(1881) Helga, die Köchin, die drei Generationen einer Familie vergiftete – und nie enttarnt wurde

Willkommen zu einer weiteren verstörenden Geschichte. Kommentieren Sie, von wo aus Sie zuschauen und wann genau Sie diese Geschichte hören. Im Herbst 1821 starb in der bayerischen Gemeinde Oberammergau der wohlhabende Holzschnitzer Heinrich Waldmann im Alter von nur 44 Jahren. Sein Tod wurde als natürlich eingestuft.


Herzversagen, erklärten die örtlichen Behörden. Doch was die Behörden nicht wußten, war, daß Heinrich bereits der dritte Mann aus der Familie Waldmann war, der unter ähnlichen Umständen verstorben war. Sein Vater Jakob war 1856 gestorben, sein Großvater Wilhelm 183. Alle drei hatten dieselbe Köchin beschäftigt, eine Frau namens Helga Brenner.
Die Waldmanns lebten in einem stattlichen Bauernhaus am Rande von Oberammergau, umgeben von den imposanten Ammergauer Alpen. Das Haus stand seit Generationen im Besitz der Familie und war bekannt für seine kunstvoll geschnitzten Holzbalken, ein Zeugnis der handwerklichen Tradition, die von Vater zu Sohn weitergegeben wurde.
Die Nachbarn beschrieben die Waldmanns als zurückhaltende, aber respektierte Familie, die ihre Geschäfte diskret und erfolgreich führte. Helger Brenner war eine unauffällige Frau mittleren Alters, die 183 Uhr in den Dienst der Familie getreten war. Sie stammte aus dem nahe gelegenen Dorf Etal und hatte keine bekannte Familie.
Ihre Kochkünste waren in der Gegend geschätzt und sie galt als zuverlässig und fleißig. Was niemand ahnte, war die dunkle Konstante, die sich durch drei Generationen der Familie Waldmann ziehen sollte. Der erste Todesfall ereignete sich am 12. November 1834. Wilhelm Waldmann, der Patriarch der Familie, klagte an jenem Morgen über Übelkeit und starke Bauchschmerzen.
Gegen Mittag verstärkte sich sein Zustand drastisch. Der herbeigerufene Dorfarzt Dr. Franz Huber konnte nur noch den Tod feststellen. Die Symptome wurden als typisch für eine Herzattacke gedeutet in einer Zeit, in der medizinische Diagnosen noch rudimentär waren. Das Leben im Waldmannchen Haushalt folgte einer strengen Routine.
Helger Brenner stand jeden Morgen vor Sonnenaufgang auf und begann ihre Arbeit in der großen Bauernküche. Der Raum war das Herz des Hauses, eine geräumige Kammer mit einem massiven Kachelofen, hölzernen Arbeitsflächen und schweren eisernen Töpfen, die an Haken über dem Herd hingen.
Die Luft roch stets nach Brot, Fleisch und den Kräutern, die Helga in kleinen Bündeln an den Balken trocknete. Nach dem Tod von Wilhelm übernahm dessen Sohn Jakob das Anwesen und die Schnitzerei. Er war ein ruhiger Mann, der die bewährten Traditionen fortführte. Helga blieb als Köchin und entwickelte eine fast mütterliche Beziehung zu Jakob und später zu dessen Sohn Heinrich.
Sie kannte die Vorlieben jedes Familienmitglieds, wusste genau, wie jeder seinen Morgenkaffee mochte, welche Suppe er bei Krankheit bevorzugte. Die Nachbarn bemerkten, dass Helga eine eigenartige Gewohnheit hatte. Sie sammelte Kräuter und Pflanzen aus den umliegenden Wäldern.
Oft sah man sie in den frühen Morgenstunden oder bei Dämmerung mit einem Weidenkorb durch die Wiesen wandeln. Auf Nachfragen erklärte sie, dies seien Zutaten für ihre Hausrezepte und Heilmittel. In einer Zeit, in der solche Praktiken üblich waren, erregte dies keine besondere Aufmerksamkeit. Das Haus selbst schien die Geheimnisse seiner Bewohner zu bewahren.
Die dicken Holzwände dämpften jedes Geräusch und die kleinen Fenster ließen nur spärlich Licht hinein. In der Speisekammer, die direkt neben der Küche lag, bewahrte Helga ihre Vorräte auf, Fässer mit eingelegtem Gemüse, getrocknete Würste, Säcke mit Mehl und Getreide und in einem kleinen verschlossenen Schrank hielt sie ihre besonderen Zutaten bereit, jene Kräuter und Pulver, deren wahre Natur niemand kannte.
Im Frühjahr 1856 begann Jakob Waldmann über wiederkehrende Magenbeschwerden zu klagen. Die Symptome traten zunächst sporadisch auf. Ein Brennen im Magen nach den Mahlzeiten, gelegentliche Übelkeit, Kopfschmerzen. Helger zeigte sich besorgt und bot an, spezielle Tees und Suppen zuzubereiten, die seine Beschwerden lindern sollten. Jakob, der seiner langjährigen Köchin vertraute, nahm die Angebote dankbar an.
Die Beschwerden verschlimmerten sich jedoch über die Wochen hinweg. Jakob verlor merklich an Gewicht. Seine einstkräftige Statur wurde zunehmend gebeugt. Seine Frau Maria bemerkte, daß er nachts oft schlecht schlief und unruhig war. Tagsüber klagte er über eine ständige Müdigkeit, die selbst durch Ruhe nicht zu lindern war. Dr. Huber wurde mehrfach zu Rate gezogen.
Der betagte Arzt diagnostizierte eine Schwäche der Verdauungsorgane und empfahl eine schonende Diät sowie Ruhe. Helger übernahm es, die ärztlichen Anweisungen umzusetzen. Sie bereitete leichte Suppen zu. kochte Haferbrei mit Milch und servierte gekochtes Hühnerfleisch. Doch Jakobs Zustand stabilisierte sich nicht.
