Sie redeten über alles, über Kindheit, Träume, Ängste, über die Kinder, über das Leben. Nicole sprach über ihre Firma, Lukas über seine Arbeit mit Patienten, die wiederlaufen lernen mussten. Sie redeten auch über Sarah, Lukas, verstorbene Frau. Nicole hörte ruhig zu, stellte keine eifersüchtigen Fragen, sondern echte. Ich habe Angst, gestand Nicole später beim Dessert.
Dass das, was wir haben, nur aus der Krise geboren ist. Das, wenn alles normal wird, wir merken, dass wir gar nicht zusammenpassen. Das Leben ist nie ganz normal, sagte Lukas. Es gibt immer Krisen. Die Frage ist nicht, ob man in perfekten Momenten zusammenpasst, sondern ob man in den echten Momenten zusammenhält. Und tun wir das. Ich glaube ja, sagte er. Ich auch.
Sie hielten sich über den Tisch hinweg an den Händen. Ringsum redeten Menschen, klirten Gläser, doch für einen Augenblick schien die Welt stillz stehen. Weißt du, sagte Nicole leise, das Beste an all dem. Wenn die Mädchen eines Tages fragen, wie wir uns kennengelernt haben, können wir ihnen die Wahrheit sagen, dass sie die Heldinnen waren, dass ihre Mut gerettet hat, was heute unsere Familie ist.
Sie werden sich schämen, grinste Lukas. Teenager hassen es, wenn man sie Helden nennt. Unsere Kinder, sagte Nicole sanft. Lukas bemerkte das Wort unsere und lächelte. Er widersprach nicht. Sechs Monate nach dem Angriff verkaufte Nicole altes Haus. Sie konnte dort nicht mehr leben.
Zu viele Schatten, zu viele Erinnerungen. Sie kaufte ein neues Haus im Münchner Umland mit Garten, vier Schlafzimmern, sicherer Gegend, groß genug für alle. Eins für mich, eins für jedes der Mädchen und ein Gästezimmer für Jakob, erklärte sie Lukas, wenn er mal übernachten will. Lukas Mietvertrag lief ohnehin bald aus.
Er hatte schon überlegt, in eine größere Wohnung zu ziehen. Doch dann sah er Nicole an und sagte vorsichtig: “Was, wenn wir nicht zwei Häuser brauchen? Was, wenn wir eins teilen?” Sie blieb mitten im Auspacken stehen. Lukas Weber, machen Sie mir gerade einen Antrag zusammenzuziehen. Ich schlage vor, dass wir gemeinsam ein Zuhause schaffen. Gleiche Partner, gleiche Eltern.
Nicole lächelte, trat zu ihm, legte die Arme um seinen Hals und küsste ihn. Ihr erster richtiger Kuss. Er schmeckte nach Hoffnung und nach zu Hause. Ja, sagte sie. Lass es uns richtig machen. Teil 6 von sech Monate nach dem Angriff zogen sie zusammen in ein gemeinsames Haus. Fünf Zimmer, großer Garten, gute Schule in der Nähe.
Jakob bekam endlich sein eigenes Zimmer. Anna und Lea dekorierten ihre Wände mit Sternen und Fotos. Nicole und Lukas teilten das Schlafzimmer das erste Mal seit Jahren, dass sie beide wieder ruhig schliefen. Jessica half beim Umzug. Als ich euch verkuppeln wollte, habe ich nicht gedacht, dass es so endet”, sagte sie lachend.
“Was hast du erwartet?”, fragte Nicole. “Vielleicht ein paar Dates, vielleicht ein Happy End.” Aber das hier, sie deutete auf die lachenden Kinder, die durch den Garten rannten. “Das ist besser als jedes Märchen.” Die erste Nacht im neuen Haus aßen sie Pizza auf dem Fußboden, weil der Esstisch noch nicht geliefert war.
Die Kinder liefen barfuß über die Fliesen, lachten, schrien, spielten Fang. Nicole lehnte sich an Lukas. Siehst du sie? Ja, sagte er. Sie sind glücklich und wir auch, flüsterte sie. Ein Jahr nach der Tat, an einem warmen Maiabend lehrte Lukas Jakob Fahrradfahren im Garten. Die Zwillinge pflückten Blumen. Nicole saß auf der Veranda mit einer Tasse Kaffee. Lukas kam zu ihr, zog eine kleine Schachtel aus der Tasche.
“Ich habe diesen Ring seit drei Monaten”, sagte er. “Ich habe auf den perfekten Moment gewartet, aber den gibt es nicht. Es gibt nur echte Momente, so wie diesen. Er kniete sich hin. Nicole Hansen, willst du mich heiraten? Willst du, dass ich den Rest meines Lebens für dich da bin? Für euch alle? Nicole begann zu weinen.
Ja, flüsterte sie. Ja, natürlich. Ja. Die Kinder jubelten. Jakob rief, heißt das. Anna und Lea sind jetzt meine Schwestern. Wenn du das willst, sagte Lukas. Ich will das, rief er stolz. Drei Monate später heirateten sie im Garten. Klein, schlicht, mit Familie und Freunden. Anna und Lea streuten Blumen. Jakob war Trauzeuge und sagte sehr ernst: “Ich will endlich Kuchen.” Alle lachten, sogar der Pfarrer.