hätte er sie geschlagen.
Elias schloss den Umschlag wieder. Wenn Sie mir nicht vertrauen, gut, aber wagen Sie es nicht, meinen Charakter in Frage zu stellen, wenn Sie nicht einmal wissen, wer ich bin. Er drehte sich um und ging. Sein Herz bebte nicht vor Wut, vor Schmerz. Und Vivien stand im kalten Licht der Straßenlaterne. Zum ersten Mal seit langem absolut sprachlos.
In seiner kleinen vorübergehenden Wohnung in Tokio hielt Elias Mira im Arm, als wäre sie die letzte Insel, die ihn vor dem Ertrinken retten könnte. Papa, haben wir etwas falsch gemacht? Ihre Stimme war so klein. Er drückte sie fest an sich. Nein, Schatz, nein, wir haben gar nichts falsch gemacht. Doch seine Stimme zitterte. Als Mira eingeschlafen war, vibrierte sein Handy.
Eine Nachricht von Kronberg Industries. Elias Köhler, ihre Rolle wird mit sofortiger Wirkung suspendiert. Er starrte auf das Display. Einen Moment lang atmete er nicht. Er war nicht nur verdächtigt worden, er war verworfen worden. Wieder der Morgen nach Elias. Suspendierung erwachte über Tokio mit einem fast entschuldigenden Licht.
Zart, blass, beinahe sanft als wüste die Stadt, dass jemand darin gerade zusammengebrochen war. Doch im höchsten Verhandlungsraum des Satota Towauers herrschte eine ganz andere Atmosphäre. Kalt, angespannt, unsicher wie ein Raum, der plötzlich seinen Kompass verloren hatte. Vivien betrat den Saal mit perfekter Haltung in einem makellosen Anzug und mit einem Blick, der wie Glas wirkte, hart, durchsichtig, fragil, kurz vorm Zerbrechen.
Unter der Oberfläche jedoch rumurte etwas, das sie seit Jahren nicht zugelassen hatte. Re, echte Reue. Der neue Übersetzer nahm Elias Platz ein. Die Delegation verbeugte sich höflich, doch ihre Höflichkeit hatte die Schwere eines geschlossenen Tores. Parker lächelte selbstsicher. “Lassen Sie uns weitermachen”, sagte er. Doch schon beim ersten Satz des Satoerben war Vivien klar. Etwas stimmte nicht.
Die Worte waren korrekt übersetzt, aber die Seele darin nicht. Der Ton war falsch, zu glatt, zu angepasst. Dann fiel das Wort Nanohe, die Schlange im Garten. Eine Redewendung, die so viel mehr Bedeutung trug als die harmlose Version, die der Übersetzer wiedergab. “Sie meinen, es gibt externe Risiken”, übersetzte er lächelnd. Vivienes Herz zog sich zusammen.
Das war nicht, was sie hörte. Das war nicht, was Elias übersetzt hätte. Und zum ersten Mal begriff sie mit absoluter Klarheit. Sie hatte den falschen Menschen verbandt. In der Pause schloss sie sich in einen kleinen Nebenraum ein. Ihre Hände zitterten, als sie Dokumente öffnete, E-Mailats durchsuchte, Versionen verglich. Dann fand sie es.