Im Gegenteil, er verschlechterte sich stetig. An einem regnerischen Oktobertag 1856 fand Maria ihren Mann bewusstlos in seinem Arbeitszimmer vor. Seine Haut war fahl und kalt, seine Atmung flach und unregelmäßig. Als Dr. Huber eintraf, konnte er nur noch den Tod feststellen. Die Todesursache wurde erneut als Herzversagen dokumentiert, eine Folge der langwierigen Erkrankung, wie der Arzt notierte. Helger zeigte angemessene Trauer über den Verlust ihres Arbeitgebers.


Sie half bei den Vorbereitungen für die Beerdigung und sorgte für das Wohl der Hinterbliebenen. Niemand stellte ihre Loyalität in Frage und als Heinrich Jakobs Sohn das Erbe antrat, war es selbstverständlich, dass Helga als Köchin im Haus bleiben würde. Nach Jakobs Tod entstand in Oberammergau eine Art kollektives Schweigen über die Häufung der Todesfälle in der Familie Waldmann.
Die Dorfgemeinschaft akzeptierte die ärztlichen Diagnosen ohne weitere Fragen. Herzversagen war eine häufige Todesursache, besonders bei Männern mittleren Alters, die körperlich schwer arbeiteten. Die handwerkliche Tätigkeit als Holzschnitzer galt als anstrengend für Herz und Kreislauf. Dr.
Huber, mittlerweile der einzige Arzt in der Gegend, der alle drei Todesfälle miterlebt hatte, zeigte keine Anzeichen von Misstrauen. Seine Aufzeichnungen aus jener Zeit, die später in den Archiven der Gemeinde gefunden wurden, beschreiben die Symptome sachlich, aber ohne erkennbare Zweifel an den Diagnosen. In einem Brief an einen Kollegen in München erwähnte er lediglich die erbliche Schwäche des Waldmanischen Herzens.
Eine Erklärung, die in der damaligen medizinischen Praxis durchaus üblich war. Heinrich Waldmann, der neue Hausherr, war zu jenem Zeitpunkt ein Mann von Jahren. Er hatte seine Lehre als Holzschnitzer bei seinem Vater absolviert und war bereit, die Familientradition fortzuführen. Seine Ehe mit Anna Bergmeier aus Badölz war bereits arrangiert und die Hochzeit sollte im folgenden Jahr stattfinden.
Die Kontinuität schien gesichert und mit ihr blieb auch Helger Brenner als feste Größe im Haushalt. Die Nachbarn bemerkten, dass Heinrich in den ersten Monaten nach dem Tod seines Vaters oft nachdenklich wirkte. Er stellte gelegentlich Fragen über die Umstände von Jakobs Erkrankung. Doch diese wurden meist mit Verweis auf die ärztliche Expertise abgetan.
Der Pfarrer der örtlichen Kirche, Pater Sebastian, der die Familie seit Jahren kannte, sprach von Gottes unergründlichem Willen und ermahnte zur Demut vor dem Schicksal. Helger selbst trug zur allgemeinen Beruhigung bei. Sie erzählte jedem, der es hören wollte, wie sehr sie unter dem Verlust ihrer Arbeitgeber gelitten habe.
Ihre Trauer wirkte aufrichtig, ihre Sorge um Heinrich rührend. Sie kannte seine Vorlieben seit seiner Kindheit, wusste, dass er gerne süße Mehlspeisen aß und heißen Kakao mit Zimt trank. Diese vertrauten Details ihres Zusammenlebens ließen jeden Verdacht absurd erscheinen. Die örtliche Chronik aus dem Jahr 1857, verfasst vom Gemeindeschreiber, erwähnt die Familie Waldmann nur beiläufig.
Ein traditionsreiches Handwerkergeschlecht, das bedauerlicherweise von häufigen Krankheiten heimgesucht wird. Diese lapidare Feststellung spiegelte die allgemeine Haltung wieder. Man bedauerte, aber man hinterfragte nicht. Die Jahre zwischen Jakobs Tod 1856 und Heinrichs Hochzeit 1859 waren geprägt von einer eigenartigen Atmosphäre im Waldmannschenhaus.
Heinrich führte das Geschäft erfolgreich weiter, doch Besucher bemerkten oft eine bedrückende Stille, die über dem Anwesen lag. Die großen Räume, einst erfüllt von den Geräuschen einer lebendigen Familie, wirkten nun überdimensioniert für die wenigen Bewohner.
Helger Brenner hatte sich in diesen Jahren zu einer Art Haushälterin und Vertrauten entwickelt. Sie kannte jeden Winkel des Hauses, jede Eigenart der alten Bausubstanz. Die Holzbalken knarrten vertraut unter ihren Schritten, wenn sie morgens durch die Gänge ging, um ihre Arbeit zu beginnen. Im Winter, wenn der Wind durch die Ammergauer Berge pfiff, waren es ihre warmen Mahlzeiten, die dem Haus Leben einhauchten. Heinrich begann in dieser Zeit ein Tagebuch zu führen.
Die wenigen erhaltenen Seiten, die später in einem Geheimfach seines Schreibtischs gefunden wurden, zeigen einen nachdenklichen Mann, der sich Gedanken über sein Erbe machte. In einer Eintragung vom März 1858 schrieb er: “Helga bereitet heute wieder den Lebertran zu, den schon mein Großvater genommen hat. Sie sagt, er stärke das Herz.
Hoffentlich bewahrt er mich vor dem Schicksal meiner Vorfahren.” Die Mahlzeiten im Waldmannschen Haus folgten einem strengen Ritual. Helga servierte das Essen pünktlich. Die Gerichte waren stets reichhaltig und von ausgezeichneter Qualität. Heinrich aß meist allein im großen Esszimmer, während Helger in der Küche ihre eigene Mahlzeit zu sich nahm.
Gäste waren selten und wenn sie kamen, lobten sie ausnahmslos Helgas Kochkunst. Anna Bergmeier, Heinrichs Verlobte, besuchte das Haus regelmäßig in den Monaten vor der Hochzeit. Später berichtete sie, daß Helger stets freundlich, aber distanziert gewesen sei. Sie kannte ihren Platz, erinnerte sich Anna Jahre später in einem Brief an ihre Schwester.
