Sie lachte ein kurzer Laut, der in Schmerz überging. Autsch, keine Witze. Gebrochene Rippen. Entschuldigung. In den folgenden Tagen machte Nicole schnelle Fortschritte. Die Ärzte staunten über ihre Genesung. Sie wurde von der Intensivstation auf eine normale Station verlegt, bekam täglich Physiotherapie.
Lukas besuchte sie jeden Abend nach der Arbeit, meistens mit Jakob und den Zwillingen. Die Kinder erzählten von der Schule, von Zeichnungen, von kleinen Alltäglichkeiten. Nicole hörte zu, saugte jedes Detail auf, als wolle sie nichts mehr verpassen.
Eines Abends, als die Kinder einen Film auf dem Tablet schauten, sagte sie: “Ich muss Ihnen etwas erzählen über Thomas, über das, was zu allem geführt hat.” Lukas hob abwährend die Hand. “Sie müssen nicht.” Doch. unterbrach sie. Sie verdienen die Wahrheit. Sie atmete tief ein. Als wir geheiratet haben, war ich 25. Ich arbeitete in einem kleinen IT-unternehmen. Er war gerade selbstständig, angeblich Unternehmer.
Ich verdiente das Geld. Er hatte große Pläne, aber nichts davon wurde je etwas. Als ich die Zwillinge bekam, nahm ich Elternit. Danach wollte ich wieder arbeiten und er wurde wütend. Er meinte, eine Mutter solle zu Hause bleiben. Lukas sagte nichts, ließ sie reden. F Jahre später gründete ich mein eigenes Beratungsunternehmen. Erst klein, dann immer größer.
Innerhalb von 2 Jahren hatte ich 15 Mitarbeiter, gute Aufträge, ein richtiges Büro und er konnte es nicht ertragen. Er trank, er schrie, machte mir Angst. Nie hat er mich geschlagen, aber ich wusste, es war nur eine Frage der Zeit.
Als er eines Abends einen Stuhl nach mir warf, der an mir vorbeiflog und ein Loch in die Wand rißs, habe ich die Scheidung eingereicht. Die Mädchen standen auf der Treppe und sahen alles. Sie schloss die Augen. Ich bekam das alleinige Sorgerecht, ein Ernährungsverbot. Nach der Scheidung explodierte mein Geschäft. Neue Kunden, neue Verträge. Plötzlich war die Firma Millionen wert. Und er hat geglaubt, das stünde ihm zu.
Als er erfuhr, daß ich jemanden treffen würde, war das wohl der letzte Tropfen. Lukas nickte langsam. Er wollte Geld erzwingen. Ah ja, ich glaube, er wollte mich bedrohen, aber es ist außer Kontrolle geraten. Die Polizei hat gesagt, ohne die Mädchen, ohne sie wäre ich verblutet. Aber sie leben, sagte Lukas sanft. Und er kommt für lange Zeit ins Gefängnis.
Mein Anwalt meint 25 bis 30 Jahre mindestens. Seine Freunde packen aus, um mildere Strafen zu bekommen. Sie sah Lukas an, ihre Stimme zitterte. Ich habe solche Angst, aber gleichzeitig bin ich dankbar und verwirrt. Sie sind in den schlimmsten Moment meines Lebens hineingeraten und geblieben. Warum? Er zögerte. Dann sprach er ehrlich: “Vor fünf Jahren ist meine Frau gestorben, als Jakob geboren wurde.
Ich stand in einem Krankenhaus wie diesem und musste entscheiden, wen die Ärzte retten sollen. Sie hat für mich entschieden. Rette unseren Sohn”, hat sie gesagt. Seitdem habe ich mich oft gefragt, wie es wäre, wenn jemand da gewesen wäre, der mir geholfen hätte. Als ich ihre Töchter sah, dachte ich an Jakob daran, wie es für ihn wäre, wenn ich nicht mehr zurückkäme.
Ich konnte nicht zulassen, dass Sie glauben, niemand würde sich kümmern. Nicole hatte Tränen in den Augen. Sie sind ein guter Mensch, Lukas Weber. Ich bin nur jemand, der da war. Manchmal ist genau das das Wichtigste. Zwei Wochen nach dem Erwachen dürfte Nicole das Krankenhaus verlassen.
Zurück in ihr Haus wollte sie nicht. zu viele Erinnerungen. Das Haus war ohnehin noch Tatort, gesperrt bis zum Prozess. Ihre Eltern boten an, sie und die Zwillinge mit ins Algu nehmen, doch Nicole schüttelte den Kopf. Mein Unternehmen ist hier. Die Schule der Mädchen ist hier. Ich lasse Thomas nicht auch noch mein Zuhause zerstören. Sie mietete eine möblierte Wohnung in München Heithausen.
Klein, sicher, mit Gegensprechanlage und Wachschutz. Die Zwillinge halfen beim Einzug, aber abends wollten sie meist zu Lukas und Jakob. So wurde es zur Routine, Schule, Therapie, Hausaufgaben und am Abend gemeinsames Abendessen bei Lukas. Nicole kam gut voran in der Physiotherapie. Sie arbeitete bald wieder stundenweise von zu Hause, traf sich per Videokonferenz mit ihrer Geschäftspartnerin.