Aber manchmal hatte ich das Gefühl, dass sie uns beobachtete, als würde sie etwas wissen, was wir nicht wussten. Das Haus selbst schien die Geheimnisse seiner Vergangenheit zu bewahren. In der Speisekammer stapelten sich die Vorräte, sorgfältig etikettierte Gläser und Töpfe mit Hellgas selbstgemachten Konserven und Gewürzmischungen. Ein kleiner, immer verschlossener Schrank erregte gelegentlich Neugier, doch Helga erklärte, dort seien nur seltene Gewürze aufbewahrt, die sie für besondere Anlässe verwende.
Im Sommer 1859 heirateten Heinrich und Anna in der Oberammergauer Pfarrche. Die Hochzeit war ein freudiges Ereignis für das ganze Dorf. Und das Waldmansche Haus erlebte nach Jahren der Stille wieder Leben und Lachen. Helga hatte ein üppiges Hochzeitsmal zubereitet und die Gäste priesen ihre Künste in höchsten Tönen.
Anna brachte frischen Wind in das alte Haus. Sie war eine lebhafte junge Frau aus gutbürgerlichem Hause, die gewohnt war, ihren Haushalt selbst zu organisieren. Dies führte zu den ersten Spannungen mit Helger, die seit 30 Jahren die unumschränkte Herrin der Küche gewesen war. Anna wollte neue Rezepte ausprobieren, andere Gewürze verwenden, die Speisevolge ändern.
Helger begegnete diesen Neuerungen mit höflicher Zurückhaltung. Sie ließ Anna gewähren, beharrte aber darauf, dass bestimmte Gerichte nur sie selbst zubereiten könne. “Das Rezept für Heinrichs Lieblingssoße,” erklärte sie, “stheimnis der Familie.” Anna, die Harmonie im Haus wollte, gab nach und überließ Helger weiterhin die Führung der Küche. In den ersten Monaten der Ehe blühte Heinrich auf.
Anna berichtete später, er sei fröhlicher und zugänglicher gewesen als je zuvor. Die jungen Ehele planten bereits die Gründung einer Familie und Heinrich sprach davon, das Haus zu renovieren und zu modernisieren. Doch im Herbst 1859 begannen wieder die alten Symptome. Es waren zunächst nur kleine Unpässlichkeiten.
Heinrich klagte über Müdigkeit nach den Mahlzeiten, über gelegentliche Kopfschmerzen. Anna schrieb diese Beschwerden der Anstrengung des Geschäfts zu. Die Weihnachtszeit war traditionell die arbeitsreichste für Holzschnitzer. Helga zeigte sich besorgt und bereitete stärkende Brühen zu, wie sie es schon bei Heinrichs Vater und Großvater getan hatte. Dr.
Huber, mittlerweile ein alter Mann, untersuchte Heinrich mehrfach. Seine Diagnosen waren Waage, Überanstrengung, schwache Konstitution, möglicherweise eine erbliche Anfälligkeit. Anna bemerkte, dass die Beschwerden meist nach den Mahlzeiten auftraten. Doch als sie dies einmal erwähnte, erklärte Helga: “Schwere Arbeit vertrage sich nicht mit reichhaltigem Essen. Sie bot, die Mahlzeiten leichter zu gestalten.
Im Winter 1867 verschlechterte sich Heinrichs Zustand deutlich. Er verlor an Gewicht. Seine Haut bekam einen fahlen Ton. Anna drängte darauf, einen Arzt aus München zu konsultieren. Doch Heinrich lehnte ab. Er vertraue Dr. Huber und außerdem seien weite Reisen in seinem Zustand zu anstrengend.
Im Frühjahr 1861 ereignete sich ein Vorfall, der Jahre später von entscheidender Bedeutung sein sollte. Anna Waldmann war für einige Tage zu ihrer Familie nach Batölz gereist, um ihre erkrankte Mutter zu pflegen. Heinrich blieb allein mit Helger im Haus zurück, eine Situation, die sich in den vergangenen Monaten mehrfach ergeben hatte.
An einem dieser Tage erhielt Heinrich Besuch von seinem Jugendfreund Georg Lechner, der aus Augsburg angereist war. Georg, mittlerweile selbst Handwerksmeister, war schockiert über Heinrichs Aussehen. In einem späteren Brief an seine Frau beschrieb er Heinrich als einen Schatten seiner selbst, abgemagert und mit matter Haut, als wäre alles Leben aus ihm gewichen.
Während Georgs Besuch servierte Helga das Mittagessen, eine kräftige Rindsuppe mit Gemüse und frischem Brot. Georg bemerkte, dass Helger Heinrich einen speziellen Teller brachte, aus dem sie selbst eine kleine Kostprobe nahm. “Für die richtige Würze”, erklärte sie lächelnd. Heinrich aß nur wenig, während Georg den Großteil seiner Portion verzehrte. Nach dem Essen verschlechterte sich Heinrichs Zustand rapide.
Er klagte über starke Übelkeit und Magenkrämpfe, wurde blass und zittrig. Georg drängte darauf, sofort Dr. Huber zu holen, doch Heinrich wehrte ab. Solche Anfälle seien in letzter Zeit häufiger geworden. S sie würden vorübergehen. Helga brachte beruhigenden Tee und Kamillenkompressen. Georg verließ Oberammergau mit einem beklemmendem Gefühl.
In seinem Tagebuch notierte er: “Heinrich ist schwer krank, aber niemand scheint die wahre Ursache zu kennen. Helger kümmert sich aufopfernd um ihn, doch ich kann nicht, umhin zu bemerken, dass sie bei all ihrer Fürsorge eine eigenartige Ruhe ausstrahlt, als wüsste sie mehr über seinen Zustand, als sie zugibt.
” Als Anna aus Bartölz zurückkehrte, fand sie ihren Mann in einem alarmierenden Zustand vor. Heinrich war in den wenigen Tagen ihrer Abwesenheit deutlich schwächer geworden. Er lag meist im Bett, aß kaum noch und sprach wirr von Visionen und Albträumen. Anna bestand darauf, einen Spezialisten aus München kommen zu lassen.
Doktor Ludwig Brenner, kein Verwandter von Helga, wie der Name vermuten ließ, reiste im August 1861 aus der bayerischen Hauptstadt an. Seine Untersuchung ergab ein rätselhaftes Krankheitsbild. Die Symptome deuteten auf eine Vergiftung hin, doch eine Quelle war nicht auszumachen. Dr. Brenner empfahl eine drastische Änderung der Lebensgewohnheiten und eine strenge Diät. Helger zeigte sich kooperativ bei der Umsetzung der ärztlichen Anweisungen.


Sie bereitete nur noch die einfachsten Speisen zu. Gekochtes Fleisch, klare Brühen, ungewürzten Haferbrei. Doch Heinrichs Zustand stabilisierte sich nicht. Am 23. Oktober 1861, einem kalten Herbsttag starb Heinrich Waldmann im Alter von nur 30 Jahren. Nach Heinrichs Tod stand Anna vor dem Ruin.
Als kinderlose Witwe hatte sie keinen Anspruch auf das Erbe, das an entfernte Verwandte fiel. Das Waldmansche Haus wurde verkauft, die Werkstatt aufgelöst. Helger Brenner verlor nach Jahren ihren Arbeitsplatz, doch sie schien dies mit bemerkenswerter Gelassenheit zu tragen. Anna verließ Oberammergau im Frühjahr 1863 und kehrte zu ihrer Familie nach Bad Tölz zurück.
Sie heiratete nie wieder und führte bis zu ihrem Tod 188 ein zurückgezogenes Leben. Ihre wenigen schriftlichen Aufzeichnungen aus jener Zeit, die in den 1950er Jahren in ihrem Nachlass gefunden wurden, offenbaren jedoch ein Detail von großer Bedeutung. Helger war die einzige Person im Haushalt, die niemals krank wurde. In all den Jahren, die ich sie kannte, sah ich sie nicht ein einziges Mal unpässlich.
Helger selbst fand schnell eine neue Anstellung bei der Familie Huber. Ironischerweise bei dem Sohn des Arztes, der alle drei Todesfälle der Waldmanns dokumentiert hatte. Dr. Franz Huber war mittlerweile verstorben und sein Sohn Wilhelm hatte dessen Praxis übernommen.
Wilhelms Frau Charlotte war hochschwanger und benötigte Unterstützung im Haushalt. Das waldmansche Anwesen wurde von einem Händler aus München erworben, der es als Sommerresidenz nutzen wollte. Doch bereits im ersten Jahr begannen seltsame Vorkommnisse. Die neuen Bewohner klagten über einen durchdringenden süßlichen Geruch in der Küche, der sich nicht beseitigen ließ.
Die Speisekammer schien ständig feucht zu sein, obwohl das Dach repariert worden war. Nachts hörte man Geräusche aus der Küche, ein Klappern von Töpfen, Schritte auf den Steinplatten. Der Münchner Händler Franz Steinberger führte ein penibles Tagebuch über die Renovierungsarbeiten. Seine Aufzeichnungen dokumentieren merkwürdige Funde.
In der Speisekammer entdeckten die Arbeiter hinter einer falschen Wand ein kleines Versteck mit seltsamen Gegenständen. Getrocknete Kräuter, die niemand identifizieren konnte. kleine Glasfläschchen mit Rückständen unbekannter Substanzen und ein in Leder gebundenes Notizbuch mit handschriftlichen Aufzeichnungen.
Das Notizbuch war in deutscher Kurenschrift verfasst und für die Arbeiter schwer zu entziffern. Steinberger ließ es von einem Gelehrten in München übersetzen. Der Inhalt war verstörend. Es handelte sich um detaillierte Aufzeichnungen über Pflanzen und ihre Wirkungen, Dosierungen verschiedener Substanzen und Notizen über Symptome und deren Verlauf.
Ein Eintrag vom September 1856 lautete: J reagiert wie erwartet. Menge war angemessen, Verlauf unauffällig. Arzt stellt keine Fragen. Steinberger war ein gebildeter Mann und erkannte die Brisanz seiner Entdeckung. Er kontaktierte die örtlichen Behörden, doch diese zeigten wenig Interesse an Ereignissen, die Jahre zurücklagen.
Der neue Gemeindeschreiber kannte die Geschichte der Familie Waldmann nicht und Dr. Wilhelm Huber, der Sohn des verstorbenen Arztes, wiegelte ab. Alte Hausrezepte, erklärte er. Meine Großmutter hatte ähnliche Aufzeichnungen. Die Landbevölkerung sammelt seit jeher Kräuter für allerlei Beschwerden. Doch Steinberger ließ nicht locker. Er begann Nachforschungen über die Familie Waldmann und deren Köchin anzustellen.
Bei der Gemeinde fand er die Sterbeurkunden aller drei Männer, alle mit derselben Todesursache. Herzversagen. Bei der örtlichen Kirche stieß er auf weitere Ungereimtheiten. Vater Sebastian, mittlerweile ein sehr alter Mann, erinnerte sich an Gespräche mit Heinrich Waldmann kurz vor dessen Tod. “Er war unruhig geworden”, erzählte der Pfarrer, stellte Fragen über seine Vorfahren, wollte wissen, ob es in der Familie schon einmal ähnliche Todesfälle gegeben hatte.
Ich beruhigte ihn, erklärte ihm, dass Gott manchmal ganze Familien mit derselben Schwäche belastet. Aber Heinrich wirkte nicht überzeugt. Er sprach davon, daß er Beobachtungen gemacht habe, Dinge bemerkt habe, die ihm Angst machten. Steinberger ersuchte um Einsicht in die Kirchenbücher. Dabei machte er eine weitere beunruhigende Entdeckung.
Helger Brenner war nie offiziell als Gemeindemitglied registriert worden. Sie erschien erstmals 1830 in den Aufzeichnungen als Angestellte der Familie Waldmann, doch ihre Herkunft blieb unklar. Angeblich stammte sie aus Et. Doch in den dortigen Registern fand sich keine Spur von ihr. Franz Steinbergers Nachforschungen über Helger Brenner hatten eine neue beunruhigende Dimension erreicht.
Die Entdeckung der Aufzeichnungen in dem verschlossenen Schrank war nur der Anfang gewesen. Mit der methodischen Gründlichkeit eines erfahrenen Kaufmanns begann er ein Netzwerk von Verbindungen aufzudecken, das weit über Oberammergau hinausreichte. Der Winter 1865 wurde zu einem Winter der Offenbarungen. Steinberger korrespondierte mit Behörden in ganz Bayern und darüber hinaus.
Seine Briefe, von denen Kopien in seinem privaten Nachlass erhalten sind, zeigen einen Mann, der von einer fixen Idee besessen war. Er wollte die gesamte Laufbahn dieser Frau rekonstruieren, jeden ihrer falschen Namen, jeden ihrer Arbeitgeber, jeden ihrer Morde. Die Antworten, die er erhielt, zeichneten ein erschreckendes Bild.
Ein Landrat aus Rosenheim berichtete von einem Fall aus dem Jahr 1847. Ein wohlhabender Mühlenbesitzer namens Alois Wittmann war unter mysteriösen Umständen gestorben, nachdem er eine neue Haushälterin namens Helena Ber eingestellt hatte.
Die Frau war nach seinem Tod mit einer beträchtlichen Summe Bargeld verschwunden, die aus Witmanns Privatschatulle gestohlen worden war. Ein Notar aus Ingolstadt schrieb über den seltsamen Tod des Textilhändlers Franz Gruber im Jahr 1852. Auch hier hatte eine Köchin namens Berta Huber eine Rolle gespielt. Gruba war ein misßrauischer Mann gewesen, der sein Testament alle paar Monate änderte.
Kurz vor seinem Tod hatte er überraschend ein neues Testament verfasst, indem er seiner treuen, Angestellten Berter eine großzügige Rente vermachte. Nach seinem Tod war Berta spurlos verschwunden und das Gold, das er in einem Wandversteck aufbewahrt hatte, fehlte. Aus München kam der erschreckendste Bericht. Der Arzt Dr.
Leonhard Fuchs hatte 1858 Aufzeichnungen über eine Serie mysteriöser Todesfälle gemacht, die sich über einen Zeitraum von fast 30 Jahren erstreckten. Alle Fälle zeigten dasselbe Muster, wohlhabende alleinstehende Männer mittleren Alters, die nach kurzer Krankheit starben, während eine unauffällige Köchin oder Haushälterin im Haushalt arbeitete. Dr.
Fuchs hatte versucht, die Behörden zu alarmieren, war aber auf Taube Ohren gestoßen. Seine Kollegen hatten ihm vorgeworfen, Gespenster zu sehen. Sein Bericht, den Steinberger im Archiv der Münchner Universität fand, enthielt eine erschreckende Statistik.
In einem Umkreis von 100 Kilometern um München waren zwischen 1830 und 1855 mindestens Männer unter ähnlichen Umständen gestorben. In jedem Fall war eine Köchin oder Haushälterin mittleren Alters beteiligt gewesen und in jedem Fall war diese Frau nach dem Tod ihres Arbeitgebers verschwunden. Steinberger erkannte das Muster. Die Beschreibungen der Frauen variierten leicht.
Mal war es eine brunette Frau mit hellen Augen, mal eine etwas ältere Dame mit grauem Haar, aber bestimmte Details blieben konstant. Alle waren erfahrene Köchinnen, alle kamen mit ausgezeichneten Referenzen und alle verschwanden spurlos, wenn ihr Arbeitgeber gestorben war. Die erschreckende Wahrheit begann sich abzuzeichnen.
Helga Brenner war nicht nur eine Gelegenheitsmörderin gewesen, sie war eine professionelle Killerin, die über Jahrzehnte hinweg systematisch wohlhabende Männer ermordet hatte. Sie hatte ihre Identität regelmäßig gewechselt, war von Ort zu Ort gezogen und hatte ihre Verbrechen so geschickt getarnt, dass sie nie entdeckt worden war.
Steinbergers Recherchen führten ihn auch zu einer weiteren verstörenden Entdeckung. In den Kirchenbüchern von Et fand er schließlich doch einen Eintrag für eine Margarete Huber, geboren 1799. Aber dieser Eintrag war merkwürdig. Er war mit einer anderen Tinte geschrieben worden als die umgebenden Einträge. Und die Handschrift war anders.
Jemand hatte nachträglich eine falsche Identität in die offiziellen Aufzeichnungen eingefügt. Der Pfarrer von Ettal, ein alter Mann namens Benedikt Koller, erinnerte sich Waage an die Geschichte. Es gab mal eine Frau, die behauptete, aus unserem Dorf zu stammen, erzählte er Steinberger. Sie kam um 18 mit einer Geschichte von verlorenen Papieren und bat darum, ihre Geburt nachträglich registrieren zu lassen.
Sie zahlte eine großzügige Spende für die Kirche und mein Vorgänger sah keinen Grund, ihr zu misstrauen. Dies erklärte, wie Helga ihre Identität als Margarete Huber konstruiert hatte. Sie war nicht aus Et hatte aber die Gutgläubigkeit und die lockeren Registerführung jener Zeit ausgenutzt, um sich eine Vergangenheit zu kaufen.
Wer war sie wirklich? Woher kam sie ursprünglich? Und wie viele andere falsche Identitäten hatte sie sich im Laufe der Jahre geschaffen? Steinbergers Nachforschungen führten ihn zu einem weiteren beunruhigenden Fund. In einem alten Gasthaus bei Freising entdeckte er in den Gästebüchern der 1840er Jahre regelmäßige Einträge einer Reisenden namens Magdalena Weber. Die Einträge zeigten ein Muster.
Die Frau reiste von Ort zu Ort, blieb jeweils nur wenige Tage und ihre Routen führten sie immer zu Städten, in denen später mysteriöse Todesfälle aufgetreten waren. Der Gast wird, ein Mann namens Georg Lechner, war mittlerweile verstorben, aber seine Witwe erinnerte sich an die Gästin. “Eine sehr ruhige Frau”, erzählte sie.
Immer höflich, immer gut gekleidet. Sie sagte, sie sei auf der Suche nach Arbeit in gutbürgerlichen Haushalten. Manchmal brachte sie Empfehlungsschreiben mit. sehr schön geschrieben. Diese Empfehlungsschreiben waren der Schlüssel zu Helgas System gewesen. Steinberger erkannte, dass sie ihre früheren Verbrechen benutzt hatte, um Zugang zu neuen Opfern zu gewinnen.
Sie ermordete einen Mann, plünderte seine Wertsachen und nutzte dann seine Briefpapiere und sein Siegel, um sich selbst gefälschte Referenzen zu schreiben. So konnte sie von einem Haushalt zum nächsten wechseln immer mit den besten Empfehlungen ausgestattet. Die Perfektion ihres Systems war erschreckend. Sie wählte ihre Opfer sorgfältig aus.
alleinstehende Männer mit Vermögen, aber ohne enge Verwandte, die unbequeme Fragen stellen könnten. Sie baute über Monate Vertrauen auf, studierte ihre Gewohnheiten, ihre Schwächen, ihre Ängste. Dann schlug sie zu, langsam, geduldig, mit Giften, die natürliche Krankheiten imitierten. Im Frühjahr 186 hatte Steinberger genügend Beweise gesammelt, um eine offizielle Anklage zu rechtfertigen.
Doch als er seine Erkenntnisse den Behörden vorlegte, stieß er auf unerwarteten Widerstand. Der Fall Helger Brenner drohte zu einem Skandal zu werden, der weit über Oberammergau hinausreichen würde. Amtsrichter Kolb, der zunächst desinteressiert gewesen war, zeigte sich plötzlich nervös und ausweichend. Herr Steinberger”, sagte er bei einem Treffen im März, “Sie verstehen sicherlich, dass solche Anschuldigungen, wenn Sie sich als unbegründet erweisen, der Gerechtigkeit und dem gesellschaftlichen Frieden schaden können. Wir leben in unsicheren Zeiten. Die Menschen brauchen Stabilität, nicht wilde Theorien über
Giftmörderinnen.” Steinberger erkannte, dass politische Erwägungen eine Rolle spielten. Bayern durchlebte eine Phase der Modernisierung und des wirtschaftlichen Aufschwungs. Skandale, besonders solche, die das Vertrauen in grundlegende Institutionen wie die medizinische Versorgung oder die häusliche Sicherheit erschüttern könnten, waren unerwünscht. Doch Steinberger gab nicht auf.
Er wandte sich an Dr. Wilhelm Huber, den Sohn des verstorbenen Arztes. Dr. Huber war mittlerweile zu der Überzeugung gelangt, dass seine Frau Charlotte tatsächlich ermordet worden war. Die Parallelen zu den Waldmanntodesfällen waren zu offensichtlich, um ignoriert zu werden. “Ich habe die Symptome meiner Frau noch einmal durchdacht”, gestand Dr. Huber.
“Was ich damals als Wochenbettfieber diagnostiziert habe, könnte tatsächlich eine systematische Vergiftung gewesen sein.” Charlotte war gesund und kräftig. Die Geburt verlief normal. Erst als sie wieder normale Nahrung zu sich nahm, Nahrung die Helga zubereitete, begannen die Probleme. Gemeinsam begannen die beiden Männer die medizinischen Aspekte der Mordserie zu rekonstruieren. Dr.
Huber hatte Zugang zu medizinischer Fachliteratur und korrespondierte mit Kollegen in München und Wien. Dabei stießen sie auf die Arbeiten des französischen Toxikologen Matthieu Orphila, der bereits in den 1840er Jahren systematische Studien über Arsenvergiftungen durchgeführt hatte. Orhilas Beschreibungen der chronischen Arsenvergiftung passten perfekt zu den Symptomen, die alle Opfer gezeigt hatten. Anfängliche Magenbeschwerden, gefolgt von fortschreitender Schwäche, Gewichtsverlust Haut und Haarproblemen
und schließlich Herzversagen. Das heimtückische an dieser Methode war, dass die Symptome über Wochen oder Monate entwickelten und leicht als natürliche Erkrankungen gedeutet werden konnten. Steinberger und Dr. Huber erkannten auch, warum Helga so erfolgreich gewesen war. Arsen war in jener Zeit leicht verfügbar.
Es wurde als Rattengift verkauft in der Medizin verwendet und sogar in manchen Kosmetiker eingesetzt. Eine erfahrene Köchin konnte es problemlos beschaffen, ohne Verdacht zu erregen. Zudem waren die meisten Ärzte jenerzeit nicht mit den subtilen Anzeichen einer chronischen Asenvergiftung vertraut. Die beiden Männer führten auch eigene Experimente durch.
Sie analysierten Proben aus dem alten Brunnen im Waldmanchen Anwesen und fanden tatsächlich Spuren von arsenigen Verbindungen. Die Konzentration war gering, aber messbar, ein Hinweis darauf, dass über Jahre hinweg arsenhaltige Substanzen in den Brunnen entsorgt worden waren. Dr. Huber machte noch eine weitere beunruhigende Entdeckung.
Bei der Durchsicht der medizinischen Aufzeichnungen seines Vaters fand er Notizen über andere merkwürdige Fälle aus den vergangenen Jahrzehnten. Nicht nur die Waldmannmänner und Charlotte waren unter mysteriösen Umständen gestorben. Auch andere Patienten in der Umgebung hatten ähnliche Symptome gezeigt. Ein Eintrag aus dem Jahr 1839 beschrieb den Tod eines wohlhabenden Kaufmanns namens Michael Cehentner. Auch er hatte über Monate an rätselhaften Beschwerden gelitten, bevor er starb. Dr.
Hubers Vater hatte notiert. Patient klagte über anhaltende Magenschmerzen und Schwäche. Trotz verschiedener Behandlungen keine Besserung. Tod durch Herzversagen. Bemerkenswert. Patient lebte allein mit einer Köchin, die aus der Gegend von Ethal stammte.
Die Beschreibung der Köchin mittleren Alters dunkles Haar sehr gewissenhaft passte zu Helger Brenner. war sie bereits 1839 in der Gegend aktiv gewesen. Hatte ihre Mordserie noch früher begonnen als bisher angenommen? Steinberger begann eine erschreckende Wahrheit zu begreifen. Helger Brenner war möglicherweise eine der erfolgreichsten Serienmörderinnen in der Geschichte Bayerns gewesen.
Über einen Zeitraum von mehr als drei Jahrzehnten hatte sie systematisch wohlhabende Männer ermordet, ohne je entdeckt zu werden. Ihre Opfer waren nicht nur die bekannten Fälle, es könnten Dutzende gewesen sein. Im Sommer 1864 ereignete sich ein Zwischenfall, der die Ermittlungen in eine neue Richtung lenkte. Steinberger erhielt einen anonymen Brief, der in München abgeschickt worden war.
Der Brief, geschrieben in einer weiblichen Handschrift, enthielt eine erschreckende Botschaft. Sie suchen nach jemandem, der längst tot ist. Helger Brenner starb vor zwei Jahren in einem Kloster bei Innsbruck. Was sie verfolgen, ist nur der Schatten einer Frau, die zu lange gelebt hat.
Der Brief war mit einem Mitwisserin unterzeichnet und enthielt detaillierte Informationen über Helgas letzte Jahre. Laut dem anonymen Schreiber hatte sich Helga in das Kloster Heilig Kreuz bei Innsbruck zurückgezogen, unter dem Namen Schwester Magdalena. Sie hatte behauptet, eine reumütige Sünderin zu sein, die den Rest ihres Lebens der Buße widmen wollte. Sie brachte Reichtum mit ins Kloster, hieß es in dem Brief, Gold und Schmuck, die sie angeblich geerbt hatte.
Die Schwestern nahmen sie auf, ohne Fragen zu stellen, aber auch im Kloster fanden seltsame Todesfälle statt. Die alte Eptissin starb nach kurzer Krankheit, zwei weitere Schwestern ebenfalls. Immer war Magdalena in der Nähe, immer bot sie ihre Hilfe in der Krankenpflege an. Der Brief schilderte auch Hellgas angebliches Ende.
Im Winter 1862 wurde sie selbst krank. Ironischerweise starb sie an denselben Symptomen, die sie anderen zugefügt hatte. Manche sagen, sie habe sich selbst vergiftet aus Reweiflung. Andere glauben, daß eine der überlebenden Schwestern Rache genommen hat. Die Wahrheit wird mit ihr begraben sein.
Steinberger war sich nicht sicher, ob er dem Brief trauen sollte. War er von einer echten Mitwisserin geschrieben worden oder war er eine Täuschung? Er beschloss, nach Innsbruck zu reisen und selbst Nachforschungen anzustellen. Die Reise nach Tirol war beschwerlich, aber Steinberger erreichte das Kloster Heiligkreuz im August 1864. Was er dort erfuhr, erschütterte ihn zutiefst.
Schwester Magdalena hatte tatsächlich existiert und sie war tatsächlich 1862 gestorben. Aber die Umstände ihres Todes waren noch geheimnisvoller, als der Brief suggeriert hatte. Die neue Eptissin, Schwester Benedikta Frau, die erst nach Magdalenas Tod ihr Amt angetreten hatte. Sie erzählte Steinberger eine verstörende Geschichte. Schwester Magdalena kam zu uns als eine Frau, die von großen Sünden geplagt wurde.
Sie sprach oft von Seelen, denen sie Unrecht getan hatte, von Familien, die sie zerstört hatte. Wir hielten es für die übliche Selbstanklage einer reugen Sünderin. Doch dann begannen die seltsamen Todesfälle. Unsere Eptissin Mutter Theresa erkrankte plötzlich. Schwester Magdalena bot an, sie zu pflegen. Nach wenigen Wochen war Mutter Theresa tot. Dann starb Schwester Agatha, eine alte Nonne, die die Bibliothek verwaltete.
Auch sie wurde von Magdalena gepflegt. Schwester Benedikta erzählte weiter: “Ich begann Verdacht zu schöpfen. Ich beobachtete Magdalena heimlich und sah, wie sie nachts in der Küche hantierte, Kräutermischte Pulver abwog. Als ich sie zur Rede stellte, brach sie zusammen und gestand alles.
Das Geständnis, das Helga Brenner in ihren letzten Lebenstagen abgelegt hatte, war erschütternd. Sie hatte von einem Leben erzählt, dass dem Mord gewidmet war. Sie hatte zugegeben, über 40 Menschen getötet zu haben. Wohlhabende Männer, einsame Witwen, sogar Kinder, die unbequeme Erben gewesen waren. Sie sagte, sie habe nie Freude am Töten empfunden, berichtete Schwester Benedikta.
Es sei für sie ein Beruf gewesen, wie weben oder kochen. Sie hatte eine Methode entwickelt, sie war stolz auf ihre Geschicklichkeit, aber in ihren letzten Tagen quälte sie die Erinnerung an all die Gesichter, an all die Leben, die sie beendet hatte. Helgas Ende war so rätselhaft wie ihr Leben. An einem Morgen im Dezember 1862 wurde sie tot in ihrer Zelle gefunden. Neben ihrem Bett stand eine Tasse mit den Resten eines Kräuterte.
Die Eptissin hatte eine Autopsie abgelehnt. Die Kirche wollte keinen Skandal. Helga wurde in einem unmarkierten Grab auf dem Klosterfriedhof beigesetzt. Manchmal frage ich mich, gestand Schwester Benedikta, ob sie wirklich tot ist. Eine Frau, die so lange getötet hat, die so viele Leben in ihrer Hand hatte, kann eine solche Person einfach sterben wie alle anderen.
Steinbergers Rückkehr nach Bayern im Herbst 1864 markierte das Ende der offiziellen Ermittlungen, aber den Beginn einer neuen Phase der Geschichte. Er hatte die Wahrheit über Helger Brenner gefunden, aber diese Wahrheit war so erschreckend, dass sie kaum zu begreifen war. Eine einzelne Frau hatte über drei Jahrzehnte hinweg systematisch gemordet.
Dutzende von Leben beendet, Familien zerstört und war fast unentdeckt geblieben. Steinberger verfasste einen detaillierten Bericht über seine Erkenntnisse, den er den bayerischen Behörden vorlegte. Doch die Reaktion war ernüchternd. Die Staatsanwaltschaft in München erklärte den Fall für abgeschlossen, da die Hauptverdächtige tot sei.
Die Kirche weigerte sich, Helgas Grab öffnen zu lassen, um die Identität zu bestätigen. Die lokalen Behörden wollten keine weiteren Untersuchungen, die alte Wunden aufreißen könnten. Dr. Wilhelm Huber setzte seine medizinischen Forschungen fort und wurde zu einem der ersten deutschen Experten für Vergiftungsfälle. Er entwickelte Methoden zur Früherkennung von Aenvergiftungen und korrespondierte mit internationalen Kollegen über ähnliche Fälle.
Seine Arbeit trug dazu bei, dass spätere Serienmörder schneller entlarft wurden. Anna Waldmann, die Witwe des letzten Opfers, erfuhr erst 1865 von Steinbergers Entdeckungen. Die Nachricht, dass ihr Mann ermordet worden war, löste bei ihr eine tiefe Depression aus, aber auch eine grimme Genugtu. Ich wußte, daß etwas nicht stimmte”, schrieb sie in einem Brief an ihre Schwester. Heinrich war gesund und stark. Er wäre nicht einfach so gestorben.
Anna nutzte das Geld, dass sie durch den Verkauf von Heinrichs Werkstatt erhalten hatte, um eine Stiftung zu gründen, die Witwen in ähnlichen Situationen unterstützte. Sie wurde zu einer Verfechterin der Aufklärung über häusliche Vergiftungen und korrespondierte mit Ärzten und Forschern in ganz Europa.
Dasche Anwesen blieb noch jahrelang unbewohnt. Steinberger hatte es nach seinen Entdeckungen verkauft, aber die neuen Besitzer konnten nie lange bleiben. Sie klagten über einen seltsamen Geruch in der Küche, über Geräusche in der Nacht, über ein Gefühl der Beklemmung, das sich nie ganz legen ließ. 25 Jahre nach den Ereignissen wurde das Haus schließlich abgerissen.
Bei den Abrissarbeiten machten die Arbeiter eine letzte verstörende Entdeckung. Im Fundament der alten Küche fanden sie ein kleines Versteck, das mit Steinplatten verdeckt gewesen war. Darin lagen die Überreste von mehreren kleinen Tieren, Mäusen und Ratten, die offenbar als Versuchsobjekte für Gifte gedient hatten.
Aber es gab auch menschliche Überreste. Ein kleiner Kieferknochen eindeutig von einem Kind. Ein Fingerring, der später als Eigentum einer Markt identifiziert wurde, die 1858 aus einem Nachbardorf verschwunden war. Helger Brenner hatte offenbar nicht nur ihre offiziellen Opfer getötet, sondern auch andere Menschen, die ihr im Weg gestanden oder ihre Geheimnisse entdeckt hatten.
Die Geschichte von Helger Brenner verbreitete sich allmählich über ganz Deutschland und darüber hinaus. Kriminologen und Mediziner studierten ihren Fall als Beispiel für die perfekte Giftmörderin. Ihre Methoden wurden in Lehrbüchern beschrieben, ihre Psychologie analysiert. Doch es blieben Fragen offen. Wer war Helger Brenner? wirklich gewesen. Woher kam sie ursprünglich? Wie hatte sie ihre tödlichen Kenntnisse erworben? Und vor allem, war sie wirklich 1862 in dem Kloster gestorben? Oder hatte sie ein letztes Mal ihre Identität gewechselt und war entkommen? In den 1890er Jahren
tauchten Berichte über ähnliche Fälle in anderen Teilen Europas auf. In Frankreich starb ein wohlhabender Winzer unter mysteriösen Umständen, nachdem er eine neue Haushälterin eingestellt hatte. In Österreich verschwand eine Köchin namens Maria Steiner spurlos, nachdem ihr Arbeitgeber, ein reicher Kaufmann, an einer rätselhaften Krankheit gestorben war.
Waren dies die Taten von Nacharmern, die von Helgas Geschichte inspiriert worden waren? Oder war die Frau, die als Helger Brenner bekannt geworden war, noch immer am Leben und setzte ihre tödliche Karriere fort? Franz Steinberger, der Mann, der die Wahrheit ans Licht gebracht hatte, starb 1891 in München. Die Umstände seines Todes waren beunruhigend.
Er wurde tot in seinem Arbeitszimmer gefunden, an seinem Schreibtisch sitzend, als hätte er gerade arbeiten wollen. Neben ihm stand eine Tasse Tee, die noch warm war. Die Untersuchung ergab keine eindeutige Todesursache. Herzversagen erklärten die Ärzte. Doch auf seinem Schreibtisch lag ein angefangener Brief, geschrieben in Steinbergers Handschrift. Sie ist zurückgekehrt. Ich bin sicher, dass sie zurückgekehrt ist. Die neue Köchin, die gestern eingestellt wurde.
Ihre Augen, ihr Gang, die Art, wie sie die Küche inspizierte. Es ist dieselbe Frau. Nach all den Jahren ist sie zu mir gekommen, um Der Brief brach an dieser Stelle ab. Die neue Köchin, eine Frau namens Elisabeth Müller, war am nächsten Tag spurlos verschwunden. Die Polizei fand keine Spur von ihr.
Es war als hätte sie nie existiert. Die Geschichte von Helger Brenner, der Köchin, die drei Generationen einer Familie vergiftete und nie entlaft wurde, ist mehr als nur ein Kriminalfall. Sie ist ein Spiegel einer Zeit, in der Unwissen und Vertrauen tödlich sein konnten, in der eine einzelne Person jahrzehntelang morden konnte, ohne entdeckt zu werden.
Heute mehr als ein Jahrhundert später fragen sich Historiker und Kriminologen noch immer, wie viele andere gab es wie sie, wie viele unentdeckte Serienmörder lebten in der scheinbar friedlichen Welt des 19. Jahrhunderts und wie viele ihrer Opfer starben, ohne dass je jemand die wahre Ursache ihres Todes erkannte.
Die Antworten auf diese Fragen sind mit Helger Brenner begraben, wo auch immer ihr Grab sein mag.

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